Passau/Freyung. Tag sechs im Mordprozess gegen den Freyunger Dominik R. (23) am Landgericht Passau: Wäre der Anlass nicht so erschütternd, hätten sich am Montag während der Gutachten-Verlesung zweier Rechtsmediziner Vergleiche mit beliebten Fernsehserien angeboten, in denen Tatort-Ermittler und Kriminalisten den Tätern auf der Spur sind. Auf der Agenda standen die Auswertungen von Blutspuren in der Tatwohnung sowie die Klärung der Todesursache von Lisa H (20).
Dominik R., der im Prozess weiterhin schweigt, soll seine Ex-Freundin und Mutter des gemeinsamen Sohnes (2) Ende Oktober 2016 getötet haben. Er wurde mit dem Kind am 19. November 2016 in Spanien festgenommen. Der Leichnam war in der zuvor gemeinsamen Wohnung versteckt worden. Die Tote wurde am 12. November von ihrer Mutter gefunden.
Menschenblut auf dem Boden, auf dem Lattenrost, im Eimer
Am Montag sagten die Rechtsmediziner im großen Strafgerichtssaal 40/II aus, dass Lisa H. durch zwölf bis 18 Stiche und Schnitte „nach außen verblutet“ und sie im Schlafzimmer gestorben sei. Und tatsächlich kam es im Prozess zu einer Anspielung auf jene TV-Serien: Da beide seriösen Münchner Gutachter sich nie so recht festlegten, sondern meist nur angaben, welche Wahrscheinlichkeiten sie für die Positionen von Täter und Opfer, für das Tatwerkzeug sowie für den Todeszeitpunkt aus gewissen Spuren am und um den Leichnam herum ablesen könnten, meinte der Richter süffisant: „Ihre Fernsehkollegen sind da viel genauer.“ Daraufhin meinte der Rechtsmediziner, der obduziert hatte: „Wir versuchen ja, das alles nachzumachen. Es ist uns aber wissenschaftlich noch nicht gelungen.“
Verbluten beinhaltet die Möglichkeit unzähliger Blutspuren am Tatort. Das Schlafzimmer wirkte auf den ersten Blick aufgeräumt und sauber – offensichtlich war nur, dass im Doppelbett ausschließlich eine Hälfte mit Bettzeug belegt war. Die Ermittler freilich sahen ganz genau hin, entdeckten feine Blutspritzer an den Wänden sowie verblasste Blutflecken. Sie wiesen – auch unter Einsatz von Leucht-Chemikalien – Menschenblut auf dem Boden, auf dem Lattenrost, in einem leeren Eimer im Bad sowie an Schuhen nach. Dies bedeute, so die Folgerung der Gutachter, dass hier der Versuch unternommen wurde, Blut von gewissen Oberflächen abzuwischen. Oder anders ausgedrückt: dass jemand geputzt haben musste.
Blutdurchtränktes Bettzeug und Wischtuch bzw. -mob fehlten, wären wohl „entsorgt worden“. Ein Sickerfleck auf der Unterseite der frisch bezogenen Matratze machte den Gutachter allerdings stutzig – er ließ daher den Stoff entfernen, die Matratze quer durchschneiden. Es brauchte keine Leuchtmittel, um so herauszufinden, dass diese Bettauflage blutdurchtränkt war. Die Spritzmuster an der Wand könne er entweder mit Abwehrbewegungen der auf dem Bett liegenden Lisa H. oder mit wiederholten Aushol-Stichbewegungen eines rechts daneben stehenden Täters erklären. Alles Blut am Tatort stamme „von der Verstorbenen, nicht vom Angeklagten und nicht von einem Dritten“. Eine DNS-Expertin hatte genetische Fingerabdrücke von Lisa H., einer weiteren Frau und Dominik R. festgestellt – von letzterem auch auf einer Küchenmesserklinge, an der sich jedoch keine Spuren Lisa H.s befanden.
„Mehr kann ich dir nicht sagen, sonst wird dir schlecht“
Der Professor, der den Leichnam untersucht hatte, erläuterte, dass die Verletzungen „durch massive und intensive Gewalteinwirkung“ vor allem im Kopf- und Halsbereich sowie – durch Gegenwehr – an beiden Armen und Händen entstanden seien. Er zählte „zwischen einem und anderthalb Dutzend Stiche“ mit einem „wohl klassischen, einschneidigen Messer“ mit mindestens sieben Zentimeter langer, „recht stabiler“ Klinge. Über die wahre Länge des Tatwerkzeugs ließe sich mangels „eines eindeutig endendem Stichkanals“ nichts Genaueres sagen. Eine übliche Schere sei nicht so scharf geschliffen wie ein Messer, bis auf den Stich im oberen Stirnbereich habe er „kein plausibles Verletzungsmuster durch eine Schere“ gefunden. Trotz durchschnittenem Hals hätte Lisa H. schreien können. Die durchaus aufmerksamen Nachbarn im hellhörigen Haus hatten allerdings nichts dergleichen gehört. Wie schmerzhaft jene wohl wenige Minuten mit all ihrer „Rasanz“ für die Todgeweihte waren, lasse sich wegen des schmerzdämpfenden Adrenalins im Körper bei „maximalem Stress durch den potenziell tödlichen Angriff“ nicht sagen.
Vor und nach den Gutachtern, denen Dominik R. schweigend, teils jedoch mit beiden Händen vor dem Gesicht zuhörte, kamen weitere Weggefährten des einstigen Paares in den Zeugenstand. Darunter die ehedem beste Freundin (25) Lisa H.s sowie der aktuell beste Freund (22) Dominik R.s. Jener sagte unter anderem, er habe vor dem Krankenhaus kurz nach der Geburt des Söhnchens mit R. eine Zigarette geraucht: „So glücklich hatte ich ihn noch nie gesehen.“ Der Zeuge lebt inzwischen mit der jungen Frau in einer Beziehung, die in Lisa H.s letzten Wochen auf deren Bitte hin mit ihr zusammenwohnte.
Zur besten Freundin von damals hatte Lisa H. nach ihrer Trennung vom Sommer 2016 wieder Kontakt gesucht. All diese jungen Leute kennen sich mehr oder weniger untereinander. So ist der respektlose Augsburger Zeuge von letzter Woche, ein Zockerkumpel R.s, auch ein Chatpartner von Lisas Freundin. Sie beschreibt den Augsburger als einen „Knallkopf. Der nimmt gar nichts ernst, macht sich immer lustig, meint, er ist allein auf der Welt.“ Nachdem die tote Lisa H. gefunden worden war, schrieben die beiden sich. „Weißt Du, dass Lisa tot ist“, fragte die Hohenauerin. „Jetzt verstehe ich alles“, schrieb der Augsburger zurück. Tags darauf ließ er die Freundin wissen: „Jetzt hat R. sich gemeldet.“ Wieder einen Tag später schrieb er Nachrichten mit folgenden Inhalten: „Es ist wirklich wahr“ – „Mehr kann ich dir nicht sagen, sonst wird dir schlecht“ – und „R. hat mir den Mord gestanden.“ Lisa H.s Tod war zu diesem Zeitpunkt aktuelles Thema in der Region. Die Freundin erfuhr Einzelheiten: „Was an Details ich bei dem Augsburger nachfragte, er bestätigte es.“
„Ohne Auffälligkeiten – R. war ganz freundlich und ruhig“
Ziemlich außen vor in all diesem Geschehen blieb der Bewährungshelfer, der R. ab August nach dem Landgerichtsurteil vom Juni 2016 aufgrund einer Einbruchsserie zur Seite stand. Dominik R. war bei ihm „immer ruhig und freundlich“. R. sollte im November 2016 im Saarland eine stationäre Therapie wegen seiner Spielsucht antreten, war am 19. Oktober, acht Tage vor Lisa H.s mutmaßlichem Sterbetag, zum letzten Mal bei dem Sozialarbeiter: „R. wollte den Therapiebeginn aufschieben, um zuvor noch sein Verhältnis zu Lisa zu klären.“ Das letzte Telefonat mit R. führte er am 28. Oktober „ohne Auffälligkeiten. R. war ganz freundlich und ruhig.“
Inzwischen hat R.s Bruder – wie auch die Mutter der beiden – beschlossen die Aussage zu verweigern. So wurde er von der Montags-Zeugenliste gestrichen. Der Prozess wird am 23. Oktober fortgesetzt.
da Hog’n