Passau/Freyung. Wie Vorgeplänkel wirken die bisherigen vier Termine im Mordprozess gegen Dominik R. (23) im Vergleich zum Freitag: Die engste Familie der gewaltsam getöteten Lisa H. (20) kam dabei im großen Strafgerichtssaal 40/II zu Wort. Der arbeitslose Fitnesstrainer und Bauhelfer R. soll seine Ex-Freundin Ende Oktober 2016 in der bis kurz zuvor gemeinsamen Wohnung in Freyung laut Staatsanwaltschaft ermordet, den Leichnam dort versteckt haben. Als die Tote gefunden wurde, war R. mit dem gemeinsamen Sohn (2) über Frankreich nach Spanien geflohen, wo ihn die Polizei am 19. November 2016 festnehmen konnte. Der Leichnam von Lisa H., in Müllsäcken verstaut, bedeckt mit Katzenstreu und Kartons, wurde am 12. November 2016 entdeckt. Von der eigenen Mutter (43).
„Man ist nicht warm geworden mit ihm“
Die Kriminalpolizei hat Handydaten vom 13. November 2016 ausgewertet, die fünf Telefonate zwischen R. und einem seiner Zockerkumpels (20) aus dem Raum Augsburg nachweisen – insgesamt: 146 Minuten Gesprächszeit. Der 23-Jährige, der im bisherigen Prozessverlauf schweigt, soll dabei mit ihm über die Bluttat gesprochen haben. Bevor der Bursche eine überaus deplatzierte Show im Zeugenstand abzog, hatten dort nacheinander Lisa H.s Mutter, Lisa H.s Stiefvater sowie Lisa H.s Bruder ausgesagt.
Allein das Befragen der immer wieder mit den Tränen kämpfenden Mutter nahm zweieinhalb Stunden in Anspruch. Lisa H. hatte nach dem Quali eine Lehre als Kinderpflegerin begonnen, sattelte danach aber auf Einzelhandelskauffrau um: „Sie kam nicht damit klar, wenn ein Kind es nicht so gut hatte“, sagte die Mutter. Dominik R. hatte sie an einer beliebten Tankstelle kennengelernt. „Am Anfang war er normal. Mir kam er aufgesetzt vor, überheblich. Man ist nicht warm geworden mit ihm.“ Ihr Mann, Lisas Stiefvater, beschreibt den Angeklagten wie folgt: „R. war eher selten bei uns. Wir haben ihn oft eingeladen, auch zum Grillen. Er kam immer weniger. Mir war er nicht so sympathisch. Er war für Lisa nicht so da, wie ich mir das vorgestellt hätte. Er war zu kühl. Hat immer abgeblockt, hat sich abgesondert. Er verzog sich immer in einen anderen Raum, allein. Mit dem Buben hat er sich nicht abgegeben, hat ihn links liegen lassen. Wie ein Vater hat er sich nicht benommen. Ich habe blaue Flecken gesehen bei Lisa.“
„Da habe ich mich das erste Mal vor ihm gefürchtet“
Die Mutter weiter: „Er kam mir uninteressiert vor, wollte sich an Gesprächen nicht so recht beteiligen. Meine Kinder gingen ihm nicht so zu. Für mich war er ausländerfeindlich. Er hat dem Buben die Haare immer ganz kurz geschoren. Ich wusste schon, dass die beiden streiten. Mal hatte Lisa ein blaues Auge. Sie sagte, sie wäre gegen ein Küchenkastl gestoßen. Er erledigte seine Anträge nicht, das musste sie wiederum machen. Und das Kind versorgen. Auch beim Umzug, da hat er auf dem Sofa mit dem Handy gespielt und wir haben geschleppt“, beantwortete Lisas Mutter geduldig die Fragen des Gerichts.
Nach der bereits zweiten Trennung im Sommer 2016, nach der eine Freundin (20) bei Lisa H. einzogen war, erzählte die Tochter ihrer Mutter längst nicht mehr alles: „Sie ist so mager geworden. Sie wollte auch mich schützen, sie hat mehr auf andere geschaut als auf sich selber. Er hat sie fertig gemacht. Es passte ihm nicht, wenn sie bei uns war. Er wollte einen Keil reinbringen. Sie sah so leer aus. Er hat sie fertig gemacht, das konnte er gut. Ich sollte ihr helfen, ihn rauszuwerfen. Als ich hinkam, hatte sich die Situation schon wieder beruhigt. Er sagte selbst, dass das besser ist. Lisa war fertig, total aufgeregt, stand am Fenster, kurz vorm Umkippen. Er sagte: ‚Sie will mich nicht gehen lassen.‘ Woraufhin sie erwiderte: ‚Doch, ich will endlich meine Ruhe – will, dass er aus meinem Leben verschwindet.‘ Das war Ende Juli. Er war, als legte er einen Schalter um. Als ich sagte, du hörst es doch, was tust du noch da, ging er mit dem Finger voran auf mich zu und drohte: ‚Misch‘ du dich nicht ein!‘ Da habe ich mich das erste Mal vor ihm gefürchtet. Er saß dann im Treppenhaus, hat den Zweitschlüssel mitgehen lassen.“
R. berichtete ihm, dass es Streit gab und er Lisa umgebracht hat
Auf die Frage hin, ob Lisa ihn zurückhaben wollte, antwortete die Mutter im Zeugenstand: „Sie sagte, wenn er eine Therapie macht und sich ändert und es ernst meint, dann schon. Aber selbst dann weiß sie es noch nicht. Er muss es beweisen und Verantwortung übernehmen. Lisa wollte ihn auf einen besseren Weg bringen. Mit dem neuen Freund, der schon ihr erster gewesen war – da waren sie 14 oder 15 -, ging es ihr richtig gut. Er war erwachsen geworden, selbständig. Sie war glücklich. Er hat ihr gut getan, sie konnte sich besser verlassen auf ihn. R. hingegen hasste ihn. Er hat jeden Ex-Freund von ihr gehasst. Er hat sich immer dazwischen gestellt, zwischen Lisa und Freunden von früher. Das Baby war die ersten drei Monate ein Schreikind. Aber da hatte Lisa mehr Nerven als ich. Sie ist richtig erwachsen geworden mit ihm, schlief oft im Sitzen mit dem Buben ein. Ich hatte den Eindruck, dass sie das Baby 24 Stunden bei sich hatte.“
Ab Ende Oktober sah die Mutter ihre Tochter dann nicht mehr, wohl aber deren Auto vor dem Haus. Es hieß, sie sei beim neuen Freund. Mit der Polizei geht sie am 11. November in die Wohnung, kommt am 12. November mit ihrem Mann wieder, um aufzuräumen. Die Wohnung ist verlassen, die Heizung ist an, die Mülleimer sind voll, die Fenster gekippt. „Lisa würde so nie in den Urlaub fahren.“ Das Ehepaar will wieder gehen, als die Mutter noch in eine Kamin-Nische schaut, weil dort die Katzen gerne spielen. Da sieht sie die blaue Rolle. Ihr Mann zieht sie weg und holt die Polizei.
Am nächsten Tag telefonierte Dominik R. dann lange mit dem Augsburger Internet-Kumpel. Demnach hatte R. ihm berichtet, dass es Streit gab und er Lisa umgebracht hat, er sie in Folie packte und versteckte. Er habe sich dann schlafen gelegt, wachte am nächsten Tag um 5 Uhr auf, hat Blut gewischt, zwei Tage lang. Eine Woche war er noch in der Wohnung, besorgte sich erst noch Geld durch das Verticken von auf Rechnung bestellter Ware.
Flasche Wodka, „damit er das überhaupt machen kann“
Doch der Zeuge aus Augsburg berichtet dies alles erst zögerlich, nachdem er mehrfach vom Gericht zurechtgewiesen worden war. „Das ist alles so lange her“, wollte er sich herauswinden, erzählte lieber von Fußballwetten und Essensfotos. Richter Wolfgang Hainzlmayr fragte ihn: „Wie oft hat Ihnen schon ein Freund am Telefon so etwas erzählt, wie viele solcher Gespräche haben Sie schon geführt?“ – „Das war das erste“, konterte der junge Mann achselzuckend. Nach und nach erzählte er noch von einer Flasche Wodka, die R. getrunken hätte, „damit er das überhaupt machen kann“. Und von Fotos von Kreuzen, die R. via Internet haben wollte – für die „Danke“-Tätowierung mit Lisa H.s Daten. Im Weiteren musste der Zeuge Vieles als eigene Wertung relativieren, auch das mit dem Wodka habe er sich halt gedacht.
Dominik R. hat offenbar Lisa H.s Mutter und auch die Freundin, die mit ihrem Baby zu Lisa H. zog und etliches von der problematischen Beziehung mitbekam, vor seiner Flucht einige Tage lang hinzuhalten gewusst. Die Freundin war wieder ausgezogen, war mit Lisa ausgerechnet am Abend der mutmaßlichen Todesnacht verabredet – zum Übernachten, um dann gemeinsam ebenfalls zum Tätowieren zu fahren. Doch sie akzeptierte eine Absage mit der Nachricht, dass Lisa H. sich um R. kümmern, ihn in eine Klinik bringen müsste.
Der Prozess wird am Montag, 16. Oktober, fortgesetzt.
da Hog’n