Freyung/Passau. Dominik R. (23) aus Freyung ist wegen Mordes an seiner Freundin Lisa H. (20) angeklagt (da Hog’n berichtete). Am Freitag, dem dritten Prozesstag am Landgericht Passau, verhält R. sich zunächst wie gehabt: gefasst, unbewegt, schweigsam. Doch so abgeklärt, wie er sich gibt – womöglich aus Selbstschutzgründen – scheint er nicht zu sein. Ohne eine Miene zu verziehen, sitzt er – diesmal nur mit Dr. Thomas Krimmel an seiner Seite – dem Staatsanwalt, den Opferanwälten, der psychiatrischen Gutachterin sowie dem Vater der Getöteten (einem Nebenkläger) gegenüber.
Er bleibt auch dann noch ohne Gefühlsausdruck, als der Kripo-Ermittlungsführer Details über den Fund der Leiche und deren Zustand Tage nach dem Tod sowie eine Chronologie der Beziehung zu Lisa H. schildert. Danach jedoch nimmt Dominik R. doch die Brille ab, die er seit der vergangenen Sitzung im Gerichtssaal trägt. Er braucht – darum ersucht sein Verteidiger – eine Pause.
Aus dem Gefängnis: Dominik R. schreibt Brief ans Gericht
Und ein bisschen hat der 23-Jährige auch sein bis dato beharrliches Schweigen gebrochen. Beim vorausgegangen Gerichtstermin wurden seine Tätowierungen thematisiert. Er mag Sprüche wie „Fick den Richter, nur Gott kann mich richten“, was auf seinem Bein zu lesen ist. Auf dem anderen steht: „Die Wahrheit schweigt, wenn das Para spricht.“ Dazu hatte eine Passauer Tätowiererin ihm Anfang November eine geballte Faust gestochen – nicht aber ersteren Spruch und auch nicht das Geburts- sowie das mutmaßliche Sterbedatum Lisa H.s auf seiner linken Schulter („Danke für alles“ auf Spanisch). Dazu wusste der Zeuge von der Kripo später jedoch Details zu berichten.
Vor dessen Vernehmung verlas der Richter erst noch einen Brief, den R. jetzt dem Gericht aus dem Gefängnis (Untersuchungshaft in Straubing) geschrieben hatte. Dieser Richter kennt R. spätestens seit dem Sommer 2016, seit dem 23. Juni. Damals hatte er im selben Gerichtsaal auch Lisa H. erlebt, als es zum Berufungsprozess um eine Haftstrafe gegen R., verhängt vom Freyunger Amtsgericht für eine Einbruchsserie, gekommen war. Der Richter am Landgericht vertraute offenbar auf das Bild vom jungen Familienglück, das das Paar ihm im Berufungsprozess demonstrierte, ließ Dominik R. in der Folge unter Auflagen auf Bewährung in Freiheit. Nun erklärt R. in dem Brief nicht nur, dass „Para“ das Wort ist, das ein Rapper für Geld benutzt, sondern auch, dass mit dem anderen Spruch „kein Richter in meinem Leben“ gemeint sei.
Zum jüngsten Tattoo mit Lisa H.s Daten hat der Ermittler im sichergestellten Laptop des Angeklagten die Google-Suche nach einem Tattoo-Studio in dem spanischen Urlaubsort gefunden, wohin R. über Paris mit dem gemeinsamen Kind geflohen und wo er am 19. November festgenommen worden war (Lloret de Mar). Im Google-Übersetzer war zuvor eingegeben worden: „Danke für alles“ – „Gracias por todo.“
Im Juni 2016 machte Lisa H. Schluss mit Dominik R.
Überhaupt hat die Kripo alles an Daten und Orten zusammengetragen, was die sichergestellten Handys und Computer an Chat-Unterhaltungen der Getöteten und des Angeklagten untereinander, aber auch mit jeweils neuen Partnern, mit Angehörigen und mit Freunden hergeben. Daraus und aus Befragungen der Zeugen schließt der Ermittlungsleiter: Lisa H. und Dominik R. wurden 2014 ein Paar, bekamen 2015 einen Sohn, zogen im April 2016 gemeinsam um in die Tatwohnung nach Freyung. „Die Beziehung war von Anfang an von Streits und gegenseitigen Körperverletzungen geprägt.“
Im Juni 2016 machte Lisa H. Schluss mit Dominik R., der das nicht akzeptiert habe. Schon das ganze Jahr über hatte Lisa H. mit einem jungen Mann lose gechattet, der einst ihr allererster Freund war. Das wurde „ab August intensiver“, so der Kriminaler. Ende August trafen die beiden sich in der Tatwohnung. Lisa H. hätte ihr Kind nicht alleine dort lassen wollen – aus Angst, dass R., der weiterhin im Besitz des Schlüssels war, sich den Sohn holen könnte. Seit 1. September 2016 wären sie und ihr erster Freund wieder zusammen gewesen, hätte dieser Freund auch in der Wohnung übernachtet. Sex hätten sie nicht gehabt: Das Kinderbett stand im Schlafzimmer, das Kind habe stets einen sehr leichten Schlaf gehabt. Im Wohnzimmer wohnten zu der Zeit die beste Freundin Lisa H.s mit deren Kleinkind, manchmal auch deren Freund. Lisa H. hatte Angst vor R., hatte die Freundin zu sich geholt.
Ab dem 26. September erlaubte Lisa H. jedoch dem Kindsvater wieder, den Sohn zu sehen. Anfang Oktober zog der Angeklagte, der inzwischen bei seiner Mutter gelebt hatte, wieder bei ihr ein. Nach wenigen Tagen aber machte die junge Frau erneut Schluss. Dominik R. sollte vorerst noch bei ihr wohnen dürfen, da er auch bei seiner Mutter rausgeflogen war. Er hatte eine neue Wohnung. Bezugs- und damit zugleich Auszugsdatum: 1. November.
„Das sind die letzten Zeugen, die Lisa lebend gesehen haben“
Ab dem 15. Oktober intensivierte Lisa H. den Chat mit ihrem neuen Freund wieder, wollte zu ihm zurück. Nach einer Aussprache wollten beide ab 1. November wieder zusammen sein, bereits das Wochenende 28./29. Oktober gemeinsam mit dem Kind verbringen.
Am 26. Oktober abends trafen sich Lisa H., deren beste Freundin mit Partner, Dominik R. und dessen Bruder vor Lisa H.s Wohnhaus. Der Kriminaler: „Das sind die letzten Zeugen, die Lisa lebend gesehen haben.“ Lisa chattete ab 18 Uhr mit ihrer neuen Liebe. Bis 0.17 Uhr. „Das ist der letzte Text, der offensichtlich noch von Lisa selbst stammt.“ Spätere Textnachrichten und Facebook-Einträge ordnet die Kripo dem Angeklagten zu.
Nächster Prozesstermin ist der 29. September.
da Hog’n
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