Freyung-Grafenau. Eine Wohnung zu finden, kann manchmal sehr schnell gehen – kann sich aber auch zu einer langwierigen Angelgenheit entwickeln. Erschwerte Bedingungen herrschen insbesondere dann vor, wenn man als Wohnungssuchender eine andere Sprache spricht als der Vermieter, eine andere Hautfarbe hat – oder zur Gruppe der Flüchtlinge zählt. Christian Fiebig weiß um diese Problematik sehr gut Bescheid. Als sogenannter Aslykoordinator besteht seine schwerpunktmäßige Aufgabe seit Februar dieses Jahres unter anderem darin, im Auftrag des Landratsamts Freyung-Grafenau denjenigen Geflüchteten, deren Asylantrag bereits anerkannt wurde, bei der Wohnungssuche unter die Arme zu greifen. Zudem begleitet der 36-Jährige Ehrenamtliche, „unterstützt deren Tätigkeit und hat ein offenes Ohr für Helferkreise bei Fragen und Problemen vor Ort“, wie auf der Homepage des neu geschaffenen Koordinationsbüros zu lesen ist.
„Die Hauptaufgabe besteht darin, geeignete Wohnungen für die Flüchtlinge zu finden – insbesondere für die sogenannten Fehlbeleger“, erklärt Christian Fiebig bei seinem medialen Antrittsbesuch vor wenigen Monaten in der Hog’n-Redaktion, begleitet von Landratsamtssprecher Karl Matschiner. Als „Fehlbeleger“ werden Menschen bezeichnet, deren Status als Asylbewerber von staatlicher Seite her zwar anerkannt wurde, die jedoch mangels einer eigenen Wohnung immer noch in der Asyl-Unterkunft leben (müssen), die ihnen ursprünglich zugewiesen worden ist.“ Sie gelten somit als Arbeitslosengeld-II-Empfänger (besser bekannt als Hartz IV – Anm. d. Red.), können jedoch keine Wohnung finden – aufgrund von Sprachbarrieren und verschiedenen weiteren Faktoren“, wie Fiebig weiß.
Anfang des Jahres 2016 gab es im Raum Niederbayern mehr als 2.700 Fehlbeleger, wie das Sozialministerium mitteilte. Dies entspricht rund einem Viertel aller zu diesem Zeitpunkt in niederbayerischen Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften lebenden Flüchtlingen (Gesamtzahl: ca. 11.300). Anfang Juli ist die Zahl der Fehlbeleger niederbayernweit nun auf 4.540 angewachsen. „Mit Stand von Dienstag, 28. Juni 2016, hatten wir in Niederbayern insgesamt 11.044 unterzubringende Asylbewerber“, teilt die Regierung von Niederbayern auf Hog’n-Nachfrage mit.
Suchsystem funktioniert nur über gewisse Multiplikatoren
Zu Fiebigs Aufgaben gehöre es unter anderem, eine Wohnungsdatenbank aufzubauen und diese zu pflegen – „also zu schauen, wo im Landkreis geeigneter, durch das Jobcenter bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist“. Bezahlbar deshalb, da die Wohnungsmiete auch den Hartz-IV-Sätzen entsprechen muss, wie Fiebig betont. „Das bedeutet, dass beispielsweise in den drei Städten Freyung, Grafenau und Waldkirchen der Quadratmeterpreis nicht über 4,50 brutto liegen darf.“
Auf der Suche nach geeigneten Wohnungen ist der Landratsamtsmitarbeiter vor allem auf die intensive Mithilfe der Helferkreise vor Ort angewiesen. „Sie teilen uns mit, welche Vermieter in Frage kommen.“ Ebenfalls sei die Unterstützung des Caritasinformationsdienstes sowie der Gemeinden von Nöten, deren Bürgermeister und Bedienstete über die Lage auf dem hiesigen Wohnungsmarkt zumeist sehr gut informiert sind. Es funktioniere nur über gewisse Multiplikatoren. „Ich kümmere mich auch um die Öffentlichkeitsarbeit – worüber wir ebenso versuchen, Wohnungen zu akquirieren.
„Viele Asylbewerber benötigen Wohnung plus Arbeit“
Bei der Auswahl der in Frage kommenden Wohnungen gebe es zwei wesentliche Kriterien, wie Karl Matschiner mitteilt. „Die Wohnung darf nicht zu teuer sein, weil sonst die Kosten vom Jobcenter nicht übernommen werden. Zudem möchten wir eine Ghetto-Bildung vermeiden, das heißt: Wir möchten keine größere Zahl an Fehlbelegern unter einem Dach haben, denn das ist integrativ betrachtet nicht zielführend.“
Zudem sei wichtig, die (potenziellen) Vermieter nicht zu „verprellen“, wie Matschiner dies nennt. Er bezieht sich dabei auf „Flüchtlinge, die noch nicht genau wissen, wo sie längerfristig wohnen bleiben möchten, jedoch definitiv aus der dezentralen Unterkunft ausziehen wollen“. Es sei – verständlicherweise – im Interesse des Vermieters, einen zuverlässigen, längerfristigen Mieter zu haben, der pünktlich seine Miete bezahlt – letzteres sei durch die Übernahme des Jobcenters gewährleistet.
Ein weiterer Faktor, der die Zusammenbringung von Mietern und Vermietern vor eine große Herausforderung stellt: „Viele Asylbewerber benötigen Wohnung plus Arbeit. Dabei gibt es das Problem mit der Distanz zwischen Wohnung und Arbeitsplatz“, so Matschiner. Die Leute seien somit auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, da sie weder einen deutschen Führerschein noch ein eigenes Auto besitzen. „Das kann heißen: Jemand hat eine Wohnung in Röhrnbach gefunden – und ein paar Monate später bekommt er aber eine Arbeit in Thurmansbang. Der Asylbewerber schaut dann logischerweise, dass er auch an seinem Arbeitsort eine Wohnung bekommt.“
Asylkoordinator Fiebig: „Es ist eine herausfordernde Situation“
Nach der Anerkennung bestehe derzeit das Recht auf Freizügigkeit, wie der Behördensprecher weiß. Das heißt: Die Flüchtlinge können sich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland frei bewegen und von A nach B reisen. „Wir kümmern uns also zunächst um diejenigen, die auch tatsächlich längerfristig bleiben möchten – die meisten wollen jedoch ohnehin weg.“ Eine Residenzpflicht werde jedoch im Rahmen des neuen Integrationsgesetzes, dessen Entwurf von der Bundesregierung bereits befürwortet worden ist, diskutiert. Die Große Koalition möchte das Gesetz noch vor der Sommerpause vor den Bundestag und den Bundesrat bringen, so Matschiner.
„Erst nach Inkrafttreten des Gesetzes werden wir die konkreten Ausformulierungen kennen. Hinzu kommt, dass im aktuellen Entwurf den Bundesländern eine Gestaltungsmöglichkeit der Residenzpflicht offen gelassen wird. Welche Regelung der Freistaat Bayern in diesem Zusammenhang treffen wird, ist somit für uns noch offen.“ Auch das Bayerische Integrationsgesetz liege bisher nur im Entwurf vor. Sollte eine Residenzpflicht eingeführt werden und die Asylbewerber somit beispielsweise für einen bestimmten Zeitraum (etwa zwei bis drei Jahre) eine gewissen Wohnort gebunden sein, würde dies die Planungssicherheit potenzieller Vermieter freilich erhöhen.
„Es ist eine herausfordernde Situation“, beurteilt der Asylkoordinator die wahrlich nicht gerade einfache Aufgabenstellung, die von vielen Unsicherheitsfaktoren, bürokratischen Hürden – und selbstverständlich auch Ressentiments und Ängsten innerhalb der heimischen Bevölkerung – begleitet wird. „Wir wollen Flüchtlinge auch nicht gegenüber anderen Hartz-IV-Beziehern bevorzugen, die ebenfalls günstigen Wohnraum suchen“, betont Fiebig. Es solle nicht der öffentliche Eindruck entstehen, dass für die Flüchtlinge in Sachen Wohnungssuche mehr gemacht werde als für die Einheimischen. „Es werden neue Flüchtlinge kommen – und für die benötigen wir Platz. Im Sinne der Flüchtlinge, die anerkannt sind, ist es nicht gut, dass sie in der Unterkunft sitzen bleiben, jedoch weiterhin Geld vom Jobcenter bekommen und keine eigene Wohnung haben.“
Der ideale Vermieter: „Einer, bei dem’s mensch’lt“
Auf die Frage, ob und wer denn die Qualität der in Frage kommenden Wohnungen überprüfe, teilt Karl Matschiner mit: „Das Sozialamt wird keine Vorab-Prüfungen machen. Wenn wir Informationen haben, dass eine Wohnung nicht passen sollte, werden wir nachfassen – ich möchte nicht, dass in unserer Datenbank irgendwelche Kellerlöcher aufgeführt sind.“ Ein generelles Problem auf der Suche nach geeignetem Wohnraum: Viele potenzielle Vermieter würden es grundsätzlich ablehnen, an Flüchtlinge zu vermieten – „an Schwarze vermiete ich nicht“ sei da immer wieder mal zu hören. Es komme gar nicht erst zu einem Gespräch, sondern stoße von Vornherein auf Ablehnung, wie Christian Fiebig berichtet. Daher sei es auch so wichtig, „dass man diejenigen findet, denen man zutraut, einen ganz normalen Mietvertrag zu schließen“. Es gehe um „positives Feedback“. Darum, „dass es sich rumspricht: Das ist ein Mensch wie Du und ich, der auch nur leben, wohnen und arbeiten möchte“.
Wie der „optimale Vermieter“ denn aussehe? „Ein aufgeschlossener Mensch, mit dem es keine Probleme gibt; bei dem der Wohnraum stimmt und auch das Zwischenmenschliche passt“, sagt Aslykoordinator Fiebig. Und Karl Matschiner ergänzt: „Der ideale Vermieter für die Fehlbeleger ist der, der sie auch mal bei der Hand nimmt – einer, der ihnen zeigt, wie unsere Kultur funktioniert und bei dem’s mensch’lt.“
Dass dabei die Sprache – sowohl auf der Seite des Vermieters als auch auf der Seite des Mieters – eine Schlüsselrolle einnimmt, ist hinlänglich bekannt. „Wir stellen jedoch fest, dass wir insbesondere ein Defizit in der Sprachintegration haben bei erwachsenen Flüchtlingen, deren Anerkennung noch aussteht“, berichtet Matschiner. Kinder würden in den Kindergarten kommen, wo sie mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen und diese lernen. Jugendliche in die Schule. Doch die Erwachsenen?
Diese befänden sich im Leerlauf und müssten warten, bis sie ihre Anerkennung haben und somit von staatlicher Seite sprachlich gefördert werden könnten. „Die erfahrungsgemäße, gefühlte Wartezeit ist deutlich über einem Jahr. Die Frage ist: Was macht man mit ihnen?“ Die Helferkreise und die Ehrenamtlichen alleine können die Aufgabe der Sprachvermittlung alleine nicht stemmen, so Matschiner. „Doch Sprache ist der der Schlüssel zur Erst-Integration.“ Matschiner zufolge wäre es deshalb wünschenswert, „wenn weitere Mittel zur Verfügung gestellt würden, damit Erwachsenen auch vor dem Anerkennungsstatus trägerfinanzierte Sprachkurse ermöglicht werden.“
„… und sie daher grundsätzlich eher wenig Interesse zeigen“
Knapp 200 Fehlbeleger gab es Ende April im Landkreis Freyung-Grafenau – 230 waren es Mitte Juni, wie das Landratsamt auf Hog’n-Nachfrage informiert. Am vergangenen Freitag (1. Juli) belief sich die Zahl auf 197. Und während Ende April noch 668 Personen auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warteten, waren es Mitte Juni 647 (inklusive 104 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge) – und zum Stand 1. Juli 637 (davon rund 90 unbegleitete Minderjährige). „Im Rahmen von rund 15 konkreten Vermittlungsaktivitäten konnten seit Anfang April fünf erfolgreich abgeschlossen werden“, teilte Pressesprecher Matschiner Ende April auf Hog’n-Nachfrage mit. Mitte Juni waren es (insgesamt) bereits 15 Vermittlungen. „Hierbei ist jedoch anzumerken, dass auch viele unserer Flüchtlinge in erster Linie eine Wohnung in den urbanen Verdichtungsräumen innerhalb der gesamten Bundesrepublik suchen – und sie daher an einer Wohnung im Landkreis grundsätzlich eher wenig Interesse zeigen.“
Der Bund hatte sich bisher an den Kosten für die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge, die Hartz IV erhalten, zu einem Drittel beteiligt. Dabei mussten die Kommunen zwei Drittel selbst aufbringen. Der Bund übernimmt Medienberichten zufolge nun die Kosten für die nächsten drei Jahre komplett, womit kreisfreie Städte und Landkreise entlastet werden.
Stephan Hörhammer
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Auf der Homepage des Landratsamtes Freyung-Grafenau ist unter dem Punkt „Gesundheit und Soziales“ Wissenswertes zum Thema Asyl abrufbar. Asyl-Koordinator Christian Fiebig steht für konkrete Fragen zu Integration von Flüchtlingen unter der Telefonnumer 08551/57-332 zur Verfügung. Interessierte Vermieter können auf der Homepage ein digitales Formular ausfüllen und das Wohnungsangebot per Mail an das Koordinationsbüro übermitteln. Ebenso ist es möglich ein entsprechendes Formular zur Wohnungssuche auszufüllen. Zusätzlich befindet sich bereits eine Wohnungsdatenbank mit Wohnungsangeboten auf der Website.