Waldkirchen. Den Katastrophenfall hat Sebastian Gruber noch am Samstagabend ausgerufen – wenige Stunden, nachdem das verheerende Unwetter insbesondere über den Landkreis Freyung-Grafenau hereingebrochen war. „Die Unwetterlage und die daraus resultierenden Schäden waren und sind nach wie vor immens“, berichtet der Landrat am Tag danach bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.
„So etwas hab ich noch nie gesehen“, berichtet Kreisbrandrat Norbert Süß, gefolgt von Ausdrücken des Erstaunens wie „wahnsinn“ und „gigantisch“. Die Strapazen der vergangenen Nacht sind ihm und den restlichen Einsatzkräften, die sich am Sonntagnachmittag im und ums Waldkirchener Feuerwehrhaus versammelt haben, anzusehen. „Wir waren vor kurzem in Simbach, um dort zu helfen“, erinnert sich Kreisbrandinspektor Thomas Thurnreiter – und fügt sogleich hinzu. „Das kleine Bacherl, den Simbach, haben wir uns dort angeschaut und uns gefragt: Wie gibt’s denn das? Wie kann das sein? Seit gestern wissen wir, dass das überall möglich ist. Dass auch bei uns kleine Bäche auf die Schnelle zu reißenden Strömen werden können.“
Unwetterlage: „Überaus ungewöhnlich – ungewöhnlich dramatisch“
„Wir haben uns seit gestern Abend ein Bild der Lage vor Ort machen können“, sagt Landrat Sebastian Gruber. Die erste Alarmierung aufgrund des Unwetters, das sich schwerpunktmäßig auf den südlichen Landkreis Freyung-Grafenau sowie die Stadt Waldkirchen konzentrierte, habe gegen 19.30 Uhr stattgefunden. „Die Führungskräfte der Kreisbrandinspektion haben sehr zeitnah darüber informiert, dass die Unwetterlage überaus ungewöhnlich ist – ungewöhnlich dramatisch.“
Die Schäden, die sowohl im privaten Bereich als auch bei der kommunalen Infrastruktur entstanden sind, können laut Gruber bis dato noch nicht beziffert werden. Der erste größere Schaden, der gestern Nacht auf der Prioritätenliste der Einsatzkräfte Vorrang hatte, war der Wassereinbruch am Krankenhaus Waldkirchen, wo das Wasser dem Landrat zufolge im Eingangs- und OP-Bereich „sintflutartig“ eingedrungen war. „Die Schäden im Krankenhaus konnten soweit behoben werden, dass der Betrieb wieder normal weiterlaufen kann. Das Krankenhaus musste nicht evakuiert werden. Der Gebäudezustand ist stabil, die technischen Gerätschaften einsatzfähig. Wir hoffen, dass sich der Schaden, der entstanden ist, in Grenzen hält.“
Aktueller Blick in die Einsatzzentrale der Waldkirchener Feuerwehr:
Weitere Einsatz-Schwerpunkte gab es im Waldkirchener Stadtgebiet sowie in der Marktgemeinde Röhrnbach. Dort wurden im Bereich des Osterbachs die Firma Bachl sowie andere Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen – u.a. ist das Sportgelände des TC Röhrnbach vollständig überschwemmt worden. Auch die Gemeinden Grainet, Hinterschmiding und zum Teil auch Jandelsbrunn sind betroffen.
Privatperson erleidet Stromschlag – stationäre Behandlung
Vollgelaufene Keller, umgeknickte Bäume, unterbrochene Stromversorgung, blockierte Straßen, „murenartig“ abgerutschte Böschungen – Kreisbrandrat Süß schildert das Einsatz-Szenario, das an den Weltuntergang erinnert. „Wir haben die ganze Nacht durchgemacht bis 6 Uhr früh. Dann drei Stunden Pause, dann wieder weiter. Es ist immer noch eine große Anzahl von Einsatzkräften in Aktion.“ Dabei sei das Waldkirchener Stadtgebiet zum Großteil „abgearbeitet“. Besonders massiv sind die Auswirkungen Süß zufolge in Dorn, wo 30 bis 40 Gebäudekeller mit Wasser und Schlamm voll gelaufen sind.
Verletzte unter den Einsatzkräften seien bisher nicht bekannt. In der Waldkirchener Bürgerschaft wurde bis dato ein Vorfall gemeldet: Eine Privatperson aus dem Stadtbereich hatte im Keller des eigenen Wohnhauses einen Stromschlag erlitten. Die Person wurde stationär ins Krankenhaus zur Behandlung eingeliefert.
Mehr als 400 Einsätze sind laut Thurnreiter für den gesamten Landkreis seit dem Unwetter dokumentiert worden. „Über die örtliche Einsatzleitung haben wir an den Schwerpunkten 233 Einsatzstellen noch in der Nacht abgearbeitet. Aktuell sind heute 220 bis 250 Einsatzkräfte der Feuerwehren und Hilfsorganisationen eingesetzt.“ Insbesondere gebe es Probleme mit „Öl-Wasser-Gemischen“, die sich in den Kellern der betroffenen Häuser gebildet haben. Diese müssen nun von entsprechenden Fachfirmen beseitigt werden. „Insgesamt waren somit in der Nacht auf Sonntag rund 350 bis 400 Einsatzkräfte von 26 Landkreis-Feuerwehren sowie ein Trupp aus dem Nachbarlandkreis Passau vor Ort.
Besonders hart getroffen hat es den Waldkirchener Ortsteil Dorn:
Schulbetrieb in Waldkirchen ist soweit nicht gefährdet
Landrat Gruber, der sich für die bisher geleistete Arbeit der Feuerwehren, die Unterstützung durch das BRK sowie das „sehr ausgeprägte Maß“ an Nachbarschaftshilfe bedankte, geht davon aus, dass der Schulbetrieb in Waldkirchen am morgigen Montag gewährleistet ist. „Derzeit haben wir einen Wassereintritt an der Grundschule Böhmzwiesel und an der Mittelschule in Waldkirchen“, informiert Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak dazu.“Bei beiden sind wir dabei, das Wasser auszupumpen.“ In der Mittelschule müssten am heutigen Sonntag teils auch die Deckenplatten abgenommen werden, da diese mit Wasser vollgesaugt sind. „Eventuell werden einzelnze Gebäudeteile abgesperrt, doch der Schulbetrieb wird nach jetzigem Sachstand morgen stattfinden“, so Pollak. Strom ist ihm zufolge soweit wieder überall vorhanden. Eine Trafo-Station in der Waldkirchener VdK-Siedlung, die unter Wasser gestanden war, sei wieder trocken gelegt worden.
„Die Einsatzkräfte werden sicherlich heute und auch morgen noch weiter im Einsatz sein, da einige Schäden erst nach und nach zum Vorschein kommen“, teilt Gruber weiter mit. Es benötige Zeit, um die Schäden im Privaten sowie an Schulen und allen anderen öffentlichen Einrichtungen festzustellen – und sich so einen Gesamtüberblick verschaffen zu können. „Heute Nacht“, so der Landrat, „werden laut Deutschem Wetterdienst wieder Wassermengen zwischen 25 und 35 Liter pro Quadratmeter erwartet. Eine Wetterlage, die wir aufgrund des stark durchtränken Bodens und der Verstopfung größerer Durchlässe mit Sorge beobachten.“
„Mit Schadensbehebung sicherlich finanziell überfordert“
Auf die Frage, ob es finanzielle Sofort-Hilfen für den Landkreis Freyung-Grafenau und dessen betroffene Bürger gebe, antwortet Landrat Sebastian Gruber: „Wir haben bereits Kontakt mit Staatsminister Brunner aufgenommen und ihm die Situation geschildert. Er hat mir zugesagt, dass das Thema am Dienstag im Kabinett aufgegriffen wird. Es ist klar, dass sowohl die Bürger Untersütztung und Hilfe brauchen, als auch die kommunale Infrastruktur – Stadt und Landkreis sind mit der Schadensbehebung in finanzieller Hinsicht sicherlich überfordert.“
Stephan Hörhammer
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Das Bürgertelefon des Landratsamts, über das sich Unwetter-Betroffene mit Fragen jeglicher Art an die Behörde wenden können, ist am heutigen Sonntag noch bis 18 Uhr freigeschaltet – morgen, Montag, dann wieder ab 8 Uhr. Telefonnummer: 08551-57470.