Waldkirchen. Direkt am Erlauzwieseler See gelegen, ist Wasser ein willkommener und auch gewinnbringender Nachbar von Familie Scheuringer – kehren doch viele Touristen und Einheimische nach einem Spaziergang im nahen Kurpark im „Restaurant am See“ ein. Dass Wasser jedoch auch eine vernichtende, unbarmherzige Seite haben kann, mussten die Wirtsleute am 25. Juni 2016 erfahren: In Folge des damaligen Unwetters, das im Umkreis von Waldkirchen verheerende Schäden angerichtet hatte, wurde auch das Wirtshaus der Scheuringers arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Gasträume mussten nach deren Zerstörung rundum erneuert werden, sechs Monate war das Restaurant geschlossen. Nun, mit etwas Abstand, blickt Franz Scheuringer (63) zurück auf jenen unheilvollen Tag im Sommer des vergangenen Jahres: „Den 25. Juni 2016 werden wir nie vergessen.“
Obwohl das Starkregenereignis, in den Medien auch als „Flut“ bezeichnet, nun schon einige Zeit zurückliegt, sind die Erinnerungen noch frisch: Der 25. Juni 2016 – ein sonnig, schwülwarmer Sommertag. Viele Gäste sitzen auf der Terrasse und im angrenzenden Garten, genießen ein Eis, erfrischen sich mit kühlen Getränken. Zwischen 19 und 19.30 Uhr türmen sich am Horizont hohe Wolken auf. „Zunächst hat sich ein ganz normales Sommergewitter angekündigt“, berichtet Franz Scheuringer. Doch plötzlich schüttet es „wie auf Kommando aus Eimern“. Der Himmel: stockdunkel. Die ersten Gäste bekommen ein mulmiges Gefühl, bezahlen und verlassen fluchtartig das Restaurant. Viele schaffen dies schon gar nicht mehr. „Das Wasser ist von drei Seiten durch die Türen ins Gebäude gekommen. Innerhalb von nur 15 Minuten war alles überschwemmt.“
Die „Flut“ hatte Familie Scheuringer mit der Handykamera dokumentiert:
Nicht nur Erlauzwiesel wurde von diesen überfallartigen Regenfällen heimgesucht – das vernichtende Naturschauspiel wütete in weiten Teilen des Waldkirchener Stadtgebietes. „Der Schaden war immens und lag alleine bei der Stadt bei mehreren Millionen Euro, sodass auch ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden musste“, erklärt Bürgermeister Heinz Pollak auf Hog’n-Nachfrage. „Es war eine sehr schwierige Zeit.“ Durch den enormen Zusammenhalt der Bevölkerung und dem unermüdlichen Einsatz der Feuerwehren, des Katastrophenschutzes, des BRK, der Malteser, der Polizei, der Stadtverwaltung und des Landratsamtes seien die Schäden größtenteils inzwischen wieder behoben worden – „einiges muss aufgrund der finanziellen Lage der Stadt allerdings noch warten„, wie Pollak betont. Der Rathaus-Chef hofft, dass das Juni-Unwetter eine „einmalige Katastrophe bleibt, die uns hoffentlich nie mehr trifft“.
„Ans Aufgeben haben wir nie gedacht“
Darauf, dass aufgrund der Unmengen an Regenwasser sein Wirtshaus erneut geflutet wird, kann auch Franz Scheuringer künftig gerne verzichten. Denn der Schaden, den die Sturzflut vor neun Monaten angerichtet hatte, war immens. „Wir haben noch versucht, mit Lappen die Türen abzudichten – keine Chance. Uns blieb nichts anderes übrig, als zuzuschauen“, erzählt der 63-Jährige heute.
Immer wieder versuchen die Wirtsleute, die Feuerwehr zu erreichen. Doch in diesen Ausnahmestunden sind die Rettungskräfte im Dauereinsatz. Erst gegen 22 Uhr arbeiten sich die freiwilligen Helfer nach Erlauzwiesel durch. „Im ersten Moment dachten wir, wir können zeitnah wieder öffnen. Erst nach und nach sind die großen Schäden jedoch deutlich geworden.“ Einen mittleren sechsstelligen Betrag werden die Renovierungsarbeiten verschlingen – das weiß Scheuringer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Dennoch: „Ans Aufgeben haben wir nie gedacht.“
Mit den Versicherungen hat es keine Probleme gegeben
Zunächst mussten die Gastronomen zahlreiche Feierlichkeiten, die bei ihnen gebucht waren, absagen – darunter rund zehn Hochzeitsgesellschaften, die sich kurzfristig nach einer neuen Einkehrmöglichkeit umzuschauen hatten. „Die Leute waren nicht verärgert – sie hatten mitgekriegt, was bei uns los ist.“ Danach wurde das kaputte Interieur entfernt und eine Bohrung durchgeführt, die veranschaulichen solllte, wie weit das Wasser in die Gemäuer eingedrungen war. Erst dann konnte mit den Renovierungsarbeiten begonnen werden. „Gott sei Dank lief mit den Versicherungen alles reibungslos ab. Bereits zwei Wochen nach dem Unglück haben wir das erste Geld erhalten“, berichtet Franz Scheuringer. „Staatliche Unterstützung haben wir – bis auf das Sofortgeld, das wir ohne Antrag erhalten haben – nicht in Anspruch genommen.“
Obwohl der Gastraum komplett zerstört war und das Restaurant seinen Betrieb ein halbes Jahr lang einstellen musste, macht der Wirt deutlich, dass andere noch weitaus schlimmer betroffen waren. Er spricht von den Verwüstungen in Simbach am Inn und auch von Waldkirchenern, die weniger gut versichert waren. „Unsere Privat-Wohnung ist im ersten Stock, weshalb sie unversehrt geblieben ist. Ein großes Glück, wenn man das Schicksal manch anderer im Vergleich dazu sieht. Das ist mit ein Grund, warum wir nicht gehadert, sondern gleich angepackt haben.“ Inzwischen sind die Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen – eine Zeit voller Stress, Staub und Dreck ist vorüber gegangen. Aber auch eine Zeit, in der Franz Scheuringer erkannt hat, dass das Geschehene durch die neuen Möbel und einen neuen Anstrich bald auch vergessen sein wird.
Was bleibt: Der bange Blick gen Himmel…
Doch so ganz aus dem Gedächtnis verbannen kann der 63-Jährige den 25. Juni 2016 mit all seinen Folgen nicht. „Man ist empfindlicher geworden“, versucht er, sein Gefühl zu beschreiben – und erklärt, dass er beispielsweise bei der jüngsten Schneeschmelze gleich Sandsäcke bei der Feuerwehr angefordert hat, um sich vor dem unmittelbar bachnachbarten Saußbach zu schützen. Auch wenn Gastronom Scheuringer der Meinung ist, dass das Starkregenereignis ein einmaliges Phänomen bleibt, wird er in der Gewittersaison, die demnächst wieder beginnt, bei schwarzen Wolken einen bangen Blick gen Himmel werfen…
Helmut Weigerstorfer
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Mehr zum Unwetter rund um Waldkirchen am 25. Juni 2016 gibt’s hier (einfach klicken).