Waldkirchen. Das ging schneller als erwartet. Nur wenige Tage nachdem die Online-Petition „Freies Waldkirchen – Wechsel in den Landkreis Passau“ von Andreas Tausch ins Leben gerufen wurde, hat die Bittschrift nun das erforderliche Quorum erreicht. Mehr als 700 Unterstützer haben sich bereits dafür ausgesprochen, dass Waldkirchen den Landkreis Freyung-Grafenau verlassen und sich dem südlichen Nachbarn anschließen soll. „Dass es so schnell gehen würde, habe ich selber nicht erwartet“, teilt Initator Tausch gegenüber dem Onlinemagazin „da Hog’n“ mit und ergänzt: „Ich sehe mich in meinem Vorhaben bestätigt.“
„Die Petition läuft noch mehr als 50 Tage. Danach wird der Antrag der Stadt vorgelegt – und der Stadtrat wird sich damit beschäftigen“, kommentiert Bürgermeister Heinz Pollak den überraschenden Zwischenstand. Andreas Tausch geht genauer darauf ein: Um weiterführende Schritte einleiten zu können, sei es nötig, fünf Prozent der Waldkirchener Wahlberechtigten für die Petition zu gewinnen – was 320 Unterschriften entspricht. Obwohl diese Hürde bereits am vergangenen Wochenende genommen werden konnte, soll die Petition noch bis zu ihrem offiziellen Ende am 6. März zur Abstimmung bereitstehen. Dann wird der 42-Jährige das endgültige Ergebnis an Bürgermeister Pollak überreichen, woraufhin ein möglicher Wechsel Waldkirchens in den Landkreis Passau im Stadtrat diskutiert werden soll.
Landkreis-Wechsel aus „Gründen des öffentlichen Wohls“ möglich
Aus rechtlicher Sicht wäre eine Ausgliederung durchaus möglich, was im Paragraph 8 der bayerischen Landkreisordnung (LKrO) niedergeschrieben steht: „Aus Gründen des öffentlichen Wohls können Landkreise in ihrem Bestand oder Gebiet geändert werden. Änderungen im Gebiet müssen insbesondere auf die Leistungsfähigkeit der beteiligten Landkreise Rücksicht nehmen“. Änderungen werden zudem nur mit der Zustimmung des Landtags „durch Rechtsverordnung der Staatsregierung“ durchgeführt. Wie Heinz Pollak schon gegenüber dem Hog’n erklärt hatte, wäre das ein „sehr weiter Weg“ – der aber machbar zu sein scheint, was Andreas Tausch weiter Auftrieb hinsichtlich seiner separatistischen Bemühungen geben dürfte.
Andreas Tausch möchte eine Initiative gründen
„Ich habe einen kleinen Hype ausgelöst“, sagt der 42-jährige Gesamtgemeinderatsvorsitzende Waldkirchens nicht ohne Stolz. „Viele Medien haben bereits wegen der Petition angefragt.“ Ähnliches ist auch aus dem Landratsamt Freyung zu vernehmen. Eine Mitarbeiterin von Landrat Gruber teilt mit, dass sich dieser mit den vielen Anfragen beschäftigen und dann eine Presse-Erklärung (siehe unten) zu diesem Thema abgeben wird. Ausschließlich positive Rückmeldungen hat Andreas Tausch eigenen Angaben zufolge bisher erhalten. „Viele Leute haben mir – unter anderem beim Einkauf – bestätigt, dass Waldkirchen zum Abteiland gehört, das eher dem Landkreis Passau zugeordnet werden kann.“ Demnächst möchte der Petent zu einem Treffen aufrufen und dann eine entsprechende Bürger-Initiative gründen.
Landratsamt: „Wird Waldkirchen im Landkreis wirklich benachteiligt?“
Die Pressemitteilung des Landratsamts Freyung-Grafenau im Wortlaut:
„Ein Waldkirchener Bürger hat eine Onlinepetition auf den Weg gebracht, die zu einem Wechsel der Stadt in den Nachbarlandkreis Passau führen soll. Seit den frühen 1970er Jahren hat in Bayern kein Landkreiswechsel einer Gemeinde mehr stattgefunden. Dementsprechend gibt es nun natürlich eine gewisse Medienresonanz. Beim Landrat von Freyung-Grafenau, zu dessen Landkreis Waldkirchen gehört, sind mittlerweile mehrere Medienanfragen eingegangen.
Landrat Sebastian Gruber führt die Onlinepetition auf Verärgerung darüber zurück, dass der Kreistag im Herbst 2015 mit 2/3-Mehrheit beschlossen hat, dass das Akutkrankenhaus Waldkirchen ab dem Jahr 2018 in einen ambulanten Standort der Kreiskliniken umgewandelt werden soll. In Waldkirchen soll unter deren Dach nun ein hochwertiges fachärztliches Angebot entstehen.
Überhaupt ist Waldkirchen Standort zahlreicher Landkreiseinrichtungen. „Berufsschule, Fachoberschule, Berufsoberschule, Innovations- und Gründerzentrum, das Wohnheim für die bayernweite Dachdeckerausbildung sowie das Jobcenter sind in Waldkirchen angesiedelt. Keine einzige Kreiseinrichtung wurde in dieser Wahlperiode aus Waldkirchen abgezogen oder gar nach Freyung verlegt“, erläutert Landrat Gruber. „Als Kompensation für den Wegfall der akutstationären Medizin arbeiten wir intensiv und in enger Abstimmung mit Waldkirchener Akteuren an der Umsetzung des Gesundheitszentrums Waldkirchen. Darüber hinaus wurde vonseiten des Landkreises sogar zugesagt, das Gesundheitsamt von Freyung nach Waldkirchen zu verlagern.“
Dass die Stadt Waldkirchen keineswegs ein Stiefkind seines Landkreises ist, kann Gruber an Zahlen festmachen. „Gerade in Waldkirchen wurde in den letzten Jahre viel investiert: der einzige Schulneubau im Landkreis Freyung-Grafenau in den letzten 15 Jahren war der Neubau der Förderschule Waldkirchen mit 7,25 Millionen Euro. Zudem wurde die ehemalige Förderschule für 570.000 Euro umgebaut und das Wohnheim der Dachdeckerschule mit bisher 1,8 Millionen Euro saniert. Hier stehen in 2016 noch einmal eine Millionen Euro an“, so der Landrat weiter. „Die jährlichen Aufwendungen für die Landkreiseinrichtungen in Waldkirchen betragen rund 1,5 Millionen Euro – und zwar ohne Personalkosten.“
„Gesunde Rivalität ist angebracht, aber nicht vordergründig“
Der Landrat betont die hohe Bedeutung der Zentralitätsfunktion der drei Städte Freyung, Grafenau und Waldkirchen. Daher sei hier auch ein Großteil der Kreiseinrichtungen angesiedelt und fließe ein großer Teil der Landkreisgelder auch hierher. „Natürlich ist eine positive und gleichmäßige Entwicklung aller 25 Landkreisgemeinden mein Anliegen als Landrat“, unterstreicht Sebastian Gruber. „Eine anhaltende Diskussion über die weitere Landkreiszugehörigkeit würde der Stadt Waldkirchen schaden, natürlich aber auch dem ganzen Landkreis“, stellt er fest.
Die gemeinsamen Herausforderungen für den Landkreis und seine Gemeinden seien so groß, dass man sich nicht im „Klein-klein“ untereinander aufhalten solle. Eine Diskussion um die Onlinepetition nütze auch Waldkirchen nicht. Beschäftige sich der Landkreis mit Kirchturmdenken und sehe jeder die anderen Städte und Gemeinden als Konkurrenz, würden alle zusammen heimlich, still und leise von anderen Regionen in Niederbayern und darüber hinaus überholt werden. Eine gesunde Rivalität sei zwar durchaus angebracht und auch bereichernd. Sie dürfe aber nicht in den Vordergrund rücken. Die Frage müsse vielmehr lauten: „Was haben wir im Landkreis, was andere nicht haben?“, „Was hebt uns als Freyung-Grafenau von anderen Regionen ab?“
„… davon wird auch Waldkirchen weiterhin profitieren“
„Unsere drei Städte, drei Märkte und 19 Gemeinden stehen nicht in unmittelbarer Konkurrenz zueinander. Aber zusammen stehen wir im Wettbewerb der Regionen. Wir können in diesem Wettbewerb gut bestehen, dazu müssen wir jedoch unsere Kräfte bündeln und zielgerichtet einsetzen. Davon wird auch die Stadt Waldkirchen als Teil des Landkreises weiterhin profitieren“, zeigt sich Landrat Sebastian Gruber überzeugt.“
da Hog’n
_______________________