Waldkirchen. Ja! Waldkirchen und sein Umfeld haben bewiesen, dass sie eine starke Einheit sind. 5.000 Demonstranten auf den Straßen, 23.085 gesammelte Unterschriften – der südliche Landkreis Freyung-Grafenau spricht sich klar und deutlich für den Erhalt Waldkirchens als Standort für ein Akut-Krankenhaus aus. Man will sich nicht so leicht geschlagen geben. Das wird auch im Hog’n-Interview mit Bürgermeister Heinz Pollak deutlich. Nach zwei anstrengenden Wochen, verbunden mit viel organisatorischer Arbeit und zahlreichen Gesprächen, will das Stadt-Oberhaupt weiterkämpfen. Der 39-Jährige spricht über die Nachnutzung der Waldkirchener Krankenhaus-Flächen und über sein Verhältnis zu Landrat Sebastian Gruber. Man merkt dem FW-Politiker während des Gesprächs an, dass er nicht weiter Öl ins Feuer gießen möchte, seine Aussagen wohlüberlegt und mit meist „angezogener Handbremse“ wiedergibt.
Herr Pollak, bitte verstehen Sie uns nicht falsch, aber: Für Sie persönlich war die Krankenhaus-Debatte ja ein richtiger Glücksfall, oder?
Ich würde so etwas nicht als Glücksfall bezeichnen. Für uns war es vielmehr eine sehr anstrengende und intensive Zeit.
Sie haben mit der Demonstration und der Unterschriftensammlung viele Pluspunkte bei Ihren Bürgern gesammelt – Sie sind als Bürgermeister gefestigter und beliebter denn je.
Ich glaube nicht, dass allein das Krankenhaus-Thema dafür gesorgt hat. Es gibt viele andere Dinge, die wir im vergangenen Jahr gemeinsam durchgestanden haben, wie etwa den Polizeiabbau, den Kampf um den Erhalt der Grundschule Karlsbach, Abwendung von Rückforderungen aus der Landesgartenschau und so weiter. Zudem haben wir viele Dinge initiiert, die innerhalb der Bevölkerung positiv gesehen werden – wie zum Beispiel das Bürgerfestival. Klar ist aber auch: Mit der Demonstration und der Unterschriftensammlung ist das Wir-Gefühl innerhalb der Waldkirchener Bevölkerung deutlich gestärkt worden.
„Bisher sind wir bei den Planungen nicht eingebunden“
Ist für Sie eine Schließung der Akut-Versorgung in Waldkirchen bereits beschlossene Sache?
Die Diskussion ist abgeschlossen, das Konzept der Nachnutzung noch nicht. Und darauf warten wir. Bisher sind wir nämlich bei den Planungen, was den Waldkirchener Standort betrifft, noch nicht eingebunden.
Sie sprechen immer wieder von „Schließung“, obwohl weder die Landkreis-Verwaltung noch Landrat Gruber jemals dieses Wort in den Mund genommen haben.
Dann haben Sie sich das BKPV-Gutachten nicht durchgelesen. Dort wird auf der letzten Seite beschrieben, dass das einzige Ergebnis der Untersuchung nur sein kann, das Krankenhaus Waldkirchen zu schließen. Freilich, bei den Auszügen des Berichts wird der Begriff ‚Schließung‘ nicht verwendet – aber im Gesamt-Gutachten kommt es vor.
Landrat Gruber hat dennoch nie das Wort „Schließung“ verwendet.
Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu ihm nach den vergangenen Wochen beschreiben?
Es ist immer so, dass derjenige, der für die Botschaft gerade stehen muss, also in diesem Falle der Landrat, etwas kritisch beäugt wird. Ich habe im Kreisrat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir ein Haushalts-Konsolidierungskonzept beschlossen haben, das wir beachten müssen. Darin ist vorgeschrieben, dass sämtliche Landkreis-Einrichtungen auf ihre Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit überprüft werden sollen. Es war nie die Rede davon, dass man nur die Krankenhäuser untersucht. Man kann nicht von irgendeinem Auszug eines Gutachtens zu einem Ergebnis kommen. Wenn, dann muss man die Gesamtbetrachtung – dazu zählen sämtliche Landkreis-Einrichtungen – prüfen, erst dann kann man zu einem Entschluss hinsichtlich der Krankenhäuser kommen.
Mein Verhältnis zu Sebastian Gruber ist nicht besser oder schlechter als zuvor.
Apropos Gesamtkonzept: Haben Sie in dieser Hinsicht Befürchtungen, dass Waldkirchen neben dem Krankenhaus noch weitere Einrichtungen verlieren könnte?
Natürlich hat man immer dahingehende Befürchtungen. Ich denke aber, dass man von Seiten der Landkreis-Verwaltung zur Kenntniss nimmt, dass sich die Waldkirchener auf die Hinterfüße stellen, wenn es darum geht, solche Einrichtungen zu verlieren.
„Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass 2017…“
5.000 Demonstranten und 23.085 Unterschriften belegen Ihre Aussage eindrucksvoll. „Das ist freilich eine starke Stimme. Mit den Unterschriften soll uns signalisiert werden, dass sehr viele Bürger hinter dem Krankenhaus in der jetzigen Form stehen. Sie haben aber keine rechtlichen Auswirkungen“, sagte Gruber kürzlich im Hog’n-Interview. Enttäuscht?
Es ist traurig, dass der Landrat auf sowas keine Rücksicht nimmt. Mir war und ist es wichtig, dass die Bürger aufstehen, wenn ihnen etwas nicht passt – und nicht alles hinnehmen.
Kliniken-Geschäftsführer Helmut Denk sagte im Interview: „Mit Polemik werden auf dem Rücken der Mitarbeiter Ängste geschürt, die es eigentlich gar nicht gibt. Sowas ist einfach nicht notwendig. Ich finde es sehr schade und teilweise auch verantwortungslos.“ Ihre Meinung dazu, Herr Pollak?
Das ist die Aussage des Geschäftsführers der Kliniken gGmbH, der diese wohl auch so nach außen hin vertreten muss. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir über kurz oder lang nicht um einen Arbeitsplatzabbau herumkommen werden – auch, wenn derzeit keine betriebswirtschaftlichen Kündigungen notwendig sind. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass in zwei oder drei Jahren, also 2017 beziehungsweise 18, die Kliniken gGmbH weniger Mitarbeiter hat.
Ich schüre da keine Ängste. Während der Kreistagssitzung habe ich beim Landrat zweimal nachgefragt, ob jeder Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz behält. Zweimal wurde diese Frage bejaht. Wir befinden uns in einem strukturschwachen Landkreis, der ohnehin nur sehr wenige Arbeitsplätze bieten kann. Deshalb muss man um jede Stelle kämpfen – egal ob in Freyung, Waldkirchen oder Grafenau.
Wie sehr nervt Sie diese Krankenhaus-Geschichte mittlerweile?
Das ist einfach mein Job und mich nerven vielen Themen – am allermeisten aber die Vorgehensweisen bei der Krankenhaus-Debatte. Die Geschwindigkeit, die man hier an den Tag legt, ist schon erstaunlich. Innerhalb nur weniger Tage sollen die ehrenamtlichen Kreisräte über Dinge entscheiden, die über Jahre fest zementiert sein werden. Erstaunlich ist auch, wie lange sich die Landkreis-Verwaltung Zeit gelassen hat, das Gutachten der Öffentlichkeit vorzustellen.
Wie intensiv war die Zeit zwischen Bekanntmachung und Kreistagssitzung für Sie?
Freilich nimmt man solche Themen auch mit nach Hause – auch wenn ich in dieser Zeit vor Mitternacht nicht Feierabend gemacht habe und auch morgens wieder auf der Matte stand. Ich hatte wenig Schlaf. Es war relativ viel zu organisieren – sei es in Sachen Demonstration, Unterschriften, Briefe an die Kreisräte, Vorbereitung der Sitzung, Fraktionsführersitzungen und Gespräche mit Kreisräten. Und nebenbei hat ein Bürgermeister auch noch andere Dinge zu erledigen wie das Krankenhaus-Thema.
„Ich persönlich habe versucht, sachlich zu bleiben“
Was glauben Sie: Welche Rolle nehmen in dieser Debatte die Medien ein?
Es gibt Medien, die gut berichtet haben und Medien, die schlecht berichtet haben. Mir geht’s darum, dass ausgewogen berichtet wird. Es kann nicht sein, dass auf zwei, drei Tageszeitungsblättern die eine Seite Gehör findet – und die andere Seite nur einen kleinen Absatz bekommt.
Vor allem bei Facebook wurden hitzige Diskussionen geführt. Ging es da Ihrer Meinung nach ab und an auch unter die Gürtellinie – auch gegen Landrat Gruber?
Ich persönlich habe versucht, sachlich zu bleiben – und habe solche Äußerungen weder kommentiert noch unterstützt. Wir leben in einem Land mit freier Meinungsäußerung – und ob ich diese gut finde oder nicht, ist nebensächlich.
Tatsächlich?
Ja. Denn wenn ich niemanden dazu auffordere, sowas zu schreiben, ist es eine Angelegenheit des Kommentators. Im Internet ist es schwierig, Sachen zu unterbinden. Und gerade in den vergangenen Tagen hatte ich nur wenig Zeit, veröffentlichte Kommentare auch zu überprüfen.
Nach der Kreistagssitzung hat Landrat Gruber eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Nachnutzung für das Waldkirchener Krankenhaus beschäftigen soll – auch Sie sind Mitglied. Was erwartet Sie sich von dieser Gruppe? Glauben Sie an ein Mitsprache-Recht? Oder gibt es diese Gruppe nur, um die Waldkirchener zu besänftigen?
Terminlich bedingt war ich leider beim ersten Treffen nicht dabei. Ich bin gespannt, welche Ideen die Kliniken-Leitung und die Landkreis-Verwaltung vorstellen werden. Ich habe bereits meine Vorstellung eines Konzepts an den Landrat gegeben – und wir werden darüber diskutieren. Außerdem ist freilich die Stimme der Ärzteschaft wichtig. Dann muss man versuchen, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden.
Welche Atmosphäre erwarten Sie bei diesen Treffen?
Das hängt von den einzelnen Vorschlägen ab.
„Mieter sind wirtschaftlich nicht sinnvoll“
Welche Waldkirchener Wunschvorstellung haben Sie hinsichtlich der künftigen Nutzung?
Ich glaube nicht, dass die Akut-Versorgung vom Tisch ist. Ganz im Gegenteil. Will man eine Palliativstation betreiben, braucht man eine Akut-Versorgung im selben Haus. Siedeln sich im Facharztzentrum Chirurgen an, die vielleicht auch vor Ort operieren, bleibt eine gewisse Akut-Versorgung bestehen.
Wir wissen auch nicht, ob eine geriatrische Klinik oder ein Zentrum entstehen soll. Spricht man von einer Klinik, geht man von einer medizinischen Versorgung älterer Leute aus. Ein Zentrum hingegen kann genauso gut ein Altenheim sein. Insofern ist noch vieles offen.
Es ist die Rede davon, dass eventuell ein Teil in Landkreis-Hand bleibt und die anderen Bereiche von Fachärzten angemietet werden können. Ist Ihnen das Konzept bekannt?
Nein.
Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Auch dazu gibt es ja im Gutachten eine Einschätzung. Bei einer Weitervermietung muss man die Einnahmen zum Großteil abgeben. Das heißt, eine Vermietung wird sich laut Gutachter negativ auf das Jahresergebnis der Kliniken gGmbH auswirken. Deshalb ist es wohl nicht wirtschaftlich sinnvoll, wenn nur Fachärzte als Mieter ins Gebäude kommen.
Geht es bei all den Überlegungen Ihrer Meinung nach nur ums Betriebswirtschaftliche, oder spielt auch das „Medizinisch-Menschliche“ eine Rolle?
Es geht nur um das Geld.
Abschließende Frage: Inwieweit wirkt sich das Krankenhaus-Thema auf die Zerrissenheit des Landkreises, auf das Kirchturmdenken innerhalb von Freyung-Grafenau aus?
Es ist ja nicht so, dass nur Waldkirchen sauer ist. Vielmehr ist der komplette südliche Landkreis betroffen, denn auch Jandelsbrunn, Neureichenau, Haidmühle und auch Teile Röhrnbachs sind an einem Krankenhaus in Waldkirchen interessiert. Der Landkreis ist nich zerrissener als vorher!
Vielen Dank für das Interview.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
- Krankenhaus Waldkirchen: „Da lassen wir uns nicht beugen“
- Krankenhaus Waldkirchen: Landratsamt begründet Schließung aus medizinischer Sicht
- Krankenhaus Waldkirchen: Landratsamt begründet Schließung aus wirtschaftlicher Sicht
- KH Waldkirchen: Kreistag will Nachnutzung geklärt wissen – dann entscheiden
- „Unanständig und vordemokratisch“: Stimmen aus dem Waldkirchener Protest-Zug
- Gruber und Denk im Interview: „Eine komplette Schließung war nie Thema“
Heinz wir stehen weiter hinter dir. Richtig so!! Wir werden weiterkämpfen !!
warum überdenkt man nicht den Zweckverband Kur- und Erholung in Grafenau?
Warum muss hier Waldkirchen und der restliche ehemalige Landkreis Wolfstein mitzahlen, damit die oberen protzen können.
Wer zahlt bei einem Bad-Defizit von Seiten Grafenau mit?
Hier wären mal Überlegungen anzustellen als bei einem Krankenhaus in Waldkirchen.
Warum soll im Landkreis Passau eine Ilz-Flußperlmuschl für 6 Mio wieder angesiedelt werden und in Waldkirchen wird ein Krankenhaus geschlossen?
Respekt dem Bürgermeister von Waldkirchen