Waldkirchen/Freyung. Zwar haben die sachlich geführte Kreistagssitzung und der abgewandelte Beschluss der Kreisräte die Wogen etwas geglättet, dennoch gehört die Krankenhaus-Debatte weiterhin zu den umstrittensten Themen im Landkreis Freyung-Grafenau. Die akutstationäre Zweihäusigkeit soll angestrebt, vorher allerdings die Nachnutzung des Waldkirchener Standortes geklärt werden. Schwierige, aber auch richtungsweisende Zeiten für Landrat Sebastian Gruber und Klinken-Geschäftsführer Helmut Denk. Im Doppel-Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ sprechen die beiden über die Waldkirchener Reaktionen auf den Strukturbericht und die zukünftige Ausrichtung der medizinischen Versorgung im Landkreis FRG. Außerdem blickt Landrat Gruber auf die ihm in jüngster Vergangenheit entgegengeschlagenen Rücktritts-Forderungen zurück – und Kliniken-Chef Helmut Denk erklärt, warum der Standort in Waldkirchen schon immer ein Sonderfall war.
Herr Gruber, können Sie sich derzeit noch in Waldkirchen blicken lassen?
Sebastian Gruber: Ja, ich denke schon. In den vergangenen zwei Wochen sind die Emotionen sehr hochgeschlagen. Ich habe aber bereits vor und nach der Kreistagssitzung viele positive Gespräche zu diesem Thema führen können. Dabei ist mir auch von Waldkirchener Seite durchaus Verständnis entgegengebracht worden. Natürlich ist die Verärgerung groß, aber die Entscheidung ist sachlich begründet – und mittelfristig wird man sie auch verstehen können.
Es hat ja unter anderem auch zahlreiche Stimmen gegeben, die Ihren Rücktritt fordern. Was geht einem immer noch frisch-gewählten Landrat dabei durch den Kopf?
Gruber: Wenn einem sowas gänzlich unberührt lässt, würde man nicht die Wahrheit sagen. Ist man aber davon überzeugt, dass das Ziel die richtige Lösung ist, kann man solche Vorkommnisse leichter akzeptieren und verarbeiten. Selbst in den vergangenen zwei Wochen konnte ich immer gut schlafen.
„Der Strukturbericht gibt auch nur Empfehlungen ab“
Haben Sie damit gerechnet, dass dieses Thema so derart hohe Wellen schlagen wird?
Gruber: Damit war zu rechnen. Wobei in Folge der Bekanntmachung des Strukturberichtes in der öffentlichen Diskussion einiges nicht wahrheitsgetreu dargestellt worden ist. Es war zum Beispiel nie von Schließung die Rede. Die ursprüngliche Beschlussvorlage im Kreistag unterscheidet sich ja von der jetzigen Entscheidung nur geringfügig. Beim eigentlichen Verwaltungs-Vorschlag ist ja bereits kommuniziert worden, dass wir eine Konzentration der Akutversorgung auf Freyung und Grafenau anstreben – zeitgleich kümmern wir uns um eine vernünftige Nachfolgenutzung für Waldkirchen. Dass über eine komplette Schließung diskutiert worden ist, ist für mich nachvollziehbar, war aber nie ein Thema.
Ein Kommunikationsproblem von Seiten der Medien?
Gruber: In unseren zahlreichen Mitteilungen an die Medien sowie im direkten Kontakt war von „Schließung“ nie die Rede. Dass das aus politischer Waldkirchener Sicht so dargestellt worden ist, ist verständlich, trifft aber definitiv nicht zu.
Hängt das vielleicht, wie auch schon während der Kreistagssitzung von Alexander Muthmann angesprochen, mit den Formulierungen im BKPV-Bericht zusammen?
Gruber: Möglich. Wobei der Strukturbericht in seinen vielfältigen Facetten auch nur Empfehlungen abgibt, die aber medizinisch und betriebswirtschaftlich durchaus begründet sind. Aber natürlich schlägt ein externer Gutachter andere Dinge vor als die Landkreis-Verwaltung oder die Kliniken gGmbH.
5.000 Demonstranten auf der Straße, 23.085 gesammelte Unterschriften. Wie bewerten Sie diese Zahlen? Und: Was passiert nun eigentlich mit den Unterschriften?
Gruber: Das ist freilich eine starke Stimme. Mit den Unterschriften sollte uns und mir einfach signalisiert werden, dass sehr viele Bürger hinter dem Krankenhaus in der jetzigen Form stehen. Sie haben allerdings keine rechtlichen Auswirkungen.
Ursprünglich war auch ein Bürgerentscheid angedacht, den es letzten Endes aber doch nicht geben wird. Warum?
Gruber: Weil wir momentan einen anderen Arbeitsauftrag haben. Wir kümmern uns nun mit voller Kraft um ein Konzept der Nachnutzung für Waldkirchen. Dieses wird im Herbst dem Kreistag vorgelegt. Erst dann wird sich entschieden, ob wir sofort mit der Umsetzung starten können oder ob noch ein Bürgerentscheid nötig ist. Es hat ja durchaus schon Kritik nach dem Motto Pseudo-Abstimmung gegeben.
„Wir werden nicht unerhebliche Gelder vom Strukturfond bekommen“
Einige kritisieren, dass die mehr als 23.000 Unterschriften einfach ungehört bleiben, fühlen sich übergangen. Können Sie diese Einwände nachvollziehen?
Gruber: Wir nehmen jede einzelne Unterschrift ernst. Allerdings können wir auch jedem mit medizinischen und sachlichen Argumenten die Umstrukturierung erklären. Außerdem wird es ja eine Nachnutzung im Bereich der Medizin und Pflege geben. Wie schon Dr. Schulenburg während der Kreistagssitzung angesprochen hat, werden die Waldkirchener vielleicht nicht mal merken, dass sie kein Akutkrankenhaus mehr haben.
Herr Denk: War der Schritt hin zur „Zweihäusigkeit“ längst überfällig?
Helmut Denk: Die Menge der Unterschriften zeigt, welche Bedeutung das Krankenhaus für Waldkirchen hat – eine hochemotionale und auch politische Frage. 2012 haben wir den Auftrag erhalten, an den drei Standorten mit Akutversorgung festzuhalten, wirtschaftlich zu führen und daraus die beste medizinische Sinnhaftigkeit zu entwickeln. Dass das mehr als schwierig ist, war damals allen Beteiligten klar.
Die Zweihäusigkeit war überfällig, ja. Schon seit fast 40 Jahren wird dieses Thema im Landkreis diskutiert. Man spürt, dass es kein einfacher Schritt ist. Doch jetzt hat man sich dazu entschlossen. Und darüber bin sich sehr, sehr froh. Wir werden eine bessere medizinische Qualität entwickeln können. Und ganz wichtig: Nach Umsetzung der ganzen Maßnahmen werden wohl auch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Ist der Zeitpunkt der Reform der richtige?
Denk: Ja, absolut. Es war wichtig, dass die Reform vor der Sanierung des Standortes Waldkirchen mit einem Volumen von zirka 18 bis 20 Millionen Euro in Angriff genommen wird. Schon jetzt hat die Regierung von Niederbayern angeregt, dass wir bei einer Umwidmung der Standorte und der damit verbundenen Umsetzung des Auftrages der Bundesregierung, Schwerpunkte zu bilden, mitteilen sollten, welche Mittel benötigt werden. Wir werden nicht unerhebliche Gelder vom Strukturfond bekommen, was die nächsten Schritte erheblich vereinfachen wird.
War es bewusst so gesteuert, dass der Plan der Zweihäusigkeit unmittelbar nach dem Bekanntwerden des neuen Krankenhaus-Strukturreform-Gesetzes veröffentlich wird?
Gruber: Nein. Beide Dinge sind fast zeitgleich an die Öffentlichkeit gelangt. Wobei der Referentenvorschlag für das Gesetz schon seit Längerem bekannt ist und im Bundestag diskutiert wird. Dass nun der Entwurf in die gleiche Richtung geht wie die geplante Konzentration im Landkreis, ist eher Zufall.
„Andererseits gibt es solche Schachzüge“
Aber die Planungen des Bundes unterstützen ja das Vorhaben der Landkreis-Verwaltung ungemein?
Denk: Bei einer Podiumsdiskussion wurde mir die Frage gestellt, wie es sein kann, dass Bernhard Köhler vom BKPV das Krankenhaus-Strukturreform-Gesetz gleich mit einarbeiten konnte. Fakt ist: Der Referentenentwurf hat ganz klar die Richtung aufgezeigt. Die Große Koalition will die Qualität der Krankenhäuser durch Schwerpunkte verbessern. Und deshalb hat uns Herr Köhler darauf hingewiesen, wo wir in diesem Zusammenhang Schwachpunkte haben.
Würde man mit einer Zweihäusigkeit die neuen Vorgaben des Bundes erfüllen?
Denk: Ja.
Gruber: An diesem Strukturgesetz gibt es aber berechtigte Kritik. Darin wird auf große Strukturen, die mit Förderungen schmackhaft gemacht werden, Wert gelegt. Man muss sich das mal vorstellen, Stichwort Mindestmengen: Man bekommt Geld, wenn beispielsweise 50 Blinddarm-OPs durchgeführt werden. Man bekommt aber nichts, wenn man nur 48 Eingriffe macht.
Denk: Das ist Irrsinn, ganz klar. Einerseits wird kritisiert, dass so viel operiert wird. Andererseits gibt es solche Schachzüge.
Werden diejenigen Mittel, die durch die Zweihäusigkeit frei werden, ausschließlich dafür verwendet, das Jahresdefizit auszugleichen – oder sind dann größere Investitionen geplant?
Denk: Die Mittel aus dem Strukturfond werden ausschließlich für bauliche Veränderungen verwendet. Mit diesen Geldern werden keine Betriebsdefizite behoben, darauf werden wir penibel achten. Durch das Ende der Akutversorgung in Waldkirchen wird nach den Rechnungen von Bernhard Köhler das Jahresdefizit gegen Null gehen. Wir müssen es aber schaffen, möglichst viele Patienten von Waldkirchen nach Freyung zu bekommen. Und da bin ich guter Dinge.
Gruber: Man muss in dieser Hinsicht zwischen zwei Bereichen unterscheiden. Einerseits sind da die Kosten für den jährlichen Betrieb, andererseits gibt es auch investive und bauliche Maßnahmen an den drei Standorten. Bei Letzerem stehen wir vor der Frage: Generalsanierung in Waldkirchen – Ja oder Nein? 2013 hat es dazu bereits eine grundsätzliche Planung gegeben mit einem Grundsatzbeschluss des damaligen Kreistages, dass die Sanierung angestrebt wird. Eine Summe von rund 20 Millionen Euro stand damals im Raum.
Und das spielt in der jetzigen Diskussion eine nicht unwichtige Rolle: Wollen wir Waldkirchen in der akutstationären Versorgung behalten, müssen wir uns zeitnah darüber unterhalten, wie wir das finanzieren können – flankiert durch die neuen gesetzlichen Vorschriften und die Schwächen des Strukturplanes von 2012 wie zum Beispiel den vermehrten Transport der Patienten zwischen den Häusern. Gefüllt haben wir jetzt noch keine Probleme mit der Qualität. Und genau da kommt es zu einer Diskrepanz innerhalb der Bevölkerung. Klar, die Bürger, vor allem in Waldkirchen, haben gesehen, dass wir derzeit noch gute Chefärzte und gute Pflegekräfte haben. Doch wir sehen da mittelfristig große Probleme.
„Beide Standorte sind an hohe Fördersummen gebunden“
Provokant gefragt: Wird Waldkirchen nur geschlossen, weil dort demnächst eine umfangreiche Sanierung ansteht?
Denk: Man hat auch schon bei der Verlegung der Geburtshilfe nach Freyung erkannt, dass nur eine Zentralisierung Sinn macht. Schließt man den zentralen Standort, also Freyung, muss man die Außenbereiche, in unserem Fall Waldkirchen und Grafenau stärken. Dort müssten dann alle medizinischen Bereiche abgedeckt werden was mit hohen Kosten verbunden ist.
Und nicht zu vergessen: die Personalfrage. Es ist nicht so, dass nicht genügend Potenzial da wäre. Aber: Besetzen wir zum Beispiel die Unfallchirurgie in Waldkirchen mit einem guten Chefarzt, bekommen wir später in Freyung keinen adäquaten Arzt – denn welcher gute Chirurg hat gleich in der Nachbarortschaft einen Mittbewerber, der ähnliche Qualität liefern kann. Aus diesem Grund war die Entscheidung 2012 die richtige Weichenstellung, die nun weiterentwickelt wird. Es wird zunehmend schwieriger, den Ärztebereich in der Führung und die Pflege mit ausreichend Qualität zu besetzen.
Durch die angestrebte Struktur können wir die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, denn das ist die oberste Aufgabe des Landkreises.
Gruber: Die medizinische Ausstattung sowohl im Gerätebereich als auch beim baulichen Zustand spielt natürlich eine große Rolle. In Freyung und Grafenau ist während der letzten Legislaturperiode sehr viel investiert worden – in Freyung wurde der OP-Bereich erneuert, Grafenau hat ein Herzkatheterlabor bekommen. Dadurch sind an diese beiden Standorte hohe Fördersummen gebunden, sodass ein Ende der akutstationären Versorgung dort nicht in Frage kommt.
Zwischen der Veröffentlichung des BKPV-Berichtes und der Kreistagssitzung lagen gerade mal elf Tage. Warum wollten Sie dieses Thema möglichst schnell über die Bühne bringen?
Gruber: (überlegt) Diejenigen Personen, die gesagt haben, das ginge zu schnell, haben gleichzeitig auch immer das Wort „Schließung“ in den Mund genommen. Wie schon während der Sitzung angesprochen, ist das eine Henne-Ei-Diskussion. Ist es vernünftig, den Empfehlungen des Gutachtens zu folgen und zuerst die Zukunft der Akutmedizin zu klären und dann die Nachnutzung Waldkirchen zu regeln – oder umgekehrt? Meiner Meinung nach wäre die erste Variante die sinnvollere gewesen. Auch von Seiten der Regierung von Niederbayern oder des Freistaates wird es schnell Fragen geben, die zu beantworten sind. Mit einem Beschluss im Rücken, dass man sich eine Zweihäusigkeit vorstellen kann, tut man sich da natürlich leichter – auch gegenüber potenziellen Interessenten. Bereits vor der Kreistagssitzung hat es den ein oder anderen aus der Ärzteschaft oder der Pflege gegeben, der in Vier-Augen-Gesprächen sein Interesse für eine mögliche Nutzung der Waldkirchener Krankenhausflächen signalisiert hat.
„Es ist bewusst in diese Richtung gesteuert worden“
Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Mitarbeiter und Patienten. Auf deren Rücken soll nicht eine ewig fortwährende Diskussion geführt werden. Deshalb war der Zeitraum zwischen Bekanntmachung und Entscheidung zugegebenermaßen sportlich, aber der richtige Weg. Man darf nicht vergessen, dass wir auch im Rahmen der ursprünglichen Beschlussvorlage nicht beschlossen hätten, dass die Akutversorgung in Waldkirchen zum Zeitpunkt X geschlossen wird.
Denk: Die Sitzung mit dem Aufsichtsrat und den Fraktionsführern, in deren Rahmen wir über die geplante Zweihäusigkeit informiert haben, war noch nicht beendet, da haben Medien schon bekanntgegeben: Schließung des Krankenhauses Waldkirchen. Natürlich haben uns die Mitarbeiter dann vorgeworfen, dass die Öffentlichkeit vor ihnen informiert worden ist. Doch wir hatten dazu überhaupt keine Chance. Heißt: Es ist bewusst von manchen in diese Richtung gesteuert worden.
Mit Polemik werden auf den Rücken der Mitarbeiter Ängste geschürt, die es eigentlich gar nicht gibt. Sowas ist einfach nicht notwendig. Ich finde es sehr schade und teilweise auch verantwortungslos.
Stichwort Mitarbeiter. Was passiert mit dem Waldkirchener Personal?
Denk: In Abstimmung mit Landrat Gruber wurde eine Jobgarantie der Klinken gGmbH und der Service GmbH ausgegeben, das heißt, es wird keiner seinen Job verlieren. Klar, wir können keine Arbeitsplatzgarantie aussprechen, weil sich sicherlich Arbeitsplätze verändern werden. Die Krankenschwester aus Waldkirchen arbeitet dann zum Beispiel eben in Freyung. Generell kommen in Sachen Personal in den kommenden Jahren einige Schwierigkeiten auf uns zu: Rund 70 Mitarbeiter werden in Rente gehen, diese gilt es zu ersetzen.
Wir haben in Waldkirchen 200 Köpfe und es ist richtig, 200 Arbeitsplätze sind betroffen. Diese sind aber absolut nicht in Gefahr. Nichtsdestotrotz sind Veränderungen nötig – freilich in Absprache mit den Mitarbeitern. Ich erinnere mich an ein Plakat während der Demo in Waldkirchen, auf dem gestanden hat: „Krankenhaus-Schließung – Nein! Veränderung – herzlich willkommen!“ Und genau das haben wir geplant.
Gruber: Entscheidend wird auch sein, wer künftig der Träger der Einrichtung in Waldkirchen werden wird. Ist der Landkreis beziehungsweise die Kliniken gGmbH für die ein oder andere Nutzung verantwortlich, könnten auch einige Mitarbeiter in Waldkirchen bleiben. Stichwort Facharztzentrum – es wird mit Sicherheit auch Vermietungen geben.
„Wichtig ist, die Bedürfnisse der Waldkirchener zu berücksichtigen“
Die Waldkirchener Frauenärztin Dr. Massinger-Biebl scheint da Interesse zu haben.
Denk: Ja, genau. Frau Massinger-Biebl möchte die Palliativstation weiterbetreiben und um den Bereich Onkologie erweitern. Natürlich möchte sie auch ihre Praxisräume dort integrieren. Wir werden das in Absprache mit dem Freistaat und den Krankenkassen prüfen. Man muss beachten, dass eine Palliativstation grundsätzlich in einem Haus mit Akutversorgung untergebracht ist.
Das ist aber natürlich nur ein Baustein. Das Krankenhaus Waldkirchen hat 13.000 Quadratmeter Nutzfläche, und das Konzept von Frau Massinger-Biebl beinhaltet vielleicht 4000 Quadratmeter. Ein Facharztzentrum mit chirurgischer Ambulanz ist uns sehr wichtig. Denn so können wir die die Notfallversorgung gewährleisten – zumindest tagsüber.
Wann wird die Arbeitsgruppe, die sich mit der Nachnutzung für Waldkirchen beschäftigen soll, gegründet?
Gruber: Es hat bereits ein erstes kurzes Treffen dazu gegeben. Mit dabei sind Kliniken-Geschäftsführer Denk, Krankenhausdirektor Christian Hofbauer, Bürgermeister Pollak oder einer seiner Stellvertreter, die stellvertretende Landrätin Cerny, Frau Massinger-Biebl und meine Wenigkeit. Im ersten Gespräch haben wir uns hauptsächlich darüber abgestimmt, wie weiter vorgegangen wird. Die Arbeitsgruppe wird sich an der Nachnutzungs-Findung beteiligen – in welcher Intensität, wird sich noch raustellen. Mir ist wichtig, die Bedürfnisse der Stadt Waldkirchen zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang muss klar gestellt werden: Es geht mir nicht um eine finanzielle Beteiligung der Stadt Waldkirchen, sondern um eine inhaltlich-strukturelle Abstimmung mit den Personen vor Ort. Bis zum Herbst sollen dann erste Fragen beantwortet werden können, sodass der Kreistag dann endgültig entscheiden kann.
„Momentan spaltet die Diskussion um das Waldkirchner Krankenhaus unseren Landkreis. Dabei ist der Ausstieg aus drei Standorten nichts anderes als der Beginn des unvermeidlichen Rückbaus von Infrastruktur. In unserem Landkreis werden in 20 Jahren noch zirka 70.000 Einwohner leben. Wir streiten über Standorte und Bettenzahlen und können heute nur noch schwer das Personal für die Bewirtschaftung der vorgehaltenen Betten finden“ – Ihre Meinung zu diesem Facebook-Kommentar?
Denk: Der Fachkräftemangel wird uns auch in diesem Bereich einholen. Auch darum ist es uns wichtig, dass wir künftig auf höchstem medizinischem Standard und mit möglichst vielen Mitarbeitern die Versorgung der Region sicherstellen können. Genau das wird das Thema, das uns künftig beschäftigen wird. Ein erster Schritt in diese Richtung wird sein, dass man eben größere Einheiten bildet und somit auch attraktiver für potenzielle Fachkräfte wird.
„Wegen Wahrheiten und Zahlen kann man schlecht Politik machen“
Herr Gruber, kann es sein, dass wir in manchen Bereichen einfach überversorgt sind? Können wir uns vor dem Hintergrund der schrumpfenden Einwohnerzahlen unsere Einrichtungen noch leisten?
Gruber: Auf Dauer und in dieser Form mit Sicherheit nicht. Der Gesundheitsbereich ist eine Diskussion, es gibt aber beispielsweise auch noch den Infrastruktur- und Bildungsbereich. Wir werden tatsächlich immer älter und weniger. Da muss man kein Mathematiker sein, um zu erkennen, welche Auswirkungen das auf die Schullandschaft hat. Wir werden die Fragen beantworten müssen, welche Schul-Standorte wir uns noch leisten können und wie sich das auf die Qualität auswirkt.
Wird es dann ähnliche Reaktionen wie derzeit in Waldkirchen geben?
Gruber: Ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird. Gegen Wahrheiten und Zahlen kann man schlecht Politik machen. Deshalb muss man diesen Themen realistisch ins Auge blicken. Die Zeiten, dass solche Einrichtungen im ländlichen Raum reihenweise entstehen, sind schlichtweg vorbei. Ein zweischneidiges Schwert: Einerseits müssen wir dem Bedarf gerecht werden, andererseits dürfen wir nicht die Attraktivität einbüßen.
Gibt es im Bildungsbereich schon ähnlich konkrete Pläne wie in Sachen Krankenhäuser?
Gruber: Nein. Es geht um sinnvolle Umstrukturierungen. Unsere größte Aufgabe in den kommenden Jahren wird mit Sicherheit die Struktur der Berufschul-Landschaft sein. Dort sind ebenfalls bauliche Maßnahmen geplant, auch Inhaltliches muss geklärt werden. Insgesamt muss der Standort gestärkt werden, um auch zukunftsfähig zu bleiben.
Die Diskussionen um das Krankenhaus in Waldkirchen haben deutlich gemacht, dass der Landkreis noch nicht so vereint ist und dass immer noch ein Kirchturmdenken herrscht. Wie zerrissen ist der Landkreis, Herr Gruber?
Gruber: Natürlich hat es nach dem ersten Aufschrei Diskussionen gegeben, die die Rivalität zwischen den drei Städten genährt hat. Dennoch glaube ich, dass der Landkreis in sich nicht zerrissen ist. Ich denke, die Bürger werden akzeptieren, dass künftig einfach vielfältige Veränderungen in einigen Bereichen von Nöten sind. Wenn wir mit internen Konflikten zu kämpfen haben, freuen sich vor allem Regionen, die mit uns in Mittbewerberschaft stehen.
Vielleicht wird es in der Zukunft auch so sein, dass ein einzelner Landkreis nicht mehr alle Dinge vorbehalten kann. Weil die Mobilität immer mehr zunimmt, werden die Landkreis-Grenzen immer mehr verschwimmen.
„Die Partei-Politik hat überhaupt keine Rolle gespielt“
Die Meinung vieler geht auch dahin, dass die Krankenhaus-Entscheidung eine rein politische war.
Gruber: Meinungen gibt es viele. Ich glaube, ich habe seit meinem Amtsantritt im Mai vergangenen Jahres bewiesen, dass die Partei-Politik nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Ich habe mit Bürgermeister Pollak, mit dem ich gemeinsam bei der JU war, ein vernünftiges Verhältnis. Die Partei-Politik hat überhaupt bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt, auch wenn es von einigen Medien so kommuniziert worden ist.
In der Vergangenheit waren die Krankenhäuser aber stets ein Politikum.
Gruber: Ja, das stimmt. Die Diskussion war weit vor meiner Zeit noch politischer – vor allem vor der gGmbH-Gründung. Damals hat es noch den Krankenhaus-Ausschuss gegeben. Und da ist richtig Krankenhaus-Politik gemacht worden – Ärzte wurden eingestellt, über einzelne Fälle und auch Einbettzimmer-Zuschläge wurde diskutiert. Das waren einfach andere Zeiten (lacht).
Seit jeher war es das Ansinnen der Landkreis-Verwaltung, die Kliniken in kommunaler Hand zu behalten. Unter Alfons Urban wurde dann 2000 die gGmbH gegründet, deren alleiniger Gesellschafter der Landkreis ist – und das soll auch so bleiben.
Das Waldkirchener Krankenhaus hatte dabei schon immer einen Sonderstatus.
Denk: Schon beim Neubau des Freyunger Krankenhauses hat es den Beschluss gegeben, den Waldkirchener Standort rauszunehmen. Freyung war für über 300 Betten konzipiert. In Folge der Diskussionen hat man dann während der Bauphase aber einfach ein Stockwerk weggelassen, um Waldkirchen weiter halten zu können. Der bereits bestehende Beschluss ist wieder aufgehoben worden.
Waldkirchen ist dann zunächst mit 60 Betten als rein chirurgisches Haus betrieben worden. Politisch getrieben hat der Standort nach und nach alle medizinischen Bereiche vorgehalten. 2003 ist dann eine Schwerpunktbildung zwischen Grafenau und Freyung durchgeführt worden.
Gruber: Die Krankenhaus-Landschaft war und ist schon immer ein heißes Eisen im Landkreis. Auch während meines Wahlkampfes hat es keine Veranstaltung gegeben, bei der ich nicht auf dieses Thema angesprochen worden bin.
„Da spielen Ängste und Sorgen sicher eine große Rolle“
Man darf nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte im Auge behalten, man muss auch erkennen, was für den Bürger am sinnvollsten ist. In der Ära Denk hat sich die Kliniken gGmbH wirtschaftlich sehr gut entwickelt. Viele sagen deshalb: Das Betriebskostendefizit – für 2015 erwarten wir zirka 500.000 Euro – muss es uns doch wert sein. Das kann ich verstehen. Es ist aber mittelfristig wohl nicht mehr möglich, in einer derart kleinen Struktur wie am Standort Waldkirchen eine hohe medizinische Qualität zu bieten.
Was wir demnächst in Angriff nehmen, haben Landkreise wie Regen, Passau oder Deggendorf bereits hinter sich. Wir haben nun die Gelegenheit, in einer wirtschaftlich ruhigen Phase das Thema vernünftig zu planen.
Warum wird denn die Krankenhaus-Diskussion seit jeher so heftig geführt?
Gruber: Da spielen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sicher eine große Rolle.
Denk: Die Menschen haben Angst davor, dass ihnen im Notfall nicht geholfen werden kann. Aber es ist doch schon länger so: Einzig am Standort in Freyung ist die Unfallchirurgie rund um die Uhr besetzt. Vielen ist nicht bewusst, dass die Sicherheit schon länger von Freyung aus gewährt wird.
Gruber: Was passiert zum Beispiel mit dem Schlaganfall-Patienten aus Neureichenau? Viele denken, dieser wird in Waldkirchen behandelt. Das ist aber schon seit zehn Jahren nicht mehr der Fall. Dieser Patient wird nach Passau gebracht, wo sich ein sogenanntes Schwerpunktkrankenhaus der Versorgungsstufe 2 und einer Schlaganfallversorgung, einer sogenannten Stroke Unite, befindet.
Denk: In Sachen Herzinfarkt haben wir mit Grafenau mittlerweile was zu bieten. Die Tage wurde dort bereits der 600. Katheter gemacht – eigentlich habe ich für das gesamte Jahr nur mit 300 kalkuliert. Diese Zahlen machen deutlich, welch großes Potenzial dieser Bereich hat.
Abschließende Frage: Kann jeder Bürger des Landkreises Freyung-Grafenau mit der angestrebten Zweihäusigkeit bestens medizinisch versorgt werden?
Denk: Klares Ja. Innerhalb von einer halben Stunde oder in einem Radius von 25 Kilometern muss von jedem Ort das nächste Krankenhaus der Grundversorgung erreichbar sein – und das ist bei uns der Fall.
Vielen Dank für das ausführliche Interview!
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer