Zwieslerwaldhaus. Ein Ranger ist in allererster Linie die Ansprechperson schlechthin im Nationalpark-Gelände. Wer etwas wissen möchte oder Hilfe braucht, der wendet sich vertrauensvoll an die Männer in Grün. Wer einen Ranger wie Tobias Rankl im Nationalpark Bayerischer Wald antrifft, darf sich auf interessante Geschichten und kompetentes Waldwissen freuen.
„Wenn ich an einem Samstagvormittag hier stehe, komme ich nicht mehr so schnell weg“, erzählt Tobias Rankl bei unserem Treffpunkt am Info-Pavillon in Zwieslerwaldhaus. Der 35-Jährige ist Nationalpark-Ranger und das zur Gemeinde Lindberg gehörende Dorf Zwieslerwaldhaus ist ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen zum Falkenstein, den Ruckowitzschachten oder nach Bayerisch Eisenstein.
„Es ist den Leuten einfach wichtig, dass sie einen persönlich ansprechen können. Und das ist auch gut so. Es kommen immer wieder Leute, die mich fragen wie sie am besten ins ‚Höllbachgspreng‘ kommen, das ist ein schwer zugängliches bewaldetes Felsmassiv unterhalb des Großen Falkensteins. Dann sehe ich die windigen Schuhe die sie anhaben und antworte erst einmal: So überhaupt nicht“, sagt er lachend und schüttelt dabei den Kopf.
Durch Urwaldgebiete und Forstwald
Vom Info-Pavillon aus führt Rankl heute durch den Urwald. Erster Halt ist das Urwaldgebiet Mittelsteighütte, das gleich hinter den Häusern von Zwieslerwaldhaus beginnt. Hier wachsen größtenteils Fichte, Tanne und Buche. „Ein richtig schöner Mischwald“, schwärmt Rankl. Der frühere ‚Bannwald‘ diente den Bewohnern zum Schutz vor Angriffen und wurde bereits 1914 zum Schongebiet erklärt, in dem jegliche Holznutzung untersagt ist. Verschiedenste Grünnuancen und fröhliches Vogelgezwitscher begleiten uns auf einem bequemen und kinderwagengerechten Wanderweg.
Kaum hat man jedoch die Ortsstraße überquert, wird’s schlagartig dunkel. Außer Fichten und Tannen wächst hier kaum etwas anderes nach. „Das ist halt noch ein richtiger Forstwald mit Tannen und Fichten“, erklärt Rankl. Das Forstamt sei hier ja auch erst 1997 aufgelöst worden, erzählt Rankl weiter. Im Kerngebiet des Nationalparks wurde die Natur schon seit 1970 weitgehend sich selbst überlassen. In den 90er Jahren, als der großflächige Borkenkäferbefall zu einem Absterben eines Teils der Hochlagenwälder führte, gab es jedoch viele Proteste. Im Erweiterungsgebiet wird der Borkenkäfer (Buchdrucker) deshalb noch bis 2013 bekämpft. „Wenn man aber, wie hier, die vom Borkenkäfer befallenen Bäume herauszieht, nimmt man dem Wald auch seinen natürlichen Humus“, sagt Rankl und zuckt mit den Schultern.
Das dauere dann bis ein Mischwald nachwachse. Und für die Besucher des Nationalparks sei die unterschiedliche Vorgehensweise auch schwer nachvollziehbar. Eine der häufigsten Fragen, die Rankl gestellt werden, wenn er auf dem Falkenstein unterwegs ist: Warum werden die Bäume hier rausgezogen? Ich dachte, im Nationalpark wird alles sich selbst überlassen…
„Man braucht einfach ein wenig Geduld und Vertrauen“
Ob er denn die Befürchtungen der Leute verstehe? Natürlich könne er die Leute verstehen, die zum Beispiel den „toten“ Wald auf dem Lusen vor Augen hätten und nun fürchten, dass es vor der eigenen Haustüre bald ein ähnliches Bild geben könnte. Aber da brauche man einfach ein wenig Geduld und Vertrauen, dass die Natur es schon regeln werde, entgegnet Rankl. „Auf dem Lusen wächst ja schon vieles nach, nur ist der Waidler halt seinen ‚schwarzen Wald‘ gewohnt. Dabei vergessen die Leute, dass auch der Bayerische Wald vor dem Eingriff der Menschen ein Mischwald war.“
Nachdenklich geht er weiter. „Für mich war das auch ein Umdenken“, gibt Rankl zu. Als Forstwirt habe er gern „hoiz ghaut“, auch heute noch. „Wenn ich den ein oder anderen Baum liegen sehe, denke ich oft: wie viel Holz man daraus machen könnte! Als ich 1997 vom Forstamt zum Nationalpark wechselte, musste ich den Wald erst einmal mit ganz anderen Augen sehen lernen.“
Nach einer halben Stunde treffen wir auf die ‚Große Deffernik‘, ein Bach, der in Böhmen entspringt und früher als Holzkanal genutzt wurde. „Auf den Spuren der Triftleut – Ein Wildbach und seine Geschichte“, lautet eine neue Führung des Nationalparks. Dabei kann man bestaunen, wie der Fluss sich seinen natürlichen Flussverlauf wieder zurückerobert und wo sich der Biber wiederangesiedelt hat. „Die Leute wollen nicht mit Jahreszahlen zugeballert werden, die wollen lebendige Geschichten, die ihnen ein Gefühl darüber vermitteln, wie es hier früher zugegangen ist“, hat Rankl in zahlreichen Führungen festgestellt.
Der Biber lässt das Wasser steigen
Apropos Biber: Wir treffen auf eine Gruppe toter Bäume, bis zum Wegesrand steht das Wasser. „Da hinten war mal ein kleiner Weiher“, sagt Rankl. Der Biber hat das kleine Gewässer mittlerweile auf das Doppelte ansteigen lassen. Die Fichten vertragen die dauernde Nässe nicht und sterben ab. Das alles schafft ein einziger Biber? „Nein, alleine war er da sicher nicht. Es sind ja jetzt schon ein paar mehr geworden“, sagt Rankl. Und wenn der Weg komplett geflutet wird? „Naja, an sich ist das kein ausgewiesener Wanderweg, da wird man nicht viel unternehmen“, schätzt Rankl. In Abensberg werde der Biber übrigens schon wieder geschossen, weil er so viel Schaden anrichte. Außer dem Menschen hat der Biber nämlich keinen natürlichen Feind mehr. „Mmm, da hat mir der Kollege dann Biberwurst mitgebracht“, sagt Rankl. Biberwurst??? Jaja, das schmecke super! Ein wenig wie Hirschsalami…
Wir gehen weiter, am Schwellbach entlang, der eigens für die Holzdrift gebaut wurde. Und müssen erst mal kapitulieren. Der Schwellbach ist über die Ufer getreten, kein trockener Weg weit und breit in Sicht. „Da ist wieder ein Durchlauf verstopft“, stellt Rankl fest. Er kniet schon vor dem Durchlauf und holt mit einem Ast ein Nest an Ästen und Blättern heraus. Prompt fließt das Wasser ab.
Kurze Zeit später gelangen wir zum Urwaldgebiet Hans-Watzlik-Hain. Zum „Erlebnisweg Watzlik-Hain“ muss man an einem 500 Jahre alten Riesen vorbei. Fünf Erwachsene braucht es, um den Stamm des 50 Meter hohen Riesen zu umrunden. „Innen wird der Stamm schon hohl“, sagt Rankl und zeigt mir die kleine Höhle. „Der wird nicht mehr lange stehen“, vermutet er.
Im Urwaldgebiet müssen wir schon mal über den ein oder anderen dicken Baumstamm klettern. Mit Kinderwagen wird es hier nichts mehr. Dafür gibt es den breiten Wanderweg, der entlang des Urwaldgebiets verläuft. Auch wir gelangen am Ende des Erlebniswanderwegs wieder dorthin. Rankl holt eine Papiertüte heraus und hebt mit einer langen Zange immer wieder Müll vom Weg auf. „Ich verstehe einfach nicht warum man den Müll nicht mitnehmen kann“, sagt Rankl kopfschüttelnd. Der bequeme Wanderweg zum historischen Gasthaus „Schwellhäus‘l“ ist auf Grund der Wegesicherung für jeglichen Verkehr gesperrt, auch für die Nationalparkmitarbeiter. Die Bundespolizei fährt trotzdem an uns vorbei. Verständlich, die Alternativroute dauert schließlich drei Minuten länger…
Das Schwellhäus’l – Ruhestätte am Schwellsee
So, langsam knurrt der Magen und der Duft, der vom „Schwellhäus‘l“ herüberschwebt, tut sein Übriges. Bei ausgezeichneter Hausmannskost erzählt Rankl von seiner Ausbildung zum Ranger. „In erster Linie ist der Ranger für die Leute da. Verstecken darf man sich also schon mal nicht, wenn einem jemand über den Weg läuft“, sagt Rankl lachend. Aber darauf werden die Ranger mit Rhetorikseminaren vorbereitet. Ein Waldführerlehrgang und ein Forstschutzlehrgang komplettieren die Ranger-Ausbildung. „Damit wir auch keinen Schmarrn über den Nationalpark erzählen“, fügt Rankl hinzu. Da Lugg, der Wirt vom „Schwellhäus‘l“ schaut zur Tür hinaus. Ein richtiger Waidler, der sich immer wieder was Neues ausdenkt. Wie zum Beispiel die Felsen-Sonnenuhr. Am 21. März und 23. September (Tag-Nacht-Gleiche) jedes Jahres leuchtet die Sonne genau durch eine Bohrung im Felsen, in der sich eine Glaskugel befindet. Passend zum Ereignis gibt es an diesen Tagen eine Waldführung mit einem Diplom-Biologen.
Um die Mittagszeit haben sich schon einige Gäste eingefunden. Vor allem Familien mit Kindern und Senioren lassen sich im idyllischen Biergarten am See von der Sonne bescheinen. Kein Wunder, der Weg zum Gasthaus ist ein einfacher und für die Kleinen gibt es einen großen Abenteuerspielplatz nebst kleinem Streichelzoo.
Wir gehen am Schwellbach entlang zurück zum Parkplatz. Langsam machen sich die müden Füße bemerkbar. Macht Rankl eigentlich noch Sport nach der Arbeit? „Um Gottes Willen, nein“, antwortet er. Sein Nachbar versuche ihn schon seit ewigen Zeiten zu einer Radtour zu bewegen, aber wenn er den ganzen Tag im Gelände unterwegs sei, brauche er abends wirklich keine Bewegung mehr.
Zurück in Zwieslerwaldhaus verabschiedet Rankl sich. Er wird auch morgen wieder im Gelände unterwegs sein. Mit seinen Kollegen sieht er dann nach den Wanderfalken auf dem Falkenstein. „Die Abwechslung, das ist, neben der Tatsache, dass ich immer draußen sein darf, das Schönste an diesem Beruf!“
Dike Attenbrunner
Was für ein wunderbarer Beruf! Und der Artikel ist so lebendig geschrieben, dass er direkt zu einem Besuch in den Nationalpark Bayrischer Wald einlädt :-)