Bodenmais/Zwiesel/Deggendorf. „Im skizzierten Fall handelt es sich um ein personenbezogenes gerichtliches Verfahren. Als Unternehmen äußern wir uns dazu nicht. Die Länderbahn bedauert den besagten Vorfall sehr.“ Mehr war vom Dienstherrn des Zugbegleiters, der im Februar dieses Jahres unter Mithilfe zweier Personen einen Asylbewerber auf rabiate Weise aus dem Zug befördert hatte, im Nachgang unserer Berichterstattung („Asylbewerber-Rausschmiss: Strafbefehl gegen Waldbahn-Mitarbeiter erlassen“) nicht in Erfahrung zu bringen. Keine Antwort auf die Frage, ob der betreffende Zugbegleiter derzeit noch bei der Länderbahn tätig ist. Keine Antwort darauf, ob der unschöne Vorfall generell irgendwelche betriebsinternen Konsequenzen für den Mann hatte. Und keine Antwort auf die Frage, wie die Unternehmensleitung dazu steht, dass einer ihrer Mitarbeiter vom Amtsgericht Viechtach zu einer 1.600-Euro-Geldstrafe (40 Tagessätze, der Länderbahn-Angestellte gilt als nicht vorbestraft) wegen Nötigung eines Fahrgasts verurteilt worden ist.
Hohe Wellen schlug der Waldbahn-Vorfall, der von einem Fahrgast auf Video festgehalten wurde (Unkenntlichmachung durch: Onlinemagazin da Hog’n):
Zur Klärung weiterer Fragen beitragen kann hingegen Kunigunde Schwaiberger, Leitende Oberstaatsanwälting von der Staatsanwaltschaft Deggendorf, die nebst Bundespolizei die ermittelnde Behörde in diesem Fall gewesen ist.
„Ermittlungsverfahren wegen geringer Schuld eingestellt“
Frau Schwaiberger: Wurde denn auch gegen diejenigen Fahrgäste ermittelt, die dem Waldbahn-Zugbegleiter „Hilfestellung“ beim gewaltsamen Hinausbefördern des Asylbewerbers leisteten? Wie sahen die Ermittlungen gegen die Fahrgäste aus? Warum wurden sie nicht wegen Beihilfe „verurteilt“?
Schwaiberger: Selbstverständlich bezogen sich die Ermittlungen auch auf die beiden Personen, die dem Zugbegleiter dabei behilflich waren, den Fahrgast aus dem Zug zu verbringen. Eine dieser beiden Personen konnte als ein Kollege des Zugbegleiters ermittelt werden; die zweite Person, ein Fahrgast, konnte bislang nicht ermittelt werden, so dass insoweit ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung gegen Unbekannt geführt wird. Das gegen den Kollegen des Zugbegleiters wegen Nötigung geführte Ermittlungsverfahren wurde nach § 153 Absatz 1 der Strafprozessordnung wegen geringer Schuld eingestellt, weil er irrig davon ausging, im Wege der Nothilfe seinem erfahrenen Kollegen, der ihn per Zugsprechanlage um Hilfe gebeten hatte, bei der Durchsetzung des Hausrechts behilflich sein zu dürfen.
Im Übrigen: Entgegen Ihrem Bericht vom 11.09.2015 ‚Asylbewerber-Rausschmiss: Strafbefehl gegen Waldbahn-Mitarbeiter erlassen‘ war der Fahrgast nicht im Besitz eines korrekt ausgefüllten und damit gültigen Waldbahn-Tickets. Der Fahrschein war nach den Beförderungsbestimmungen der Länderbahnen vielmehr ungültig, da es sich um eine nicht vorschriftsmäßig ausgefüllte Fahrkarte handelte. Der Fahrgast hatte eine Ergänzung des Tickets weder selbst vorgenommen noch durch den Zugbegleiter vornehmen lassen. Die maßgeblichen Tarifbestimmungen der Regental Bahnbetriebs-GmbH sehen für das Waldbahn-Tagesticket vor, dass dieses nur mit Namenseintrag in Druckbuchstaben gültig ist. Auf dem Ticket befindet sich zudem ein Aufdruck, wonach Vor- und Nachname in Druckbuchstaben einzutragen sind. Der Asylbewerber hatte für Dritte unleserlich handschriftlich nur mit einem von drei Vornamen und ohne Nachnamen unterschrieben.
„Kommunikationsschwierigkeiten haben nicht vorgelegen“
Könnte dies damit zusammenhängen, dass der Asylbewerber der deutschen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig war – und er deshalb zum einen die geforderten Informationen nicht lesen, zum anderen den mündlichen Aufforderungen des Bahnpersonals nicht nachkommen konnte?
Wie bereits in Ihrem Bericht vom 03.03.2015 „Stellungnahme zu Waldbahn-Vorfall: ‚Erkennbar unleserlicher Eintrag'“ nach der Stellungnahme der Länderbahn-Pressesprecherin mitgeteilt, war Vor- und Nachname durch den Fahrgast einzutragen, wohingegen in dem gegenständlichen Fall ein erkennbar unleserlicher Eintrag vorlag. Der Fahrgast sei bereits mehrfach erfolglos aufgefordert worden, Vor- und Nachnamen einzutragen. Nach den hiesigen Erkenntnissen war der Fahrschein mit arabischen Schriftzeichen unterschrieben. Der Fahrgast hatte sich wiederholt – auch einer anderen Zugbegleiterin gegenüber – geweigert, das Ticket mit dem vollen Namen lesbar zu beschreiben oder den Namen anbringen zu lassen.
Anders gefragt: Lag dem Ganzen ein Kommunikations- bzw. Verständnisproblem zugrunde? Die entscheidende Frage ist doch, ob der Asylbewerber überhaupt in der Lage war, seinen Namen in Druckbuchstaben einzutragen, also ob er der lateinischen Schrift mächtig ist – und ob das Zugpersonal erkannt hatte, dass der Asylbewerber die geforderten Informationen aus eventuellen Verständigungsgründen nicht liefern konnte. Dass arabische Schriftzeichen einem westeuropäisch geprägten Zugbegleiter als „erkennbar unleserlich“ erscheinen mögen, liegt auf der Hand.
Verständigungs- bzw. Kommunikationsschwierigkeiten haben offensichtlich nicht vorgelegen. Vielmehr hat der Fahrgast, der gebrochen Deutsch spricht, nach eigener Aussage von einer Angestellten der Waldbahn für 7,50 Euro ein Ticket gekauft – und diese habe gewollt, dass er seinen Namen auf das Ticket schreibe. Er gab an, dass er nur seinen Vornamen darauf schreibe und sie gefragt habe, warum er seinen ganzen Namen darauf schreiben solle. Er habe das nicht gewollt – und auch nicht getan. Bei der Weiterfahrt habe er gesehen, dass die Zugbegleiterin mit dem neuen Schaffner gesprochen habe – nach seiner Vermutung, dass er sich weigerte, seinen Namen drauf zu schreiben.
Der Kontrollierende habe bei der anschließenden Kontrolle gewollt, dass er, der Fahrgast, seinen Namen auf den Fahrschein schreibe, woraufhin dieser geantwortet habe: ‚Warum soll ich meinen Namen schreiben, ich habe schon …. (Anmerkung: den Vornamen) drauf geschrieben. Der Fahrgast weiter: ‚Der Schaffner sagte, dass, wenn ich den Namen nicht drauf schreibe, ich vor die Tür gesetzt werde. Ich habe verstanden, was der Schaffner sagte. Der Schaffner sprach Deutsch und so viel habe ich verstanden. Ich sagte, wenn Du mir die 7,50 Euro wieder gibst, dann steige ich aus…‘ Die Angaben werden durch mehrere Zeugen bestätigt.
„Zugbegleiter hätte die Bundespolizei verständigen müssen“
Abschließende Frage: Worin lag letzten Endes die Nötigung als Grund für den Strafbefehl gegen den Zugbegleiter? Sah das Gericht die Art der Durchsetzung des Hausrechts als rechtswidrig an – oder lagen evtl. andere Gründe vor, die es dem Schaffner verboten haben, den Fahrgast aus der Waldbahn zu befördern?
Die Nötigung lag darin, dass der Zugbegleiter den Fahrgast am Arm zerrte und ihn unter Überwindung seines körperlichen passiven Widerstandes über mehrere Schritte zur Tür ins Freie zog, nachdem er ihn zuvor wiederholt in Ausübung des Hausrechts vergeblich zum Verlassen des Zugs aufgefordert hatte. Der Zugbegleiter war zur gewaltsamen Durchsetzung des Hausrechts nicht befugt; er hätte vielmehr nach den Arbeitsanweisungen seiner Arbeitgeberin die Bundespolizei verständigen müssen.
Vielen Dank für die Auskünfte.
Stephan Hörhammer
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