Während sich die Herrscher der anderen deutschen Staaten rasch in die im zweiten Teil unserer Historien-Serie neu geschaffenen Einheit fügten, lehnte der König von Bayern diese zunächst entschieden ab. Ludwig II. war bestrebt, seinem Land die volle Souveränität zu bewahren. In München hoffte man, durch die Beteiligung am erfolgreichen Waffengang, möglichst wenige Souveränitätsrechte abgeben zu müssen. Um Bayern und den übrigen süddeutschen Staaten entgegenzukommen, veranlasste Otto von Bismarck einige entsprechende textliche Abänderungen in der neuen Verfassung, sowie die Aufnahme etlicher Sonderrechte. So wurde Bayern weiterhin eine eigene Armee und eine eigene Diplomatie zugestanden.
Diesen Erfolg muss man dem bayerischen König zuschreiben, der sich bei den schwierigen Verhandlungen als geschickter Diplomat erwies. In Ludwig II. sieht man vordergründig den zur Verschwendungssucht neigenden Erbauer von Schlössern wie Neuschwanstein und Linderhof. Weit bedeutsamer waren jedoch zahlreiche Beschlüsse, die in seine Regierungszeit fielen und das Leben der Menschen draußen im Lande ganz wesentlich beeinflussten. Wurde beispielsweise bislang eine Eheschließung durch vielerlei Auflagen erschwert, um die Geburtenzahlen möglichst niedrig zu halten, so entfiel jetzt der Nachweis von Grundbesitz als Voraussetzung für eine Verehelichung. In der Folge ging die Anzahl unehelicher Geburten signifikant zurück.
Außerdem trugen nachhaltige Verbesserungen im Bereich der Hygiene und eine angemessene medizinische Versorgung dazu bei, dass nicht nur die Säuglingssterblichkeit landesweit kontinuierlich sank. Auch die öffentliche Armen- und Krankenversorgung wurde gesetzlich geregelt. Der Erlass einer grundlegend neuen Gewerbeordnung bedeutete Gewerbefreiheit für jedermann, führte aber auch zum Aus des wirtschaftlich hemmenden Zunftzwanges.
Was die Verschwendungssucht alles überdeckte
Wenig bekannt ist auch Ludwigs Begeisterung für neuartige Technologien. Er war angetan von den modernen Stahlkonstruktionen für Brückenbauten und trieb den flächendeckenden Ausbau der Eisenbahn voran. Auch die Gründung der Technischen Universität München geht auf ihn zurück. In Schloss Hohenschwangau ließ er sich ein Fotolabor einrichten, das weltweit erste Elektrizitätswerk mit einer Dynamomaschine versorgte Schloss Linderhof mit Strom und nicht nur in Herrenchiemsee gab es Aufzüge, Zentralheizung und Wasserclosetts.
Rupert Berndl
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