Hengersberg/Finsterau. Jeder kennt diese Momente: Man sieht etwas, ohne sich zunächst Gedanken darüber zu machen. Erst nach und nach merkt man aber, dass da was war, was man kennt. So geht es vielen Waidlern, die den Film „Hundswut“ sehen. Und ja, es stimmt tatsächlich: Dieses Werk wurde im Bayerischen Wald gedreht. Ja, die zu sehenden Höfe befinden sich unter anderem im Freilichtmuseum Finsterau. Und ja, Christian Tramitz alias „Lugg“ Kramer zapft dabei ein Lang Bier.
„Hundswut“ und da Woid – der große gemeinsame Nenner ist Daniel Alvarenga. Der Regisseur und Drehbuch-Autor des Filmes ist gebürtiger Berliner, hat eine Brasilianerin geheiratet, lebt in Hengersberg – und hat den östlichen Teil des Landkreises Freyung-Grafenau als idealen Drehort ausgemacht. Im Hog’n-Interview spricht der 37-Jährige über sein Werk, den Bayerwald – und düstere Zeiten…
Der Kino-Trailer von „Hundswut“ ist schon mal vielversprechend:
___________________
Daniel, auf wen hast Du eigentlich eine „Hundswut“?
Ich glaube, ich bin eigentlich ein recht ausgeglichener Mensch. Ich bin zwar auch nur ein „Zoagroaster“, die niederbayerische Gelassenheit habe ich mir aber schnell zu Eigen gemacht – genauso wie die Sturheit (schmunzelt).
„Was leider nicht fiktiv ist: Der Hexenhammer“
Anfang April ist Dein gleichnamiger Kinofilm erschienen: Eine rein fiktive Geschichte – oder verarbeitest Du da eine „Hundswut“ auf jemanden?
Die Geschichte an sich, also das Dorf, die Figuren und die Handlung sind fiktiv. Was aber leider nicht fiktiv ist, ist der Hexenhammer. Und daher sind auch die Strafen, die für die im Film begangenen Taten vorgesehen sind, nicht meinem Kopf entsprungen. Inspiration für diese Taten war einer der letzten überlieferten Hexer- bzw. Werwolfprozesse.
Erzähl uns doch einmal kurz und knapp, um was es in Deinem Werk geht…
In einem bayerischen Dorf im Jahr 1932 werden vier Jugendliche bestialisch ermordet. Nachdem der Gemeinderat die Tat erst einem tollwütigen Wolf zuschreiben will, wird schnell ein menschlicher Täter gesucht und in dem Einsiedler Joseph Köhler vermeintlich gefunden. Als der sich weigert, die Morde zu gestehen, steigert sich das ganze Dorf in eine regelrechte Hexenjagd hinein, bis es kein Zurück mehr zu geben scheint.
Opium für das Volk?
Eine düstere Geschichte in düsteren Zeiten: Wäre es angesichts dessen nicht Deine Aufgabe als Filmschaffender, für Ablenkung zu sorgen?
Zum einen beeinflusst mich als Künstler natürlich alles, was um mich herum passiert. Ich denke nicht strategisch, was gerade der richtige oder falsche Stoff ist, sondern ich erzähle die Geschichte, die mich beschäftigt. Dass die Geschichte, die ich mit Hundswut erzähle, jetzt wieder einmal erschreckend aktuell ist, war, als wir vor vier Jahren mit der Produktion begonnen haben, noch nicht in dieser Drastik absehbar.
Ich würde mir auch sehr wünschen, dass es nicht so wäre. Generell bin ich aber auch kein Fan von Kunst als Opium fürs Volk. Ich finde, man darf Probleme durchaus ansprechen und verurteilen, auch und vor allem als Künstler. Ich möchte mir nicht anmaßen, Menschen zu belehren, dafür habe ich selbst viel zu viele Fehler. Aber wenn die Zuschauer aus Hundswut eine Lehre mitnehmen, habe ich natürlich nichts dagegen.
Einen Film machen – das klingt immer so einfach. Wird es aber bei Weitem nicht sein. Blick doch noch einmal auf die Entstehungsgeschichte von „Hundswut“: Wie hast Du welche Schauspieler ausgesucht? Wie viele Drehtage gab es? Welches Budget? Und welche Herausforderungen gab es während der Dreharbeiten?
„Der Film stand mehrmals auf der Kippe“
Spätestens ab dem Zeitpunkt, als klar war, dass wir keinerlei Filmförderung bekommen werden, stand der Film mehrmals auf der Kippe. Nachdem aber alle Darsteller so überzeugt von dem Projekt waren, dass sie trotzdem mit an Bord bleiben wollten, haben wir beschlossen, dass wir es auf jeden Fall durchziehen.
Wenig Budget heißt dann natürlich wenig Drehtage – in Summe waren es 21 -, die wir außerdem um die anderen Verpflichtungen unserer Darsteller herumstricken mussten. Ebenso ging es um ganz praktische Dinge – wie zum Beispiel, dass die beiden Museumsdörfer, in denen wir drehen durften, regulär geöffnet waren. Beim Dreh hatten wir also mehrfach mit Schulklassen, Schaulustigen und landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu tun.
Mit Christine Neubauer, Christian Tramitz und Konstantin Wecker hast Du namhafte Darsteller gewinnen können. Wie wichtig sind solche „Reißer“ für den Erfolg eines Filmes?
Sehr wichtig. Meinen Namen kennt niemand, den von meinem Produzenten Thomas Gottschall kennt man eher in der Werbebranche. Damit allein hätten wir also wohl niemanden ins Kino locken können. Was aber nach dieser Initialzündung überzeugen muss, ist der eigentliche Film. Und da merkt man dann, dass unsere Darsteller ihre großen Namen nicht umsonst haben, sondern dass dahinter vor allem ein unglaubliches Können und viel Erfahrung steckt. Und das – zusammen mit der ebenso großartigen Leistung von allen hinter und neben der Kamera – führt dazu, dass Hundswut wirklich ein gewaltiger Film geworden ist.
Gedreht wurde auch im Museumsdorf Finsterau. Warum ausgerechnet dort? In welchen Höfen ward ihr unterwegs?
Man kann ja nicht authentischer drehen als in echten Häusern. Deswegen haben wir von Anfang an versucht, in einem Museumsdorf drehen zu dürfen. Es hat einige Überzeugungsarbeit gekostet, aber letztendlich durften wir in den Museumsdörfern Glentleiten und Finsterau drehen. In Finsterau war unser Dreh- und Angelpunkt der Petzi-Hof, der bei uns zur Kulisse für das Wirtshaus wurde, und das Schanzer-Häusl, in dem unser Einsiedler wohnt. Aber auch viele andere Häuser und Ecken wird man in Hundswut wiederfinden.
„Do kenn i wen“: Und schon war das Lang-Bräu-Fass organisiert…
Und zum Trinken gab es ein Lang Bier. Ein Zufall?
Das ist tatsächlich gar nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern das haben wir Martin Waldbauer aus Büchlberg zu verdanken, der uns einen Hochsitz, ein Wagenrad und einen kompletten Wirtshaustresen gebaut und zur Verfügung gestellt hat. Zu Letzterem gehört natürlich auch ein Bierfass – und das wurde mit einem knappen „Do kenn i wen“ ebenfalls von ihm organisiert. Wir gehen also davon aus, dass er vorher gefragt hat. Zum Trinken kamen wir während des Drehs aber leider gar nicht…
Du bist gebürtiger Berliner, hast eine Brasilianerin geheiratet, deshalb Dein Nachname – und lebst in Hengersberg. Als was fühlst Du Dich? Als Waidler?
Der ewige Zoagroaste? (schmunzelt). Von Berlin habe ich außer dem Eintrag im Ausweis nicht viel mitgenommen. Kindheit und Jugend habe ich im Landkreis und direkt in Regensburg verbracht, woher auch meine wunderbare Frau, der ich meinen Nachnamen verdanke, stammt. In Niederbayern sind wir jetzt seit gut zehn Jahren. Zum echten Waidler fehlt’s da wahrscheinlich noch weit. Aber ich fühle mich hier sehr wohl.
„Noch kein nächstes Projekt“
„Hundswut“ ist ein deutscher Historienfilm, ein Drama. Ist das das Genre, in dem Du Dich wohl fühlst? Kommen da noch mehr Filme?
Ich versuche immer einen Film zu machen, den ich selbst gerne schauen möchte. Und da ich beim Schauen von Filmen recht vielseitig bin, bin ich es auch beim Schreiben. Es gibt noch nicht d a s konkrete nächste Projekt, das hängt einfach noch von viel zu vielen Faktoren ab. Hundswut 2 wird es aber definitiv nicht sein.
Dann wünschen wir viele kreative Momente! Danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer
_____________
„Hundswut“ läuft u.a. im Cineplex Freyung. Tickets gibt’s hier (einfach klicken)