Finsterau. Besondere Bauten verdienen besondere Aufmerksamkeit. So wie das Schanzer-Häusl im Freilichtmuseum Finsterau, das seinen Ursprung in Riedelsbach in der Gemeinde Neureichenau hat. Dabei handelt es sich um einen gut erhaltenen Böhmerwaldhof, ein für die Region typisches Gebäude. Teil acht unserer Hog’n-Serie über die Höfe und Häuser der Finsterauer Kultureinrichtung.
Der Einfirsthof mit scharschindelgedecktem Schopfwalmdach war ein kleinbäuerliches Anwesen. Er wurde zwischen 1826 und 1840 in einer Streusiedlung am Rand des Böhmerwald-Hauptkamms erbaut. Die Stube ist in Blockbauweise errichtet worden, Keller, Kammer, Rauchkuchl und Stall in Natursteinmauerwerk.
Kein Originalinventar mehr vorhanden
Platziert wurde es im Freilichtmuseum wie am Ursprungsstandort an einem nach Süden geneigten Hang; ein zugehöriges Bienenhaus wurde rekonstruiert. Dokumentation und Abbau des Schanzer-Häusls erfolgten im Jahr 2000. Der Wiederaufbau in Finsterau samt Rekonstruktion des Schopfwalmdachs fand in den Jahren 2006/2007 statt.
Die heute karge Ausstattung ist dem geschuldet, dass kein Originalinventar erhalten geblieben ist. Ein nüchterner Glaskubus für die Museumstechnik und eine Erschließungstreppe sind im Stadel eingebaut worden. Dort befindet sich auch die Dauerausstellung „Alles aus Holz“.
Das Familienleben der Eheleute Schanzer und deren Kinderschar spielte sich vor allem in der Stube ab. Dort wurde gekocht, gebadet, gegessen und geschlafen. Dieser Raum diente den jüngeren Söhnen und Töchtern sowie den Eltern als Schlafstatt. In der Kammer standen für die älteren Bewohner zwei Betten, in denen gewöhnlich jeweils zu zweit geschlafen wurde. Die Mädchen und Buben erlebten gemeinsam eine glückliche Kindheit. Sie kannten keine Langeweile, denn zu spielen oder zu entdecken gab es immer etwas. Die meiste Zeit verbrachten sie draußen in der freien Natur: unter und auf Obstbäumen, auf den Steinhaufen am Straßenrand und im nahegelegenen Wald.
Volles Haus mit großer Kinderschar
Die Geschichte das Schanzer-Häusels geht nicht weit in die Vergangenheit zurück: Joseph Schanzer erwarb im Jahr 1826 in Riedelsbach ein Grundstück, auf dem er zwischen 1826 und 1840 „ein Wohnhaus mit Stall und Stadl unter einem Dache“ erbaute. Das Anwesen mit dem Hausnamen „Petr-Monei“ fällt später durch Vererbung an Kathi Eckerl, eine geborene Schanzer. Diese vermachte das Haus samt Grundstück ihren Kindern Georg und Hedwig Eckerl. 1930 erfolgt der einzige Umbau am Haus: eine Stallerweiterung.
Die Geschwister Eckerl blieben kinderlos. 1939 nahmen sie den dreizehnjährigen Nachbarsjungen Franz Schanzer auf und setzen ihn als Erben ein. 1950, nach Hedwigs Tod, wurde er der Eigentümer. 1952 heiratet er. Die Eheleute Mathilde und Franz Schanzer bewohnten das Haus mit ihren zwölf Kindern – erst Weihnachten 1968 zogen sie in einen Neubau nebenan. Dort kam der jüngste Sohn, das dreizehnte Kind, zur Welt.
Die zehn Tagwerk große Landwirtschaft konnte die Familie nicht ernähren. Zunächst arbeitete er Franz Schanzer bei der Flurbereinigung, später bei der Baufirma Strobl in Neureichenau. Frau und Kinder versorgten das Vieh, vor und nach der Arbeit kümmerte sich auch der Hausherr um den Hof.
Wohnung, Viehstall und Stadel unterm Dach vereint
Das Schanzer-Häusl ist ein Böhmerwald-Bauernhaus. Diesen Haustyp gab es im inneren Bayerischen und im inneren Böhmischen Wald. Seine Heimat ist demnach das stark bewaldete Mittelgebirgsland, das früher als Ganzes Böhmerwald hieß.
Das Charakteristikum dieses Hauses ist das weit herabgezogene Schopfwalmdach mit Schindeldeckung, das eine Blockbaustube und gewöhnlich aus Naturstein gemauerte Stallungen deckt. Wohnung, Viehstall und Stadel sind unter diesem Dach vereint. Unter dem Schopf befindet sich ein windgeschützter Schrot. Im Bayerischen Wald ist dieser Haustyp, der wie kein anderer in die herbe Landschaft passt, bis auf ganz wenige Denkmäler in den vergangenen Jahrzehnten durch Verfall, massiven Umbau oder Abbruch verschwunden.
da Hog’n
Die Informationen stammen aus dem Buch „Freilichtmuseum Finsterau – Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ von Martin Ortmeier; Dietmar Klinger Verlag, Passau, 2009. ISBN 978-3-932949-87-6