Finsterau. Höfe und Häuser möglichst originalgetreu zu erhalten, sie zu konservieren und sie für die Nachwelt bewahren – das ist das Ziel des Freilichtmuseums Finsterau. Wenn den Verantwortlichen dann ein „Schatz“, der über die Jahrhunderte hinweg mehr oder weniger unverändert im Originalzustand geblieben ist, in die Hände fällt, ist die Freude und Begeisterung freilich groß. So wie damals vor gut fast 40 Jahren, als der Petzi-Hof, der einst in Pötzerreut in der Gemeinde Röhrnbach stand, in Finsterau Einzug hielt. Teil sieben unserer Hog’n-Serie über die altehrwürdigen Anwesen des Freilichtmuseums.
Dabei handelt es sich um einen geschlossenen Vierseithof mit insgesamt sieben Gebäuden: Wohnspeicherhaus (1704, Umbau 1867), Stallgebäude (18. Jahrhundert) für Kühe, Schweine und Hühner, Ochsenstall (18. Jahrhundert), Stadel (1927), Inhaus mit Stall und Stadel (1818) sowie Backofen und Austragshaus (ca. 1847). Die Dächer weisen eine Falzziegeldeckung vor, bei In- und Austragshaus ist das ursprüngliche Legschindeldach rekonstruiert worden. Bauzustand und Ausstattung entsprechen etwa dem Bestand von 1930.
Zum Teil noch Originalpflanzen vom Petzi-Hof vorhanden
In Sachen Ausstattung sind besonders beachtenswert die kirschholz-funierten Möbel der schönen Kammer, die Rauchkuchl im Kern des Wohnhauses (1987 im Ganzen übertragen), der Herd, das Geschirr und das Mobiliar der Stube, der Sesselofen und die Werkstatt im Inhaus sowie die originalen Holzböden und die Decke im Ochsenstall.
Beim Stadel ist nur die Außenhaut rekonstruiert worden. Im Inneren birgt er ein modernes, klimatisiertes Depotgebäude für Staplerbetrieb, das Verwaltungsarchiv und ein Inventarisierungsbüro. Der Hausgarten mit Wassergrand, granitenen Zaunsäulen sowie Zaunlatten mit Ölfarbanstrich enthält zum Teil noch Originalpflanzen vom Petzi-Hof. Die Straße am Anwesen wurde 1984 in alter Steinsetztechnik errichtet. Im Süden ist ein Obstgarten angelegt, eine doppelstämmige Linde als Hausbaum gepflanzt. Neben der Straße steht eine Reihe hochstämmiger Mostobstbäume.
Relikt aus prä-technisierten Zeiten
Seit den späten 1930er-Jahren lag der Petzi-Hof im Dornröschenschlaf: Der alte Bauer wollte nicht übergeben, die Hoffnung, dass die älteste der drei Töchter noch heiraten würde, war aufgegeben. Sie war 44 Jahre alt, als sie – nach dem Tod des Vaters – 1942 den Hof übernahm. Da war sie bereits zu alt, um die Umstellung auf die moderne, technisierte Landwirtschaft wagen zu wollen. Daher blieb der Bauernhof so erhalten, wie er vor der Technisierung der Landwirtschaft allerorts zu sehen war. Sogar das alte, von einem gemauerten Bogen überspannte Tor, das anderswo den großen Ladewägen weichen musste, stand bis zuletzt.
Die Stallungen aus dem frühen 18. Jahrhundert – mit hölzernen Decken und kleinen Fenstern, massiven Standabtrennungen aus riesigen Granitplatten, aber ohne befahrbare Futterbühne – konnten bis zuletzt ihren Dienst tun. Ludwig Kainz, der letzte Großknecht am Hof, schaffte mit dem Schubkarren oder per Heugabel das Futter in den Stall.
Wenn man heute im Finsterauer Freilichtmuseum durch das niedrige Tor den Petzi-Hof betritt, scheint sich nichts geändert zu haben. Sogar der alte Weinstock rankt sich wieder an der Südwand des Wohnhauses empor. Neben dem Misthaufen wachsen Sauerampfer und Stechapfel, auf den Trittfluren stehen Wegerich und Kamille – und an allen Ecken ist der Gute Heinrich zu finden.
Kriegsgefangener war in der Stube untergebracht
Rechts vom Tor, im Süden des Anwesens, befindet sich das niedrige, langgestreckte Inhaus. Es war 1818 als Austragshaus errichtet worden, diente aber die meiste Zeit als Wohnung für sogenannte In- oder Häuslleute. Zuletzt war ein Kriegsgefangener, der in den vierziger Jahren als Zwangsarbeiter am Petzi-Hof tätig war, in einem verschließbaren Holzverschlag in der Stube untergebracht. Danach wurde das Haus nur noch als Werkstatt benutzt.
Auf der anderen Seite des Tores schließen Backofen und das jüngere Austragshaus an. Dieses Haus wurde um 1847 gebaut, weil im alten Austragshaus noch ein lediger Bruder des Altbauern wohnte.
Die Nordwestecke des Hofs nimmt das Wohnhaus ein. Es überragt die Austraghäuser um eineinhalb Stockwerke. Das Erdgeschoss ist mit Ausnahme der Stube vollständig aus Feldsteinen gemauert, das obere Stockwerk ist zu drei Vierteln in Blockbauweise errichtet. Nur die Westseite wurde bei einem Umbau im Jahr 1867 als Schaufassade in verputztem Ziegelmauerwerk ausgeführt. Josef Riedl hieß damals der Besitzer. Er hat sich mit seinen Initialen im granitenen Türsturz über dem Hauseingang verewigt. Der Blockbau von Stube und Obergeschoss, der über alle Umbauten hinweg erhalten blieb, stammt aus dem Jahr 1704.
Verwinkelte Züge und Rohre
Den malerischen Eindruck verdankt der Petzi-Hof dem Schrot, der entlang der Süd- und Ostseite des Wohnhauses angebracht ist. Das Nordgebäude birgt Kuh-, Hühner- und Schweinestall. Ochsenstall und Stadel bilden die Ostseite des Anwesens. Vor dem Wohnhaus und den Ställen verläuft eine mit unregelmäßigen Granitplatten gepflasterte, erhöhte Gred.
Ein besonderes Stück ist der Sesselofen in der Stube des Inhauses. Den Spuren an der Wand und im Boden sowie Vergleichsbeispielen aus dem inneren Böhmer- und Bayerwald nach zu urteilen, wurde dieser für das 18./19. Jahrhundert typische Herdofen rekonstruiert. Nicht allein das Äußere des gemauerten und zum Teil gekachelten Ofens wurde nachgebildet, sondern auch sein Innenleben mit den verwinkelten Zügen und Rohren.
Der Petzi-Hof ist im Freilichtmuseum so eingerichtet, wie er etwa um 1930 in Pötzerreut ausgestattet war. Aus dieser Zeit haben sich fast alle Möbel, Zeitungen und Kalender, Koch- und Vorratsgeschirr, Tisch-, Leib- und Bettwäsche sowie die landwirtschaftlichen Geräte erhalten. Auch die Öfen, Türen, Fenster und Kamine stammen aus dieser Zeit.
Alle mussten mithelfen
Um 1930 wirtschaftete der Bauer Josef Petzi mit seiner zweiten Frau, zwei Töchtern und drei Dienstboten auf dem Hof. Das Inhaus war von Häuslleuten bewohnt: Der Mann ging von morgens bis abends in den nahen Steinbruch arbeiten, Frau und Kinder mussten am Hof mithelfen.
da Hog’n
Die Informationen stammen aus dem Buch „Freilichtmuseum Finsterau – Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ von Martin Ortmeier; Dietmar Klinger Verlag, Passau, 2009. ISBN 978-3-932949-87-6