Berlin/Künzing/Straubing. Schwarz gegen Grün, das Duell geht in die nächste Runde. Diesmal geht’s um das Abstimmungsverhalten im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags zum Thema Kfz-Steuerermäßigung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge. Die zentrale Frage dabei lautet: Haben die Unionsparteien und die Mitglieder der AfD – trotz augenscheinlicher Unterstützung der Bauern im Rahmen ihrer Protestaktionen – im vergangenen Dezember für die Abschaffung jener Ermäßigung gestimmt?
Wie der Bayerische Rundfunk jüngst berichtete, würden Dokumente zeigen, dass genannte Parteien „den Plänen zur Streichung der Kfz-Steuerermäßigung für die Landwirtschaft offener gegenüberstehen, als es den Eindruck macht“. In dem Bericht heißt es: „Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags nahm die Forderung nach einer Abschaffung der Ermäßigung bei seiner Sitzung am 15. Dezember 2023 zur Kenntnis. Und zwar einstimmig.“ Dies hätten mehrere Teilnehmer der Sitzung BR24 übereinstimmend bestätigt.
Die Sache aus Sicht des Abgeordneten Erndl
Das hieße, dass auch Ausschussmitglieder von Union und AfD dafür stimmten, dass Land- und Forstwirte bald mehr Kfz-Steuer zahlen. „Nach Informationen von BR24 wurde über diesen Tagesordnungspunkt auch gar nicht beraten, sondern gleich abgestimmt.“ Mit dem einstimmigen Beschluss fordere der Ausschuss das Bundesfinanzministerium auf, einen Vorschlag zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zu machen, „in dem die Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgehoben wird“.
Thomas Erndl, CSU-Abgeordneter der Landkreise Deggendorf und Freyung-Grafenau, der sich mit den Protestaktionen der Landwirte solidarisch erklärt und die geplanten Steuerbelastungen für die Landwirtschaft als unverhältnismäßig betrachtet, will zur Aufklärung beitragen. In einer Presseaussendung teilt dieser dazu folgendes mit:
„Die Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses als Unterausschuss des Haushaltsausschusses ist die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Hier wird also besonders die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns sichtbar – ein zentrales Element der Gewaltenteilung.
Aus diesem Grund stimmt der Rechnungsprüfungsausschuss in jahrzehntelanger Tradition immer einstimmig ab. Der Ausschuss ist „nicht beschließend“, d.h. er spricht nur Empfehlungen aus, die z.B. die Fachausschüsse aufgreifen können.
Eine wesentliche Aufgabe des Ausschusses ist auch, die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu behandeln. Nachdem der Bundesrechnungshof schon länger eine Vereinheitlichung der Kfz-Steuer fordert und die Regierungsfraktionen das aufgegriffen haben, wird also eine Einstimmigkeit nur erreicht, wenn im Text sowohl die Forderung der einen Seite (z.B. Formulierungsvorschlag für eine gesetzliche Änderung) und die Forderung der anderen Seite (Ausarbeitung eines Vorschlags für ein Förderprogramm zur Kompensation der Änderungen) vorkommen.
So ist die Arbeitsweise dieses Ausschusses. Die Zustimmung zur Einholung von weiteren Berichten, Formulierungsvorschlägen oder Entwürfen, ist tägliches politisches Geschäft und hat absolut nichts mit einer Zustimmung in der Sache zu tun. Das wäre überhaupt nicht die Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses. Im Übrigen waren bei besagtem Tagesordnungspunkt keine CSU-Abgeordneten anwesend.“
In der Sache ist die Position der CSU Erndl zufolge klar: „Wir lehnen die vorgeschlagenen Belastungen der Bauern sowohl bei der Kfz-Steuer als auch beim Agrardiesel ab. Es müssen alle Vorschläge komplett vom Tisch, auch die Steuerrückvergütung beim Agrardiesel muss in bisheriger Höhe erhalten bleiben.“
„Wir sind dagegen gewesen, darum haben wir dafür gestimmt“
Contra gibt es von Seiten der beiden niederbayerischen Vertreter der Grünen im Bundestag, Erhard Grundl und Marlene Schönberger. „Die CSU ist offensichtlich ganz hektisch darum bemüht, den vorliegenden Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses durch dutzende nebulöse Pressemitteilungen einzufangen, weil der Beschluss, an dem die CDU/CSU mitgewirkt hat, all den markigen Worten der CSU-Mandatsträger auf den Bauerndemos eklatant entgegensteht“, hält der Straubinger Abgeordnete dagegen – und ergänzt: „Man kann das Abstimmungsverhalten der CSU so zusammenfassen: Wir sind dagegen gewesen, darum haben wir dafür gestimmt.“
Grundl wolle eine abschließende Beurteilung des Handelns der CSU „in erster Linie aber den Bäuerinnen und Bauern überlassen“. Es sei jedoch „unübersehbar, dass die CSU im Vorfeld der Europawahlen in härtestem Wettstreit mit Hubert Aiwanger um die Stimmen der Bauern steht. Und da schaut es für die CSU gar nicht so gut aus. Die Landwirtschaftsministerin und sogar der Ministerpräsident spielen politisch inhaltlich praktisch im Moment gar keine Rolle.“ Darum versuche man nun so fest es geht auf die Grünen draufzuhauen, so Grundl.
„Es stimmt, dass im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags in der Regel einstimmig entschieden wird“, teilt Marlene Schönberger auf Hog’n-Nachfrage mit. Eher unüblich sei es jedoch, dass kurz nach diesen einstimmigen Entscheidungen politische Parteien – in diesem Fall Union und AfD – lautstark und medienwirksam in erster Reihe gegen eben jenen Beschluss protestieren, den sie vorher ohne Diskussion oder Kritik durchgewunken haben. „Auch der verabschiedete Vorschlag zur Ausarbeitung eines Förderprogramms zur Kompensation der Änderungen wurde nicht von Abgeordneten der CSU entwickelt oder eingebracht. Das ging auch gar nicht, wie Herr Erndl selbst sagt, es war ja schließlich kein CSU-Abgeordneter anwesend.“
In 31 der vergangenen 40 Jahre, so Schönberger weiter, haben CDU und CSU die Agrarministerinnen und -minister gestellt und der Ampelregierung einen riesigen Berg an strukturellen Problemen in der Landwirtschaft hinterlassen. „Die Preispolitik der großen Supermärkte, das Höfesterben und die Klimakrise machen den Bäuerinnen und Bauern das Leben schwer. Etwa 14.000 Landwirtinnen und Landwirte haben allein in Bayern zwischen 2010 und 2020 aufgeben müssen.“ Dass sich nun ausgerechnet die CSU als Anwältin der Bauernschaft aufspiele, ist der gebürtigen Landshuterin zufolge „mehr als scheinheilig und man sieht, wer hier wirklich von seinem eigenen Versagen ablenken möchte“.
KfZ-Steuerermäßigung bleibt – und die Begünstigung beim Agrardiesel?
Fakt ist: Die Bundesregierung behält die Kfz-Steuerermäßigung für Land- und Forstwirte bei. Die Sache mit dem Agrardiesel scheint hingegen noch nicht vom Tisch zu sein, wenn auch die Bundesregierung – trotz der bundesweiten Proteste der Bauern – das Sparpaket zum Haushalt beschlossen hat: Die Steuerbegünstigungen bei Agrardiesel sollen demnach schrittweise auslaufen.
Stephan Hörhammer