Tittling. Geboren ist sie in Simpoln in der Gemeinde Fürsteneck, aufgewachsen in einem kleinen Sacherl in Hatzerreut in der Gemeinde Perlesreut. Als ältestes von sieben Geschwistern musste sie sich früh um ihre vier Brüder und zwei Schwestern kümmern, mitanpacken und Verantwortung übernehmen. Roswitha Tosos Weg vom „Niemandsland“ in den Bayerischen Landtag, dem sie seit 30. Oktober 2023 angehört, war stets geprägt von Fleiß, Ausdauer und Willenskraft. Eigenschaften, die sie auch in ihr Amt als Landtagsabgeordnete für die Freien Wähler einbringen möchte.
Nach ihrem Realschulabschluss und der Ausbildung zur Verwaltungsangestellten war sie zunächst in der Gemeindeverwaltung tätig und kümmerte sich um die Familie und die Erziehung ihrer drei Kinder. Später holte sie das Allgemeinabitur am Abend-Gymnasium nach, um dann im Alter von 40 Jahren ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau zu beginnen, das sie bereits nach acht Semestern erfolgreich beendete. „Ich habe das Studieren angefangen, als sich auch meine Tochter an der Uni eingeschrieben hat“, erinnert sich die heute 60-Jährige, die in Muth bei Tittling beheimatet ist. Ihr Durchhaltevermögen beschreibt sie als Grundeigenschaft einer Waidlerin, als solche sie sich mit Nachdruck bezeichnet.
Seit 2009 führt sie ihre eigene Rechtsanwaltskanzlei in der Marktgemeinde im Passauer Oberland. Eine Tätigkeit, die sie mit ihrer neuen Aufgabe im Münchener Maximilianeum ruhen lassen will. Ihr neues Abgeordneten-Büro soll dort nun eingerichtet werden. Mit zwei Mitarbeitern, einen aus Passau, einen aus Waldkirchen, könne sie ihren Wahlkreis „gut abdecken“, wie sie es nennt. Politisch ist sie seit 2013 als Vorsitzende der Freien Wähler Tittling, seit 2014 als Marktgemeinderätin und Kreisrätin im Kreistag des Landkreises Passau sowie seit 2020 als stellvertretende Landrätin aktiv.
Im ersten Teil des Interviews mit dem Onlinemagazin da Hog’n blickt sie zurück auf ihren Landtagseinzug, die damit einhergegangenen Veränderungen sowie die ersten Eindrücke im höchsten bayerischen Parlament. Wir haben sie nach ihren Zielen gefragt, ihrer Haltung zur AfD und zum großen Koalitionspartner CSU.
„Gesetze gibt es überall“
Frau Toso, nochmals rückblickend: Wie überraschend war für Sie der Einzug in den Landtag?
Ich habe mich während des Wahlkampfs sehr engagiert. Und natürlich habe ich darauf gehofft, in den Landtag einzuziehen. Die Freien Wähler standen nach der Auszählung nicht schlecht da, ich war auf Listenplatz vier gesetzt – und konnte diesen am Ende auch halten. Ganz sicher kann man sich natürlich nie sein, aber es hat sich – auch im Rahmen der Umfragen – relativ früh abgezeichnet, daher konnte man damit rechnen, dass es klappt mit dem Einzug. Ich bin jedoch ein Mensch, der immer bis zum endgültigen Ergebnis abwartet – und dann hab ich mich natürlich narrisch gefreut.
Was hat sich seit den Wahlen im Oktober, seitdem feststeht, dass sie Mitglied des Bayerischen Landtags sind, alles verändert in ihrem Leben?
Es hat sich vieles verändert. Für meine Kanzlei hab ich seitdem keine neuen Rechtsfälle mehr angenommen, da ich die Arbeit als Rechtsanwältin während meines Mandats aussetzen werde. Die bestehenden Fälle werden freilich noch abgewickelt und auch weiterhin von mir betreut – die Leute müssen sich auf mich verlassen können. Ich hab daher zwischendurch immer wieder mal noch Verhandlungen. Ich werde meine Anwaltszulassung behalten, aber nicht mehr praktizieren, weil ich mich voll auf die neue Aufgabe konzentrieren möchte.
Wie sind ihre ersten Eindrücke vom Landtag?
Ein großer Apparat, in dem ich mich relativ schnell zurechtgefunden habe. Richtig los geht’s erst Ende Januar, wenn dann die Klausurtagungen stattfinden – die Freien Wähler sind diesmal ja in Lindau am Bodensee zu Gast. Ich bin in dieser Legislaturperiode im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie sowie im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst vertreten. Zudem bin ich für die Freien Wähler im Landesfrauenrat aktiv – da passen die Themen Soziales sowie Wissenschaft und Kunst ganz gut dazu, wie ich finde. Und juristisches Knowhow ist ohnehin in jedem Bereich gefragt, denn: Gesetze gibt es überall.
„Aufpassen, dass nicht das ganze Geld nach München geht“
Empfinden Sie das Maximilianeum als das viel zitierte männerdominierte Haifischbecken?
Innerhalb der Freie-Wähler-Fraktion sind insgesamt sieben von 37 Mitgliedern weiblich. Also ja, es sind schon viele Männer dort (lacht). Aber auch Frauen. Ein gewisses Machtgehabe von Männern gegenüber Frauen kann ich bis dato nicht erkennen. Eher bei den Männern untereinander. Ich denke, dass wir Frauen auch immer selbstbewusster werden – und die Männer sich zurücknehmen, den Frauen auch mal den Vortritt lassen. Es soll so sein, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Ich möchte auch keine Sonderbehandlung, nur weil ich eine Frau bin. Ich möchte gleich behandelt werden. Aber letztlich hat der Bürger es ja auch selbst in der Hand, ob er mehr Frauen oder mehr Männer ins Amt wählt – ausreichend weibliche Kandidaten sind jedenfalls aufgestellt worden.
Sie gelten auf landespolitischer Ebene noch als unbeschriebenes Blatt, sind wenig bekannt in der bayernweiten Öffentlichkeit. Wie sehen Sie ihre künftige Position innerhalb der Landtagsfraktion? Eher als Hinterbänklerin – oder als Politikerin, die auch mal Akzente setzt?
Ich bin frauenpolitische Sprecherin sowie Sprecherin für Denkmalschutz. Ich bin nicht der Typ dazu, mein politisches Amt lediglich als Hinterbänklerin zu fristen. Ich will mich nicht vordrängen, will mich aber einbringen und durch die geleistete Arbeit überzeugen.
Was möchten Sie in den nächsten fünf Jahren erreichen? Wie lauten ihre politischen Ziele?
Generell muss man aufpassen, dass nicht das ganze Geld nach München geht und wir hier im Bayerischen Wald und im Passauer Land nicht vergessen werden. Ich war vor Kurzem mit der Hutthurmer Ilztalschule in Kontakt, deren Anliegen es ist, eine Inklusionsschule zu werden. Im Pflegebereich etwa müssen bessere Voraussetzungen geschaffen werden für die Angestellten, genauso wie für die Pflegenden und die pflegenden Angehörigen. Hier gehört für Entlastung gesorgt. Ich möchte mich zudem mit hiesigen Künstlern treffen, um so zu erfahren, wo bei ihnen der Schuh drückt. Wir haben viele gute Künstler in unserer Gegend, die eine Förderung verdient haben. Aber ich werde mich erst noch in verschiedene Themenbereiche einarbeiten müssen.
„Möchte respektvoll und anständig miteinander umgehen“
In Sachen Fahrgemeinschaft, wenn es zu den wöchentlichen Sitzungen im Landtag geht: Mit Parteikollege Martin Behringer sind Sie ja bereits nach München gefahren. Werden Sie auch mit Ihrem AfD-Kollegen Ralf Stadler, der ja auch aus Tittling stammt, in die Landeshauptstadt fahren?
Nein. Ich bin nicht im Kontakt mit ihm. Er ist ja eher schon ein alter Hase. Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang, aber eine Fahrgemeinschaft werden wir wohl nicht gründen.
Was halten Sie von Stadler und seinen AfD-Parteigenossen?
Ich denke, da soll sich jeder selbst ein Bild machen.
Und welches Bild haben Sie sich gemacht?
Ich möchte respektvoll und anständig miteinander umgehen – das ist mein Ziel. Und es ist nicht meine Art, dass ich hier alles und jeden von Anfang an verteufle.
„Freilich ist die AfD eine demokratische Partei“
Haben Sie den Eindruck, dass die AfD-Abgeordneten mit den Vertretern der Freien Wähler – also auch mit Ihnen – respektvoll umgehen werden?
Ich habe bislang keine negativen Erfahrungen gemacht. Man grüßt sich, wenn man sich auf dem Flur im Landtag trifft. Im ersten Sozialausschuss war es so, dass die Vertreterin der AfD gemeint hat, sie freue sich auf die Zusammenarbeit und sie hoffe, dass wir sie nicht gleich wieder ausgrenzen werden. Das hat mir zu denken gegeben, hat mich sogar etwas berührt. Denn ich möchte das nicht. Aber wir werden sehen, wie sich das in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt.
Sie haben ja sicherlich auch das Verhalten gewisser AfD-Abgeordneter in der vergangenen Legislaturperiode verfolgt. Welchen Eindruck haben Sie von Ihren neuen Kolleginnen und Kollegen von dieser Partei bekommen?
Ja, es wird wohl schwierig. Deren Mitgliederzahl ist angewachsen, durch die aktuelle Stimmung im Land haben sie Rückenwind bekommen. Und es wird wohl sehr laut werden. Ich denke, dass sie über die Stränge schlagen.
Nochmal: Empfinden Sie das Verhalten der AfD-Abgeordneten als respektvoll? Diese Partei hat bis dato ja so viele Rügen im Landtag kassiert wie keine andere zuvor.
Teils teils. Wie gesagt: Ich möchte neutral an die Sache herangehen. Ich denke, wenn man politisch professionell arbeitet, soll man nicht gleich mit Vorurteilen daherkommen, sondern sich zunächst einen Eindruck verschaffen – und erst dann urteilen.
Als wie demokratisch betrachten Sie die Besetzung der AfD-Fraktion?
Die gemäßigteren Vertreter sind nun nicht mehr dabei, jetzt haben die Radikaleren die Oberhand. Aber freilich ist die AfD eine demokratische Partei, weil sie demokratisch gewählt worden ist.
„Werden uns noch zusammenraufen müssen“
Themawechsel: Glauben Sie, dass die „große Politik“ in Berlin sich schon viel zu weit entfernt hat von den Grundbedürfnissen der Bürger?
Ja, das empfinde ich so. Das Heizungsgesetz ist der beste Beweis dafür. Man kann Ziele haben und das Thema Klimaschutz ist sicher ein wichtiges, aber man muss am Ende dann doch immer noch die Kirche im Dorf lassen.
Wie sehen Sie die Situation in Bayern: Ist hier die Distanz ähnlich groß zwischen der Regierungskoalition und der Bürgerschaft?
Nein. Bayern steht von allen Bundesländern noch am besten da. Hier wird sich nach wie vor darum bemüht, die Distanz so gering wie möglich zu halten.
Wie zufrieden ist man denn mit dem „großen Koalitionspartner“ CSU?
In meinen Ausschüssen arbeiten wir gut zusammen, was ich bis jetzt gesehen habe. Ich denke, das wird auch so bleiben. In manchen Angelegenheiten werden wir uns aber schon noch zusammenraufen müssen.
Interview: Stephan Hörhammer
Im zweiten Teil des großen Hog’n-Interviews mit der Landtagsabgeordneten Roswitha Toso haben wir uns mit ihr über ihren Partei-Chef Hubert Aiwanger, dessen jüngsten Auftritt bei Markus Lanz, seine Rhetorik sowie populistische Politiker unterhalten.