Heldengut. Jenen Tag – man kann ihn getrost als zweiten Geburtstag bezeichnen – hatte sich Elias Göttl zuvor in den buntesten Farben ausgemalt. Der 12. Juli verlief aber dann komplett anders. Nicht, wie gehofft, durchwegs positiv. Sondern eher negativ. Depressiv. An jenem Mittwoch machte eine Nachricht die Runde, in der darüber berichtet wurde, dass der 19-Jährige einen geeigneten Spender gefunden hätte. „Doch das stimmt so nicht ganz“, wie Mutter Claudia Göttl richtigstellen will. Just als in der Folge zahlreiche Glückwünsche via Facebook und WhatsApp Elias Göttl erreichten, ging es diesem wieder vorerst schlechter…
Ja, es stimmt. Elias Göttl befindet sich auf dem Wege der Besserung. Und ja, es schaut sehr gut aus, dass er Leukämie wohl besiegen kann. Das bestätigen Mama Claudia und der junge Bursche aus Heldengut (Gmd. Hinterschmiding) selbst im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n. Doch es konnte, wie in mehreren Medien berichtet wurde, bislang kein genetischer Zwilling gefunden werden. „Sein Bruder Niklas ist der Spender“, klärt Claudia Göttl auf. „Er ist aber – in Anführungsstrichen – nur haploidentisch. Es war von Anfang an geplant, dass wir diese riskantere Variante wählen, wenn sich kein geeigneter Spender findet. Und das ist der Fall.“
„Ich möchte mich sehr bedanken – weiß aber nicht, wie“
Anfang Februar wurde bei Elias Göttl Blutkrebs diagnostiziert. Seitdem kämpft der 19-Jährige gegen die Krankheit mit voller Kraft an. Über mehrere Wochen hinweg musste er in jüngster Vergangenheit stationär im Krankenhaus behandelt werden. Zahlreiche sog. Kopfbestrahlungen und Chemo-Blöcke bestimmten seinen Alltag. Verbunden mit Übelkeit, Durchfall und Müdigkeit sowie der ein oder anderen depressiven Phase, wie der junge Mann, der eigentlich als lebensfroher Charakter gilt, zugibt: „Gerade dann, wenn ich im Krankenhaus einfach nur darauf zu warten hatte, was als nächstes auf mich zukommt, war es schon hart für mich“, erinnert er sich.
Seine Familie, seine Freundin Isabell und seine Freunde versuchten stets, die düsteren Gedanken zu vertreiben. Als Elias Göttl im Klinikum Passau die Bilder von der Typsierungsaktion in der Hinterschmidinger Turnhalle und dem eigens für ihn organisierten Benefizkonzert erreichten, war er zu Tränen gerührt. Gleichzeitig zog er daraus neuen Lebensmut. „Ich habe das alles wahrgenommen“, betont er mit brüchiger Stimme und fügt hinzu: „Ich möchte mich sehr dafür bedanken. Aber ich weiß einfach nicht, wie. Es ist extrem, was für mich abgegangen ist.“
Nicht nur den Bruder an der Seite
Zurück zu Bruder Niklas. Am 2. Juni wurde die so wichtige Übertragung eingeleitet. Nicht von Blut, sondern von Knochenmark, was bei einem sog. haploidentischen Spender (Merkmale stimmen zu 50 Prozent überein) notwendig sei. Zunächst musste Elias auf die Isolierstation, um eine kurzfristige Erkrankung zu vermeiden. Zudem gab es erneut „Hochdosis-Chemos“ (Claudia Göttl), um seinen Körper auf das nun Folgende vorzubereiten. Am 9. Juni wurde dem 22-Jährigen dann das Knochenmark entnommen und an Elias mittels Transfusion übertragen. „Das ist bei Niklas unter Vollnarkose geschehen“, berichtet Claudia Göttl. „Er hat das super weggesteckt. Er fühlte nur eine Art Muskelkater. Bereits am selben Tag haben ihn die Krankenschwestern überall gesucht. Denn er sollte sich eigentlich ausruhen – aber er saß immer bei seinem Bruder am Bett.“
Es ist noch ein weiter Weg…
Elias Göttl hatte nicht nur Niklas an seiner Seite, sondern auch das Glück sowie eine wohlgesonnene höhere Macht. Denn die Übertragung, die eine 50/50-Chance zur Heilung birgt, hat geklappt – Stand jetzt. „Ein Test hat ergeben, dass er 98,9 Prozent Blut von Niklas hat. Sein eigenes also fast gar nicht mehr. Das ist sehr gut“, weiß Mama Claudia zu berichten. Auch Elias selber bekräftigt: „Mir geht es soweit ganz gut. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass es nach der Spende besser wurde. Die Müdigkeit ist fast weg – und auch die ewige Kotzerei.“
Dennoch ist es für ihn noch ein weiter Weg zurück ins „normale“ Leben. „Medizinisch gilt er erst dann als geheilt, wenn fünf Jahre keine Krebszellen mehr nachgewiesen werden können“, macht Claudia Göttl deutlich. „Doch es ist Licht am Ende des Tunnels auszumachen. Und das ist, was zählt.“ Inzwischen ist Elias Göttl wieder Zuhause in Heldengut angekommen. Noch sind seine Trombozyten-Werte nicht ganz optimal, was bedeutet, dass er etwa im Ernstfall ziemlich schnell verbluten könnte. Daher ist noch Vorsicht angesagt. Der eigentlich verschwundene Krebs bestimmt jedoch weiter seinen Alltag. So darf er beispielsweise ausschließlich keimfreie Nahrung zu sich nehmen.
„Das ist hart für ihn“
„Vieles ist noch offen“, ist dem 19-Jährigen bewusst. Jeder Bluttest, jeder Besuch bei den Ärzten könnte aber weitere positive Nachrichten mit sich bringen. „Er hat gemeint, er kommt heim und kann gleich wieder Radfahren. Aber ganz so einfach ist es nicht – auch wenn es hart ist für ihn“, erklärt Claudia Göttl. Alle sind bisweilen positiv gestimmt, dass irgendwann der Tag kommen wird, den sich Elias Göttl seit seiner Erkrankung in den buntesten Farben ausmalt. Und dann wird gefeiert – aber so richtig…
Helmut Weigerstorfer