Heldengut. Es waren ganz normale Tage – und gerade deshalb waren sie so schön. Der Krebs wurde kurze Zeit vom Alltag verdrängt. Nach dem zweiten Chemo-Block durfte Elias Göttl für gut eine Woche nach Hause. „Die Blutwerte haben ausnahmsweise mal gepasst“, erklärt Mutter Claudia. Einige Freunde kamen zum Lagerfeuer, Freundin Isabell war fast durchgehend da – der 18-Jährige konnte zwischenzeitlich das machen, was ein Mann in seinem Alter eben so macht. Er blühte regelrecht auf. Mittlerweile ist der Heldenguter (Gmd. Hinterschmiding) aber wieder zurück im Klinikum Passau. Und sein Kampf gegen die Leukämie geht weiter…
Zwischen Hoffen und Bangen
Auch Zuhause bei den Göttls ist wieder Normalität eingekehrt. Der neue Normalzustand, der sich seit der Krebsdiagnose am 2. Februar erst nach und nach entwickeln musste. Es herrscht eine Gefühlslage zwischen Hoffen und Bangen. Auf der einen Seite informieren sich Mama Claudia und Papa Andi so gut es geht über das Krankheitsbild (Akute lymphatische Leukämie (ALL)) ihres Drittgeborenen. Sie versuchen Kontakte zu knüpfen zu Gleichgesinnten und Fachärzte ausfindig zu machen. Manchmal herrscht purer Aktionismus. Hektik, die gut tut. Denn: Auf der anderen Seite ist man auf das Schicksal angewiesen. Es klingt einfach, ist aber in Wahrheit unheimlich kompliziert: Ein Stammzellen-Spender für Elias muss her, ein genetischer Zwilling.
Erfolglose Typisierungsaktion: „Das war enttäuschend“
Am 4. März fand deshalb – organisiert von der AKB (Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern) – eine Typiserungaktion in der Turnhalle in Hinterschmiding statt. Exakt 1.234 Waidler ließen sich dabei vor gut zwei Monaten testen. Ein geeigneter Spender war nicht dabei. „Das war natürlich enttäuschend“, macht Claudia Göttl deutlich und fügt hinzu: „Aber auch irgendwie klar. Das wäre wie ein Sechser im Lotto gewesen.“
Auch der Abgleich mit 40 Millionen registrierten potenziellen Spendern ergab keinen Treffer. „Das ist natürlich hart“, unterstreicht die 45-Jährige, betont aber noch einmal: „Jeder hat uns von Anfang an klar gemacht, dass die Suche schwierig werden wird.“ Bruder Niklas stünde als haploidentischer Spender für den Fall der Fälle bereit. „Das ist nicht ideal. Aber es ginge. Wäre aber mit einem großen Abstoßungsrisiko und weiteren Chemos verbunden.“
Die Göttls sind inzwischen (notgedrungene) Experten auf diesem Feld – und zudem Werbeträger für Typisierungsaktionen. Elias ist zuletzt vermehrt in der Öffentlichkeit gestanden. Es wurde viel über ihn berichtet. Er selber tritt dabei bewusst nicht in Erscheinung. Der 18-Jährige soll sich in Ruhe auf seinen schwierigen Weg konzentrieren. „Beeindruckend, wie zuversichtlich er weiterhin ist“, sagt Mama Claudia, die den medialen Fokus auf ihren Sohn gezielt nutzen möchte: „Auch wenn ich mich wiederhole: Aber jeder, wirklich jeder soll sich typisieren lassen. Es tut nicht weh. Und man kann unendlich viel damit helfen.“
Anteilnahme „einfach nur gigantisch“
Apropos Hilfe: Die Anteilnahme, die die Heldenguter in den vergangenen Monaten erfahren haben, „ist einfach nur gigantisch“. Die vom Frauenbund organisierte Cafeteria im Rahmen der Typisierungsaktion war der Renner. Unzählige Torten und Kuchen aus Heldengut, Herzogsreut und Hinterschmiding wurden verkauft. Der Erlös ging an die AKB. „So eine Typisierungsaktion kostet um die 50.000 Euro“, weiß Claudia Göttl. „Da ist natürlich jeder Euro wertvoll.“
Vor allem ihre Freundinnen Margit Schwarz, Hannelore Berger und Julia Lederer, ihre Schwester Tanja Philipp sowie ihre Schwägerin Heidi Göttl legen sich der 45-Jährigen zufolge besonders ins Zeug, um Einnahmen für die „Aktion Knochenmarkspende“ zu generieren. Dieses Quintett hatte auch in Zusammenarbeit mit dem SSV Hinterschmiding, für den Elias Göttl einst das Tor hütete, das Benefizkonzert am 29. April in der Haidel-Gemeinde organisiert. Die Musikkapelle Hinterschmiding, Ryan Eden, Der artische Wahnsinn, Die Schmalzler sowie Sarah und d’Nachbarn spielten dabei (ohne Gage) auf. „Rund 550 Leute sind gekommen. Die Halle war voll“, berichtet Claudia Göttl, die ebenfalls vor Ort war.
Bilder vom Benefiz-Konzert (Fotos: Göttl)
Dieses positive Interesse ist es, das der Familie sehr viel Mut zuspricht. Auch Elias, das lässt Mutter Claudia ausrichten, ist sehr darüber erfreut, dass so viele an ihn denken und ihn unterstützen: „Das gibt ihm Auftrieb.“ Das Gefühlschaos geht also weiter. In manchen Phasen fließen Tränen der Rührung. In anderen sind es Tränen der Enttäuschung. Egal, ob positiv oder negativ: Es sind viele Emotionen im Spiel. Und die Sehnsucht nach einem ganz normalen Alltag…
Helmut Weigerstorfer
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