Viechtach. Ohne Gewähr dürfte die 1553 gegründete Gesellschaftsbrauerei Viechtach zu den ältesten ihrer Art im Bayerischen Wald, vielleicht sogar in Niederbayern, gehören. Bei soviel Brau-Tradition denkt man zunächst einmal an bewährte Dinge. An ein Weißbier oder ein Helles, das seit Jahrzehnten genussvoll die Kehle hinunterrauscht. An einen in der Bevölkerung tief verankerten Stolz auf die Getränke aus der Heimat. Eine Crowdfunding-Aktion passt da irgendwie nicht so richtig dazu. Und dazu noch ein Geschäftsführer aus Köln. In „Veijda“ ist das aber der Fall – und wohl auch das Geheimrezept für eine süffige Zukunft.
Markus Grüsser ist der Bierkönig
Neuzeitlicher Bierkönig von Viechtach ist Markus Grüsser. Im Oktober 2018 hat der 58-jährige Rheinländer die Brauerei gekauft. Zunächst mit zwei weiteren Partnern, die aber inzwischen ausgeschieden sind – und durch Julio Kemenyfy (Kemco GmbH), einem in Regensburg lebenden gebürtigen Venezolaner, als Mit-Gesellschafter ersetzt wurden. „Ich bin eigentlich mit Bier aufgewachsen“, erklärt Grüsser. Er meint damit natürlich nicht, dass er schon im Kindesalter Alkohol konsumiert hatte. Sondern vielmehr, dass die Berührungspunkte zur Getränkebranche immer schon da waren.
Er arbeitete für viele unterschiedliche Produzenten, später machte er sich selbstständig. „Ich habe kleine Brauereien beraten und auch wirtschaftlich saniert.“ Sein großer Traum war es dabei stets, selber einmal Bier herzustellen. Per Zufall erfuhr er schließlich, dass die Gesellschaftsbrauerei Viechtach zu haben wäre – und schlug sogleich zu. Wobei das nicht ganz stimmt. „Erst einmal haben meine Freunde und ich deren Bier probiert. Und ausnahmsweise waren alle begeistert“, erinnert sich Markus Grüsser, der nach dem Motto „Geschmack vor Kaufpreis“ investieren wollte.
„Reich wird man nicht“
Mit ihm schlug das Bier aus „Veijda“ ein neues Kapitel auf. Denn erstmals übernahm eine Einzelperson die Führungsposition. 1553 wurde der Betrieb von den ortsansässigen Gastronomen gegründet, die all das, was sie ausschenken, selber herstellen wollten. Dazu zählten unter anderem das Gasthaus Iglhaut in Viechtach oder der Burggasthof in Kollnburg, die noch heute bestehen. Aufgrund jener vielzähligen Beteiligung bekam die Brauerei den Zusatztitel „Gesellschaft“, was soviel wie „Genossenschaft“ bedeutet. „Wenn man so will, kann man auch Aktiengesellschaft dazu sagen“, erklärt der jetzige Chef.
Noch heute stellt er sich oft die Frage, warum er überhaupt den traditionsreichen Betrieb übernommen hat. Denn der 58-Jährige verließ deshalb extra seine Heimat und siedelte in den Woid über. Aktuell wohnt er noch in Traitsching (Landkreis Cham), perspektivisch ist jedoch ein Umzug nach Viechtach vorgesehen. Zudem überstrahlte die Leidenschaft für die Materie sein wirtschaftliches Denken, „weil reich wird man nicht mit einer Brauerei“. Und – praktisch als Schaumkrone oben drauf – befand sich der Betrieb – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade im allerbesten Zustand. Sowohl in puncto Innenleben, als auch in Sachen baulicher Infrastruktur.
Corona, Inflation und eine spürbare Kaufzurückhaltung
Fünf Millionen Euro hat Grüsser eigenen Angaben zufolge seit seiner Übernahme vor fünf Jahren investiert. Mitunter wurde die Sudhaus-Steuerung erneuert, neue Getränkekisten wurden angeschafft sowie Leitungen, Ventile, Rohre und Dichtungen ausgetauscht. „Allein der Kauf einer neuen Kältemaschine verschlang 750.000 Euro“, rechnet der Geschäftsführer vor. Große Ausgaben – und das in Zeiten von Corona sowie einer darauf folgenden hohen Inflation, die eine spürbare Kaufzurückhaltung auslöste. Doch es musste was getan werden, um Perspektiven zu schaffen für die 18 Mitarbeiter.
Auch die Produktpalette wurde erweitert. „Freilich“, betont der 58-Jährige, „sind Klassiker wie Helles, das Urhell-Export, Weizen, Pils, Festbiere, Limo und Spezi gleich geblieben. Sie sind ja unser Wiederkennungswert.“ Diese Produkte werden auch in großer Anzahl vertrieben. 20.000 Hektoliter sind es im Jahr. Tendenz: sinkend. Eben wegen des schmaleren Geldbeutels. Es müssen deshalb neue Ideen her, die neue Kunden anlocken. „Man muss kreativ sein.“ Ein Vorsatz, den Markus Grüsser umgesetzt hat.
Weiteres Crowdfunding geplant
Ein spezielles Frühlingsbier („Frühlingsgenuss“) wurde eingeführt. Zudem der Winterbock „Schwarzer Regen“, der in Anlehnung an die böhmische Brautradition mit etwas Zucker versetzt ist. Doch der wohl größte Stolz von Grüsser ist das Bier namens „Wilder Wald“. Dieses alkoholische Getränk bringt die Liebe des Rheinländers zur neuen Heimat zum Ausdruck, wie er sagt: „Ich fühle mich hier rundum wohl. Auch wenn es mit dem Dialekt ab und an noch hapert.“ Zum „Wilder-Wald“-Bier, das auf den Nationalpark Bayerischer Wald zurückzuführen ist, gibt es auch einen Film und ein Buch. Filmemacherin Lisa Eder und Buchautorin Alexandra von Poschinger sind mit im Sudkessel bzw. Boot.
Die Gesellschaftsbrauerei Viechtach besitzt eine große Tradition, so viel steht fest. Sie ist aber – dank Markus Grüsser – inzwischen auch auf modernen Pfaden unterwegs. Und da sind wir auch schon bei der Crowdfunding-Aktion. Eine erste Kampagne, die sich überaus erfolgreich gestaltete, wurde 2021 durchgeführt. Sie hat dazu beigetragen, dass die dringend nötige Sanierung schneller vonstatten gehen konnte.
Nun ist eine weitere Schwarmfinanzierung geplant: Es soll die Anschaffung eines neuen Heizsystemes (Kosten zirka: 1,5 Millionen Euro) unterstützen. „Wir wollen klimaneutral werden. Nicht, weil wir besonders grün sind. Sondern weil wir ein Naturprodukt haben und etwas an die Natur zurückgeben wollen.“ Angesichts dieser nachhaltigen Gedanken der Brauerei-Führung schmeckt das Bier doch gleich noch einmal so gut, oder? Jedenfalls: Prost!
Helmut Weigerstorfer