Viechtach. Voller Stolz stiftete „Konrad der Nußberger zu Neunußberg“ im Jahr 1350 den Viechtachern ein Spital. In Zeiten, in denen die medizinische Versorgung noch weit entfernt von jeglichen Standards lag, stellte die Errichtung eines Krankenhauses eine außerordentliche Besonderheit dar – vor allem im ländlichen Raum. Außergewöhnlich ist jenes Bauwerk noch heute – vor allem seit Olli Zilk in dem historischen Gemäuer das Zepter schwingt. Der 45-Jährige aus Bad Kötzting fällt jedoch nicht durch treffsichere Diagnosen oder herausragende Operationstechniken auf. Der Oberpfälzer hat das Spital einer kulturellen Metamorphose unterzogen – und den altersschwachen Leerstand somit wiederbelebt.
„Für Viechtach ist es ein wahrer Glücksgriff, dass Olli Zilk im Alten Spital, im ältesten Gebäude Viechtachs, eine Kulturbühne geschaffen hat, wie sie selbst in Großstädten kaum zu finden ist“, freut sich Monika Häuslmeier, Leiterin der örtlichen Touristinfo. „Das umfangreiche Programm – mit häufig auch internationalen Künstlern – begeistert in ungezwungener Atmosphäre unzählige Kulturfreunde aus nah und fern.“ Was hat Olli Zilk genau gemacht hat, um für derartige Lobeshymen zu sorgen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man etwas weiter ausholen.
Endgültiger Cut: „Ich wollte wieder was alleine machen“
Geboren in Bad Kötzting, hatte Olli Zilk nach bestandenem Abitur zunächst Medienkünste in London studiert. Der Waidler wollte sich nach seiner akademischen Grundausbildung im Radiobereich einen Namen machen. Nebenbei war er als DJ unterwegs – unter anderem mit Auftritten auf Ibiza – und moderierte das BR-Szenemagazin „Zündfunk“ , eine seit den 70er Jahren im Radio ausgestrahlte Jugendsendung. Eine steile Karriere schien also vorprogrammiert. Letztlich zog er jedoch das Familienleben dem beruflichen Erfolg vor – und kehrte in seine Heimat zurück, um bei seiner Frau und den beiden Kindern zu sein. „Ich hab mir dann einen Job gesucht, in dem ich ein regelmäßiges und fixes Gehalt bekomme, um meiner Verantwortung gerecht zu werden“, blickt er heute zurück.
Er landete schließlich als Redakteur beim Münchener TV-Sender Pro7, wo er für die Bearbeitung der Spielfilme (u.a. die James-Bond-Reihe) zuständig war. Eine Arbeit im stillen Kämmerlein, die Olli Zilk alles andere als erfüllte. Seine kreative Ader blieb während dieser Zeit – bis auf seine Gigs als DJ – weitestgehend auf der Strecke. Dienst nach Vorschrift lautete die Devise. Dass er aus diesem so beengenden Berufskorsett irgendwann wieder ausbrechen würde, war für ihn nur eine Frage der Zeit. Vor zwei Jahren dann erfolgte der endgültige Cut: „Ich wollte wieder was alleine machen.“ Olli Zilk pachtete den Kötztinger Bahnhof, funktionierte ihn zur Kulturbühne um. Es folgten 100 Konzerte in acht Monaten.
Hickhack um den Kötztinger Bahnhof
Der Laden brummte, die Gäste waren zufrieden. Doch sein Lauf wurde vom beabsichtigten Verkauf des Gebäudes ausgebremst. Zunächst sah es danach aus, dass Kulturmacher Zilk die Räumlichkeiten verlassen müsse. Letztlich konnte er sich dann doch mit dem bisherigen Eigentümer, der Stadt Bad Kötzting, auf einen Preis einigen – und erwarb den Bahnhof. „Derzeit ist er aber geschlossen – wir bauen um“, spricht er über seine Zukunftspläne im Kurort. Fast zeitgleich mit jenem Hickhack meldete sich Christian Zeitlhöfler, damals dritter Bürgermeister von Viechtach, bei ihm: „Ich habe Olli das Spital gezeigt, weil mir eine kulturelle Nutzung für das Gebäude vorschwebte. Das Hauptziel war es zu beweisen, dass man aus dem ältesten Haus der Stadt etwas machen kann. Nun muss die Stadt Investitionen anpeilen, um das Leben im Gebäude zu halten – der kürzlich wiederbelebte Förderverein will hierbei unterstützen.“
Zwar präsentierte sich das Spital als „Leerstand, als Sanierungsfall“ – dennoch war Olli Zilk schnell vom Charme des historischen Gemäuers, das er bis dato „nur provisorisch“ betreibt, angetan. Die Bühne in der 1597 erbauten Kapelle sorge für eine einzigartige Akustik, die altehrwürdigen Räumlichkeiten würden eine unvergleichliche Atmosphäre verbreiten, schwärmt der Bad Kötztinger. „Vom früheren Krankenhaus merkt man fast gar nichts mehr – von der langen und bewegeten Historie des Hauses hingegen ist immer noch viel zu spüren.“ Seit Mitte des Jahres hat der 45-Jährige dort rund 80 Konzerte organisiert. Internationale Bands gehören dabei genauso zu seinen Gästen wie Newcomer und Geheimtipps – von Klassik über Punk und Ska bis hin zu Reggae und Blues. „Wir haben alles – außer Mainstream.“
„Nichts, wovon man reich wird. Aber das Leben wird reicher“
Als Wirt möchte er nicht bezeichnet werden – dieser Begriff sei unzutreffend, da seine Tätigkeit um einiges vielfältiger sei. Er ist Geschäftsführer, Restaurantleiter, Programmchef – genauso wie Herbergsmutter. Denn viele Musiker und Kabarettisten, die auf der Kulturbühne Spital auftreten, nächtigen bei ihm zu Hause. Frühstück inklusive. „So lässt sich viel Geld sparen“, rechnet Olli Zilk vor. Der Eintritt ist für alle Gäste meistens umsonst. Die Gagen finanziert er über Spenden, der Erlös aus dem gastronomischen Angebot ist sein Gehalt. „Das ist nichts, wovon man reich wird. Aber das Leben wird reicher“, berichtet er. Seine Kinder sind längst aus dem Haus, von seiner Frau lebt er heute getrennt. Zeit genug also, sich in die kulturelle „Arbeit“ zu stürzen.
Fast jeden Abend ist er in Viechtach zugange, hinzu kommen die Umbauarbeiten in Bad Kötzting. Ein echter Fulltime-Job. Dauerstress, den Olli Zilk aber gerne auf sich nimmt. Zum einen kann er sich mit seinen Kulturbühnen selbst verwirklichen. Zum anderen entschädigt ihn der positive Zuspruch der Gäste für seine Mühen. Olli Zilk ist stolz auf das, was er und seine Mitstreiter geschaffen haben. Genauso stolz wie Konrad der Nußberger zu Neunußberg, als er vor mehr als 650 Jahren den Viechtachern ein Krankenhaus schenkte.
Helmut Weigerstorfer