Zwiesel. Der ganz große Knall ist ausgeblieben – zumindest wenn man die bundesweite Aufmerksamkeit als Maßstab nimmt. Nicht „Grand Dame“ Gloria Gray ist Nachfolgerin von Franz Xaver Steininger (FXS) im Zwieseler Rathaus geworden, sondern Karl-Heinz Eppinger. Der SPD-Mann überholte die parteifreie Kreisrätin, die nach dem ersten Wahldurchgang noch vorne lag, doch noch – und konnte sich mit 53,97 Prozent durchsetzen. Was bedeutet das nun für die von Krisen gebeutelte Glasstadt, die in den vergangenen Jahren mit kommunalpolitischem Hickhack für Schlagzeilen sorgte? Hat sie eine große Chance für einen Neustart verpasst? Oder kehrt nun endlich Ruhe ein?
Was die Außenwirkung betrifft, hätte Gloria Gray – zumindest kurzfristig – wohl mehr erreicht für Zwiesel. Wäre die Entertainerin mit trans-identitärer Vergangenheit zur Bürgermeisterin gewählt worden, wären heute bundesweit die Gazetten voll mit dem Konterfei des blonden Paradiesvogels gewesen. Allen voran natürlich die Boulevard-Blätter, die natürlich schillernd und bunt mit der schillernden und bunten Rathaus-Chefin aufgemacht hätten. Diese Gratis-Werbung für Zwiesel in millionenfacher Auflage bleibt also aus. Genauso Grays Ideen vom Streichel-Zoo im Stadtpark, der „Z-Town“ für Jugendliche oder dem schönsten Bushäusl im Bayerwald. Sie hätte wohl vieles so angepackt, wie es für eine Bürgermeisterin wohl eher unüblich gewesen wäre (Stichwort: Frischer Wind!). Allerdings: Ist das nun gut oder schlecht?
Haben die Zwieseler den Glauben an ihre Stadtpolitik verloren?
Während weit über die Regener Landkreisgrenzen hinaus seit dem ersten Wahldurchgang am 4. Dezember das mediale Rampenlicht eben wegen Gloria Gray auf die Glasstadt gerichtet war, hatten die Bürger selbst offensichtlich nur wenig Interesse daran zu bestimmen, wer künftig die Zügel in ihrer Kommune in der Hand hält. Bei der Stichwahl lag die Wahlbeteiligung nur bei 57,05 Prozent – und wies somit einen ähnlich schwachen Wert wie vor zwei Wochen (61,02 Prozent) auf. Haben die Zwieseler den Glauben nach der FXS-Ära an die Stadtpolitik endgültig verloren? Oder war das personelle Angebot derart unattraktiv, dass es keiner in Anspruch nehmen wollte? Darüber darf spekuliert werden.
Nun also Karl-Heinz Eppinger. Auf den ersten Blick die solidere Lösung, die ähnlich wie seine Mitbewerber Kagerbauer, Schlüter und Haase im sportlichen Bereich beheimatet ist. Der 50-Jährige braucht sich nun jedenfalls nicht mit unzähligen, nach Sensationen gierenden Journalisten von Irgendwoher auseinandersetzen. Er kann sich bis zum Start als Rathaus-Chef am 23. Februar 2022 voll und ganz auf die da kommenden Kernaufgaben einstimmen und sich überlegen, wie er seine Ziele umsetzen kann. Allerdings: Ist das nun gut oder schlecht?
Also doch ein Neustart?
Antworten auf die Fragen, die sich nach der Zwiesel-Wahl auftun, wird es erst nach einiger Zeit geben. Politische Erfahrung hat Karl-Heinz Eppinger wenig bis gar nicht vorzuweisen – noch weniger als Gloria Gray, die immerhin dem Kreisrat angehört. Zwiesel hat sich scheinbar bewusst dafür entschieden, auf „Stallgeruch“ zu verzichten, den vor allem Jens Schlüter verbreitet hätte. Also gibt’s mit Karl-Heinz Eppinger nun doch einen Neustart? Oder tatsächlich eine verpasste Chance?
Helmut Weigerstorfer