München/de ganze Weijd. Das Oktoberfest ist Bayern im Brennglas. Zumindest propagieren das die Verantwortlichen und Wirte gerne. Während der gut zwei Wochen im September sollen bayerische Werte und die Kultur des Freistaats auf der Münchener Theresienwiese gelebt werden. Zur Wiesn gehören bekanntermaßen eine Lederhose, ein Dirndl, ein Bierzelt, eine Brezn, ein Hendl, eine frische Maß Bier und – natürlich! – eine schneidig-aufspielende Blasmusik. Das abendliche Wiesn-Aus für die Kult-Kapelle Josef Menzl ist daher eine mehr als deftige Watschn. Lieber Partykracher als Marschmusik und Polka? München ist nicht Mallorca! Die Wiesn ist nicht der Ballermann! Oder, um es auf gut Bairisch auszudrücken: Do feids vom Boa weg!
Blasmusik, in diesem Falle die Kapelle Josef Menzl, sei langweilig, fanden viele Besucher des Festzelts „Bräurosl“ nach dem ersten Wiesn-Wochenende – und jagten ihren Unmut über zu wenig Stimmung hinaus in die „soziale“ Medienwelt. Es setzte zudem eine Vielzahl von negativen Google-Bewertungen für die bekannte Bierhalle. „Zwölf Stunden Blasmusik ist wirklich unerträglich, die Stimmung war am Boden“, ist dort unter anderem zu lesen.
Bier predigen, Wasser saufen
Festwirt Peter Reichert beugte sich dem viralen Haberfeldtreiben und bestimmte, dass die Menzl-Truppe abends in seinen vier Planen-Wänden nicht mehr aufspielen wird. Nur noch nachmittags sei dies ab sofort gestattet. Der Ersatz zur besten Zeit: eine Cover-Partyband mit bekannten Gassenhauern. Wrummms! Bier predigen – und Wasser saufen. Es ist, als würde der TSV 1860 München seine Elf aus dem Grünwalder Stadion werfen – und stattdessen der Show und des Kommerzes wegen Helene Fischer oder Micky Krause auf dem „heiligen Rasen“ rumturnen lassen…
Der Beweis: Die Kapelle Josef Menzl, generell Blasmusik, kann Stimmung!
Was ist nur aus dieser Wiesn geworden? Dem Vorbild-Volksfest schlechthin. Wie in so vielen anderen Bereichen der Wirtschaft auch, geht es nicht mehr darum, gewisse Werte zu leben – sondern einfach nur (Betonung auf: nur!) um Profit und Konsum. Und wenn es die Mehrheit (war es diese überhaupt?) will, dann tritt man gewisse Traditionen eben einfach mal schnell mit Füßen. Was 100 Jahre gut war, ist plötzlich schlecht. Was zusammengehört wie Monaco Franze und Helmut Fischer, muss auf einmal getrennt werden – man will ja „modern“ bleiben und mit der Zeit gehen. Und was kommt als nächstes? Muss der Viktualienmarkt demnächst einer hyper-angesagten Fast-Food-Kette weichen, weil diese gerade „in“ ist? Ist das Münchener Kindl nicht längst erwachsen geworden? Man wird sehen – beziehungsweise: der Internet-Mob entscheidet…
Kommentar: Helmut Weigerstorfer