Schönbrunn am Lusen. Eigentlich sollte 2020 mit dem Reißen der magischen 400-Schüler-Marke als Rekord-Jahr in die Annalen des 2011 gegründeten DH-Musikservice eingehen. Nun ist es aber wahrscheinlich so, dass die private Musikschule von Dominik Hilgart ihr Zehnjähriges erst gar nicht mehr erleben wird. „Eigentlich war der erste Lockdown im Frühjahr schon gleichbedeutend mit meinem Ende“, gibt der Firmenchef ohne Umschweife zu. „Irgendwie haben wir diese Krise dann aber doch noch überstanden.“ Als es langsam wieder aufwärts ging und sich der Betrieb nach und nach vom ersten Schock erholte, folgte der zweite. Wie bereits zu Beginn dieses vermaledeiten Corona-Jahres kann auch an dessen Ende kein praktischer Unterricht stattfinden.
Dass das Coronavirus gefährlich ist, will der 30-Jährige überhaupt nicht bestreiten. Er stört sich allerdings an den unterschiedlichen Herangehensweisen der Politik an die Eindämmung der Pandemie. „Warum kann ich eine völlig unrelevante Lichterkette in einem Geschäft kaufen? Warum ist es aber auf der anderen Seite nicht erlaubt, Musikunterricht abzuhalten?“, stellt sich Hilgart Fragen, auf die er wohl keine Antworten bekommen wird – und betont, dass es sich beim Unterricht im Gegensatz zum Kauf der Lichterkette um einen wichtigen Teil der Persönlichkeitsentwicklung handle. Es ist diese Machtlosigkeit, die ihn in diesen Tagen beinahe zur Verzweiflung bringt. „Warum kann ich mir zurzeit eine Gitarre kaufen, aber das Instrument nicht erlernen?“
Plätze wurden frei – konnten aber nicht nachbesetzt werden
Um nach dem Lockdown im Frühjahr wieder unterrichten zu dürfen, hatte der Musikschulleiter ein umfangreiches Hygiene- und Abstandskonzept aufgestellt. So waren zuletzt nur noch Einzelkurse möglich, um Kontakte so weit wie möglich zu beschränken. Außerdem wurden zwischen den Stunden ausreichende Zeitpuffer zum Lüften und Desinfizieren eingeplant. Für Bläsergruppen machte er Räume ausfindig, um einen Abstand von jeweils fünf Metern zwischen den einzelnen Akteuren zu ermöglichen. „In manchen Zimmern haben wir sogar zwei Klaviere aufgestellt, um zu verhindern, dass zwei Schüler hintereinander dasselbe Instrument benutzen müssen.“ Langsam aber sicher lief der Betrieb wieder an, wenn auch die erste coronabedingte Pause im Frühjahr dafür gesorgt hatte, dass viele Kinder und Jugendliche ihr Hobby nicht mehr weiter nachgehen wollten. Ihnen fehlte einfach die Perspektive. Denn: Wer ein Instrument lernt, will auch auftreten – doch das ist bald seit einem Jahr nicht mehr möglich.
„In den vergangenen Jahren war es so, dass wir die frei gewordenen Plätze relativ einfach wieder besetzen konnten“, blickt Dominik Hilgart zurück. „Durch die strengen Vorschriften in den Schulen war es uns heuer aber nicht möglich, dort für uns zu werben, weshalb wir praktisch keine Neuanmeldungen verzeichnen können.“ Natürlich hat der Schönbrunner die betriebswirtschaftliche Entwicklung seines Betriebs, der unter der Pandemie extrem zu leiden hat, stets im Auge. Er sorgt sich aber gleichwohl um die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sowie um den Fortbestand der vielen traditionellen Blaskapellen im Bayerischen Wald. „Selbst Experten betonen immer wieder, wie wichtig eine musische Erziehung für Heranwachsende sei. Doch diese ist derzeit einfach nicht möglich. Somit fehlt auch den Blaskapellen, die ohnehin mit Personalproblemen zu kämpfen haben, der Nachwuchs.“
„Vorsichtshalber werde ich mal Bewerbungen schreiben“
Natürlich haben Hilgart und seine sechs freiberuflichen Lehrer, die nun ebenfalls „in der Luft hängen“, versucht, auf Online-Unterricht umzustellen. Ein Angebot, das nur bedingt angenommen werde, da es bei Ensembles, Gruppen und Bands einfach nicht möglich ist, virtuell zu proben. Einige „Ausreißer“ sorgen jedoch dafür, dass nicht der komplette Umsatz weggebrochen ist – und der DH-Musikservice deshalb aber auch nicht auf staatliche Hilfen zurückgreifen kann. „Viele Eltern sind so kulant und bezahlen mich auch ohne Gegenleistung, um diese schwierige Phase zu überbrücken. Wäre das nicht der Fall, wäre es sowieso schon lange vorbei. Weil mich so viele unterstützten, kann ich das Online-Angebot auch nicht einfach streichen. Ich bin es ja irgendwie schuldig.“ Eine moralische Zwickmühle, die zur Folge hat, dass die private Musikschule genauso wie Dominik Hilgart persönlich vor dem finanziellen Kollaps stehen.
„Es ist im Rückblick vielleicht ein Fehler, zwei Standbeine innerhalb einer Branche zu haben. Doch wer denkt denn an so ein Jahr wie 2020?“, beklagt der 30-Jährige, der auch als Teil der „Taylor Boys“ sein Geld verdient. Genauso wie sein Betrieb vor einem Rekord-Jahr stand, wären auch heuer wieder etliche Live-Auftritte möglich gewesen. „Ich habe extra meine Unterrichtsstunden etwas zurückgefahren, weil wir fast jedes Wochenende mit den Taylor Boys gebucht worden sind“, verdeutlicht Hilgart. „Doch diese Idee ist eindeutig nach hinten losgegangen.“
Alles in allem blickt der staatlich geprüfte Musiklehrer einem sorgenvollen Jahreswechsel entgegen. Ein, zwei Monate noch könne er sich und den DH-Musikservice „irgendwie über Wasser halten“- das Ersparte müsse er dafür opfern. „Vorsichtshalber werde ich aber demnächst ein paar Bewerbungen schreiben. Sicher ist sicher.“
Helmut Weigerstorfer