Bad Kötzting. Dass sich da Woid immer mehr zu einem Sammelbecken kreativer Köpfe und außergewöhnlicher Ideen entwickelt, dürfte längst die Runde gemacht haben. Der 22-jährige Jungschauspieler Johannes Berzl aus Rimbach im Landkreis Cham ist einer von diesen Bayerwald-Juwelen, die langsam aber stetig an die Oberfläche treten. Der Blondschopf mit den markanten Gesichtszügen, die an Hollywood-Star Ron Perlman erinnern, mimt den „Lotto-Otto“ im neuen Eberhofer-Krimi „Guglhupfgeschwader„. Hog’n-Autorin Melanie Zitzelsberger traf sich exklusiv mit ihm zum Interview im „Goggolori“, einer Bad Kötztinger Gastro-Institution, wo er nebenbei auch als Kellner jobbt.
Servus Johannes! Erzähl unseren Lesern doch zunächst einmal von deinem Aufwachsen in Rimbach und dem ungewöhnlichen Wunsch, Schauspieler zu werden.
Ich habe eine ganz normale Kindheit und Jugend verbracht (lacht), hab am Gymnasium in Bad Kötzting Abitur gemacht und schon als kleiner Junge gesagt, dass ich später mal für Film und Fernsehen arbeiten möchte. Der Wunsch war praktisch schon da, seitdem ich denken kann.
„Meine Hartnäckigkeit wurde zum Glück schon oft belohnt“
Gibt es da familiäre Prägungen?
Nein, überhaupt nicht. Niemand aus meiner Familie arbeitet in der Medien- oder Filmbranche.
Wie war die Reaktion deiner Familie, als sie von deinem Berufswunsch erfuhr?
Total positiv. Es gab von Anfang an viel Unterstützung und alle freuen sich mit mir über meine Erfolge.
Gibt es auch einen Plan B, falls der Traum von der großen Karriere platzt?
Klar! Plan B sollte man auf jeden Fall in petto haben. Ich studiere in Regensburg Medienwissenschaften, ein sehr breit gefächertes Berufsfeld, in dem sich viele Möglichkeiten bieten, für Fernsehen oder Film zu arbeiten. Durch verschiedene Praktika kann man schon bei Sendern oder Produktionsfirmen anklopfen und Verbindungen knüpfen. Hier kann man hinter die Kulissen schauen.
Um Schauspieler zu werden, braucht man viel Talent, aber sicherlich auch noch andere entscheidende Eigenschaften. Welche?
Ehrgeiz und Hartnäckigkeit sind elementar. Ich bin für beides bekannt (lacht), aber ohne geht’s halt nicht in dieser Branche. Die Konkurrenz ist gewaltig und man muss immer am Ball bleiben. Meine Hartnäckigkeit wurde zum Glück schon oft belohnt. Genauso wichtig ist ein umfassendes Netzwerk.
Zwei wertvolle Mentoren
Wie sieht es denn mit deinem Netzwerk aus? Gab es für dich wegweisende Mentoren oder Unterstützer?
Ja, definitiv. Meine wichtigsten Mentoren und Unterstützer waren und sind Thomas Stammberger (Theater- und Fernsehregisseur („Dahoam is Dahoam„), gebürtiger Bad Kötztinger – Anm. d. Red.) und seine Frau und Schauspielerin Gabrielle Odinis.
Wie seid ihr miteinander in Kontakt gekommen?
Das war recht witzig. Ich habe hier im Goggo gearbeitet und gerade Tiramisu runtergeschnitten, als ich Thomas am Telefon hörte, dass er über Schauspieler und Produzenten sprach. Ich dachte mir, der Mann muss aus der Filmbranche kommen. Ich hatte ihn nicht gleich erkannt. Also bin ich in meiner direkten Art (lacht) zu ihm an den Tisch gegangen, hab mich vorgestellt und gesagt, dass ich gerne Schauspieler werden möchte und ob er mich da unterstützen könne.
Wir sind ins Gespräch gekommen – und dass wir beide aus derselben Gegend stammen, verbindet natürlich auch. Er hat mich sogleich an seine Frau Gabrielle Odinis verwiesen. Sie ist nun meine Managerin, Mentorin und mein Coach. Glücklicherweise denkt sie bei Rollenvergaben an mich und stellt mich wichtigen Leuten vor. Durch Gabrielle konnte ich mein Netzwerk weiter ausbauen. Beiden hab ich so viel zu verdanken. Sie stehen definitiv hinter meinem Erfolg.
Wie arbeitest du mit Gabrielle Odinis?
Seit Anfang 2020 arbeite ich mit ihr zusammen. Wir treffen uns regelmäßig in München und ich nehme Unterricht bei ihr. Sie ist Profi und kennt alle Facetten des Schauspielberufs. Gabrielle hat mich für das Eberhofer-Casting gecoacht und mich auf den späteren Dreh vorbereitet. Sie zeigt mir, wie ich mir Texte am besten einprägen kann, wie ich einen Charakter authentisch rüberbringe, wie ich eine Rolle überhaupt erschaffe. Außerdem sind da wieder die wertvollen Kontakte, über die sie verfügt – und von denen ich auch profitiere.
„Ich erschaffe mir den Charakter im Kopf“
Stichwort Authentizität. Das ist ja das Wichtigste, damit wir als Zuschauer dem Mimen die Rolle auch abnehmen, richtig?
Absolut. Der Charakter muss glaubwürdig sein. Schauspielerei hat ganz viel oder vor allem mit Mentaltraining zu tun. Es gibt vielfältige Methoden, um in eine Rolle zu schlüpfen – und nicht den einen, richtigen Weg. Jeder muss seine Methode finden, mit der er am besten zurechtkommt und die dem eigenen Charakter entspricht.
Ich persönlich mache es so, dass ich mich gedanklich in diese Person hineinversetze – die Körpersprache folgt dann automatisch. Das hört sich jetzt einfach an, ist aber ein langer, oft schwieriger Prozess. Ich versuche, wie diese Person zu denken, die Welt so wie sie zu sehen. Viele Schauspieler denken zum Beispiel an ein schreckliches Ereignis aus ihrem Privatleben, damit sie weinen oder entsprechend agieren können. Ich blende meine eigene Person und mein Privatleben völlig aus und versuche nur noch in der fremden Person zu denken und zu fühlen. Ich erschaffe mir den Charakter im Kopf.
Gibt es Leute aus der Filmbranche, die dich stark beeindruckt haben beziehungsweise beeindrucken?
Oh ja! Einer der beeindruckendsten Menschen, die ich je getroffen habe, ist Stefan Ruzowitzky, österreichischer Filmregisseur und Drehbuchautor, der 2008 für seinen Spielfilm Die Fälscher mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wurde. Ich bin extra nach Wien gefahren, um ihn zu treffen.
Die Film- und Fernsehwelt ist ein Metier, in dem harter Wettbewerb und starke Konkurrenz herrschen. Welche konkreten Schritte hast du bereits unternommen, um dich als Schauspieler zu etablieren?
Ich habe eine PR-Beraterin und eine Schauspiel-Agentur. Die PR-Agentur verfügt über ein unglaubliches Netzwerk, bringt mich bei Pressevertretern ins Gespräch, vereinbart Interviews und Fotoshootings, organisiert Einladungen zu Premieren und wichtigen Events uvm. Sie vermittelt mir keine Rollen, hier geht es um das Netzwerken, das in dieser Branche unabdingbar ist. Meine Agentur namens Unit One (Eisi Gulp oder Siggi Zimmerschied sind hier auch unter Vertrag – Anm. d. Red.) schlägt mich für mögliche Projekte vor und vernetzt mich mit Castern. Hier möchte ich natürlich auch meine Casterin Franziska Aigner erwähnen, die mich speziell für den Eberhofer entdeckt hat.
Johannes Berzl alias Otto Feistl aka „Lotto-Otto“
Wie ergattert man denn eine Rolle?
Es gibt zahlreiche Internetforen mit Rollenausschreibungen. Studenten der Filmhochschule suchen beispielsweise häufig Schauspieler für ihre Projekte, auch der Amateurbereich sucht immer wieder Leute. So hab ich angefangen. Ich habe Kurzfilme mit Hobbyregisseuren gedreht. Das ist wichtig, damit man bei den Castern etwas vorweisen kann. Anhand dieses Filmmaterials kommt man dann zum Beispiel in die engere Auswahl für eine Rolle oder wird aufgrund dessen überhaupt erst zum Casting eingeladen. Nach einigen Kurzfilmen kam dann 2019 mein erster Kinokurzfilm: Grau ist keine Farbe. Es geht dabei um das Thema Depression. Die Bestatterin war dann mein erster Spielfilm.
Am 4. August läuft der neue Eberhofer-Krimi „Guglhupfgeschwader“ in den deutschen Kinos an. Du spielst eine der Hauptrollen, den „Lotto-Otto“. Was darfst du schon über die Story verraten?
Ich spiele Otto Feistl, den Lotto-Otto, der mit seiner Mutter einen Lotto-Laden in Niederkaltenkirchen betreibt. Er sieht nicht nur verrückt aus, sondern stellt auch verrückte Sachen an, also ist mit ihm immer was los (lacht). Er hat Spielschulden und wird von Geldeintreibern bedroht und der Kiosk fliegt sogar noch in die Luft… Es wird wieder spannend, unterhaltsam und natürlich gibt‘s viel zu lachen. Ein Eberhofer halt (lacht).
Wie erging es dir als Neuzugang in der Eberhofer-Familie?
Sehr gut. Alle – angefangen von den Schauspielern bis hin zu den Caterern – waren total nett zu mir. Ich habe mich überhaupt nicht als Neuling gefühlt, sondern sofort sehr wohl. Am Set herrschte eine lockere und freundliche Atmosphäre. Alle sind per Du, es wird viel gewitzelt und gelacht. Auch Regisseur Ed Herzog ist locker und freundlich. Niemand hatte irgendwelche Starallüren. Die ganze bunte Truppe hat es mir sehr leicht gemacht, anzukommen.
Bezzel und Schwarz – ein echtes Dreamteam
Es war sicher nicht einfach, an die Rolle des Lotto-Otto zu kommen, oder?
Das Filmmaterial, das ich schon hatte, wurde an die Caster geschickt und ich wurde zum Casting nach Berlin eingeladen, das aus mehreren Runden bestand. Hier war Die Bestatterin ein absoluter Türöffner. So ist das oft. Eine Rolle oder ein Kontakt kann viel positive Folgen haben. Schließlich habe ich es bis in die Endrunde geschafft und die Rolle bekommen. Ich konnte es anfangs kaum glauben. Ich war einfach nur überwältigt und überglücklich. Eine Episodenhauptrolle in DEM bayerischen Kultkrimi schlechthin. Einfach nur: Wow!
Natürlich interessiert unsere Leserinnen und Leser brennend, wie der Eberhofer und der Birkenberger privat so sind? Spielen sie sich selbst? Diesen Eindruck hat man von ihnen.
Sebastian Bezzel und Simon Schwarz sind supernett. Sie sind entspannte und witzige Typen, mit denen ich eine tolle Zeit am Set hatte. Sie sind umgänglich, immer zu einem Späßchen aufgelegt, haben keine Starallüren und sind absolute Profis. Wir waren im gleichen Hotel untergebracht, haben gemeinsam Abend gegessen, ein Bierchen getrunken und dann ging’s ab ins Bett – am nächsten Tag war ja wieder Arbeit angesagt.
Verstehen sich die beiden privat auch so gut wie im Film?
Sebastian und Simon sind privat eng miteinander befreundet. Sie schießen sich gegenseitig gerne hoch und lachen viel zusammen. Ein echtes Dreamteam eben (lacht).
Hochdeutsch als zweite Fremdsprache?
Sprechen wir über unseren Dialekt, der in der Filmwelt eher Türen schließt als öffnet. Kannst du schon Hochdeutsch sprechen oder bist du noch in Ausbildung?
Tatsächlich arbeite ich mit einem Sprecherzieher, um Hochdeutsch zu lernen. Mein Ziel ist es, dialektfrei sprechen zu können, damit ich nicht ausschließlich auf bayerische Rollen festgelegt bin.
Ich stelle es mir nicht ganz einfach vor, Hochdeutsch zu lernen, wenn man Dialektsprecher ist.
Ja, es ist definitiv eine Herausforderung, obwohl es meine Muttersprache ist. Ich lerne ja keine Fremdsprache neu, sondern meine Muttersprache quasi neu. Ist nicht ganz einfach, weil auch die Sprachpraxis fehlt, aber ich bin guter Dinge. Des werd scho… (lacht)
Ist es für dich seltsam, wenn du dich im Fernsehen oder auf der Leinwand siehst?
Nein, das ist völlig okay. Ich bin da eher kritisch mit mir. Passt die Szene so? Ich sehe mich mit fachlichen Augen.
Gab es je einen unvergesslichen Moment für dich als Schauspieler?
Ja, da gab es tatsächlich diesen einen Moment. Wir hatten einen Nachtdreh in Tschechien für den Eberhofer-Krimi. Es war eine sehr emotionale Szene und in der Drehpause bin ich rausgegangen und dachte mir: Wow! Ich bin hier irgendwo in Tschechien und lebe meinen Traum. Ich war so voller Dankbarkeit und hätte den Moment am liebsten ganz lange festgehalten.
„Dann lebe ich meinen Traum…“
Welches Ziel verfolgst du für deine Zukunft?
Mein Ziel und Wunsch ist es, von der Schauspielerei leben zu können. Wenn das der Fall ist, dann lebe ich meinen Traum und habe genau das geschafft, was ich mir immer gewünscht habe.
Das wünschen auch wir – und freuen uns auf weitere Filme mit Johannes Berzl.
Interview: Melanie Zitzelsberger