Waldkirchen. Mal eben selbst einen Dorfladen auf vier Rädern auf die Beine stellen? Das klingt einfach, ist es aber bei Weitem nicht. Denn die Erfahrung ist in diesem Metier noch wichtiger als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Über Jahre hinweg hat sich ein Kundenstamm gebildet. Jahrzehnte hat es gedauert, bis die Touren feststanden, die der „Peterhäusl“ mit seinen fünf Wagen ansteuert. Und auch das Sortiment der rollenden Supermärkte hat sich nach und nach den Wünschen der Käufer angepasst. Und was noch viel wichtiger ist: „Für unsere Kundschaft ist der Fahrer fast sowas wie ein Familienmitglied. Er ist Kummerkasten. Psychologe. Man kennt sich einfach“, weiß Firmenchef Josef Bauer. „Verspätet sich eines unserer Fahrzeuge mal, wird sofort bei uns angerufen und gefragt, ob was passiert ist.“
Bei der Geschäftsidee der Familie Bauer schwingt eine ordentliche Portion Romantik mit. Gleichzeitig steckt ein ausgeklügeltes System dahinter. Und das alles ist einem Zufall geschuldet. Vor mehr als 40 Jahren fuhr Josef Bauer senior für einen hiesigen Bäcker Brot, Semmeln und Brezen aus. „Die Leute haben ihn dann gefragt, ob er vielleicht auch Mehl oder Milch dabei hat“, erinnert sich Josef Bauer junior an die Anfänge seines Vater als „fliegender Händler“.
Fünf Fahrzeuge, fünf Touren an jedem Wochentag
Da „oid Bedahaisl“ (Hochdeutsch: Peterhäusl, der Hausname der Familie Bauer) erkannte das Potenzial und baute seinen Nebenerwerb immer weiter aus. Inzwischen ist aus dem anfänglichen Garagengeschäft in Saßbach ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern geworden, in das der Junior 1992 eingestiegen ist – und das er 17 Jahre später gemeinsam mit seiner Frau Tanja übernommen hat. Mit Tochter Vanessa (21) ist die Nachfolge bereits geklärt.
2017 berichtete der BR über „Peterhäusls rollende Dorfläden“
Fünf Fahrzeuge sind an fünf Tagen von 7 Uhr morgens bis zirka 14 Uhr nachmittags unterwegs, um ihre Waren an den Mann bzw. (hauptsächlich) die Hausfrau zu bringen. Jeder rollende Dorfladen hat rund 1.000 verschiedene Produkte – vom Katzenfutter über Batterien bis hin zu gekühlter Frischware wie Wurst und Joghurt – mit an Bord. 50 bis 100 Kunden steuert jeder Wagen pro Tour an – und generiert dabei an guten Tagen einen Umsatz im vierstelligen Bereich.
Eine stetige „Probiererei“ seit 40 Jahren
Das Büro von Tanja und Josef Bauer, die hauptsächlich mit der Organisation im Hintergrund beschäftigt sind, ist voller Ordner. Die beiden Unternehmer haben all ihre Tätigkeiten genau niedergeschrieben, was auch dringend erforderlich ist angesichts der vielen Details, die ihren Berufsalltag bestimmen. Es ist, wenn man so will, eine „Probiererei“ seit über 40 Jahren. Also seit „Peterhäusl“ gegründet wurde.
In den 80er Jahren hatte Josef Bauer erstmals den Gedanken, die Backwaren selber zu produzieren. Deshalb musste der Sohn Bäcker lernen, ehe er in den Familienbetrieb einstieg. Diese Idee hatte sich aber schnell wieder zerschlagen. Zu aufwendig wäre eine eigene Backstube gewesen. Auf Anregung einiger Bürgermeister aus Gäuboden-Kommunen sollten auch Ortschaften rund um Straubing beliefert werden. „Nach einiger Zeit haben wir allerdings festgestellt, dass der Aufwand – vor allem der Spritpreis – zu hoch ist. Diese Route wurde wieder eingestellt.“
Höhere Preise als beim Discounter sind egal
Apropos: Spritpreise. Apropos: Krisen. Der „Peterhäusl“, so paradox es vielleicht klingen mag, war einer der großen Gewinner der Corona-Pandemie. In Zeiten von Abstand, Hygiene und Lockdown erlebten die fahrenden Händler einen regelrechten Boom. Die derzeitigen Preissteigerungen, vor allem von Treibstoff aller Art, sind hingegen kontraproduktiv für den Betrieb. Oder doch nicht? „Natürlich müssen wir die höheren Spritpreise auf den Kunden umlegen. Aber auf der anderen Seite müssen unsere Abnehmer auch nicht extra ins Auto steigen, um einkaufen zu können.“
Es liegt auf der Hand, dass die Preise des fliegenden Händlers aus Waldkirchen etwas höher sind als beim Discounter. Genaueres möchte Chefin Tanja Bauer nicht verraten, „weil sich der Prozentsatz höher anhört als der Endpreis letztlich widerspiegelt. Irgendwie ist das aber auch egal, weil unsere Kunden unsere Preise vollauf akzeptieren.“ Zumindest ein Werbebudget müssen Bauers nicht einplanen. Ihre buntbedruckten Fahrzeuge mit Wiedererkennungswert, die von Waldkirchen aus in alle Himmelsrichtungen unterwegs sind, erzeugen Aufmerksamkeit genug. „Außerdem leben wir von der Mundpropaganda und von einem Mitarbeiter, der, wenn es die Zeit zulässt, rumfährt und Flyer verteilt.“
Einen rollenden Dorfladen auf die Beine stellen…
Wieder so ein Erfahrungswert, den Vanessa, Tanja und Josef Bauer erst sammeln mussten. Einen rollenden Dorfladen auf die Beine zu stellen – das ist gar nicht so einfach…
Helmut Weigerstorfer