Freyung/Breitenberg. Der breite Widerstand gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern wächst. Nicht unbedingt gegen die Maßnahmen an sich, sondern vielmehr wegen der unterschiedlichen Auslegung gewisser Einschränkungen. Zum einen darf auf Mallorca Urlaub gemacht werden, während hierzulande Schulen, Kitas, Hotel- und Gastrobetriebe weiterhin nicht öffnen dürfen, was der CSU-Kreisverband Freyung-Grafenau in einem Brandbrief an Gesundheitsminister Spahn aufs Schärfste kritisiert.
Und auch der Einzelhandel fühlt sich benachteiligt, weshalb diese Branche zu kreativen Mitteln greift, um nach Monaten des Lockdowns wieder ihrer Kernaufgabe nachgehen zu können. Das „Trendline“ in Freyung etwa wird ab 25. März nach eigenen Aussagen zum „1. Klopapier & Fashion-Store“ in Bayern umgewandelt. Auch das Modegeschäft „IS-Fashion“ in Breitenberg nutzt das Systemrelevanz-Schlupfloch, das auch bereits von einem Modegeschäft in Thüringen und Baden-Württemberg umgesetzt wurde.
„Warum sind wir dazu gekommen? Im letzten Jahr haben wir sehr viel gelernt und lernen noch. Es scheint Sortimente und Geschäftsmodelle zu geben, die für den Kunden epidemiologisch weniger gefährlich sind als andere. Unsere Beobachtungen der letzten Monate haben uns zu der Erkenntnis geführt, dass der Verkauf von Textilien, Sportartikeln, Haushaltswaren bei zahlreichen Discountern, Bau,- und Lebensmittelmärkten wohl bei der Virusausbreitung keine große Rolle spielt, sonst müsste es bei diesen Geschäften stärkere Regulierungen geben. Wir sehen keinen Sinn, dass der Fachhandel, der sich perfekt auf die geänderten Umstände mit Hygienekonzepten gerüstet hat, geschlossen wird, während bei Discountern Modeartikel gekauft werden können.
„Wir wollen die wichtigsten Bedürfnisse abdecken“
Wir wollen mit der Umorganisation zum einen unser Überleben sichern – aber auch mit dem Konzept „Klopapier&Fashion Store“ auf die Situation des Handels aufmerksam machen. Ab Donnerstag den 25.3.2021 bieten wir nun in unseren Räumen im Stadtplatz 6 (gegenüber Nachbarschaft Brasserie Bar Freyung) systemrelevante Drogerieartikel und Lebensmittel an. Mit unserem neuen Angebot wollen wir die wichtigsten Bedürfnisse unserer Mitmenschen abdecken und sie damit in der Pandemie unterstützen. Aus diesem Grund erweitern wir unser Sortiment um Toilettenpapier, Desinfektionsmittel, regionale Lebensmittel wie Nudeln, Spirituosen, Kaffee, Seifen, Wein uvm. Unsere Frühjahrsmode reduzieren wir auf einen Sortimentsanteil von max. 49%.“
Mit einer Bekanntmachung auf seiner Facebook-Seite, die mehr als 1.000 Reaktionen bekommen hat und über 1.000 Mal geteilt worden ist, geht Trendline-Chef und Vorsitzender der Freyunger Werbegemeinschaft Norbert Kremsreiter auf die Gründe der Umstrukturierung des Modehauses ein. Durchaus unmissverständlich ist dort zu lesen, was der Geschäftsmann kritisiert bzw. wie er die Corona-Beschränkungen umschiffen will: Er stellt sein Sortiment dahingehend um, dass mindestens 51 Prozent der Produkt-Palette als systemrelevant eingestuft werden. Angeboten werden sollen deshalb ab 25. März überwiegend Lebensmittel, Drogerie- und Hygiene-Artikel – darunter auch Klopapier. Als „Nebenprodukt“ wird Kleidung verkauft. Somit ist das Trendline nun nach der geltenden Infektionsschutzverordnung (§12) insgesamt als systemrelevant und öffnungswürdig einzuschätzen.
Neben Blusen und Pullis gibt’s Honig, Wein und Seife
Eine ähnliche Vorgehensweise wählt das Bekleidungsgeschäft IS-Fashion in Breitenberg (Landkreis Passau), das per Video einen Blick auf das neue Angebot gewährt. Neben Blusen, Pullis, Schuhen und Hosen gibt’s dort ab sofort Spülmittel, Honig, Wein, Desinfektionstücher und Seife zu kaufen.
Bleibt nur abzuwarten, wann im Reisebüro Feuchttücher und Aufbackbrötchen, im Spielwarengeschäft Windeln und Fisch aus der Dose das Sortiment bereichern. Ebenso bleibt abzuwarten, wie die Kundschaft auf diese Umstellung reagieren wird – und ob die Politik jener Schlupfloch-Regelung alsbald einen Riegel vorschieben wird.
Helmut Weigerstorfer
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