Waldkirchen. Immer wieder ist vom wirtschaftlichen Aufschwung im Bayerischen Wald zu lesen. Dieser sei deutlich spürbar, heißt es. Auch von einem „Allzeit-Tief“ der Arbeitslosenzahlen ist häufig die Rede. Gleichzeitig häufen sich jedoch Diskussionen, ob Hartz IV noch gerecht ist. Und ob die Zahlen der Agentur für Arbeit nicht einfach beschönigt werden. Ein guter Grund, um einmal bei Hans Haugeneder, Leiter der Agentur für Arbeit in Waldkirchen, nachzufragen. Der 58-Jährige berichtet davon, wie er die derzeitige Lage auf dem regionalen Arbeitsmarkt einschätzt und welche Gerüchte er hinsichtlich der Arbeitssuchenden nicht mehr hören kann. Außerdem blickt er auf die künftige Rolle der Asylbewerber in der heimischen Wirtschaft.
„Vom Armenhaus zur Zukunftsregion“ – diese Aussage ist seitens der regionalen Politik immer wieder zu hören. Was halten Sie von dieser oft bemühten Phrase, Herr Haugeneder?
Ja, es ist eine Floskel. Dass der Bayerische Wald ein ‚Armenhaus‘ war, haben die Bewohner selber gar nicht so empfunden. Obwohl wir, wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, nicht gerade einen hohen Lebensstandard hatten, haben die Waidler nie gejammert. Mittlerweile haben wir tolle Firmen in der Region – das lässt sich nicht bestreiten. Was noch fehlt, sind weitere Arbeitsplätze. Weiterhin müssen viele Menschen auspendeln. Ein Aufwärtstrend ist aber deutlich zu spüren.
Alles Friede, Freude, Eierkuchen also?
So kann man es auch nicht sagen. Es mangelt an gut ausgebauten Verkehrsanbindungen und einem flächendeckenden Breitbandausbau. Da sind schon noch gravierende Mängel vorhanden.
„Der Arbeitende hat ein besseres Standing“
Trotzdem sind die Arbeitslosenzahlen auf einem Dauer-Tiefstand. Woran liegt’s?
Februar 1984: 43 Prozent Arbeitslosigkeit im Landkreis Freyung-Grafenau… Saisonbereinigt liegen wir mittlerweile unter drei Prozent – schon allein dieser Vergleich unterstreicht die Entwicklung in den vergangenen Jahren. Das liegt zum einen daran, dass es inzwischen einfach weniger potenzielle Arbeitnehmer im Landkreis gibt. Zum anderen darf man die vorher bereits angesprochene Entwicklung der hiesigen Firmen nicht außer Acht lassen. Weiterhin ein wichtiger Aspekt ist die Motivation der Bevölkerung.
Sie sprechen die vielen Montagearbeiter und Pendler an?
Genau. Der Charakter der Waidler ist in dieser Hinsicht einmalig. In München und anderen Großstädten haben unsere Firmen und Arbeiter einen hervorragenden Ruf. So haben wir es als Region geschafft, geschlossen am derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung teilzunehmen. Und dabei kommt es vor allem auf die Mischung an: Bei uns gibt es viele mittelständische Handwerksbetriebe, aber auch größere Unternehmen bis hin zur AG. Egal ob Schreinermeister oder Vorstandsvorsitzender: Man identifiziert sich mit der Region. Gleichzeitig ist man als Arbeitnehmer stolz auf seinen Betrieb.
Glauben Sie, dass deshalb im ländlichen Raum die Angst vor Hartz IV größer ist als in den Ballungsräumen?
Es ist durchaus so, dass bei uns der Arbeitende ein besseres Standing hat. Die Angst vor der früheren Sozialhilfe, im Volksmund ‚Fürsorge‘ genannt, war aber größer als vor Hartz IV. Dadurch, dass zum Beispiel auch Studienabgänger, die nicht gleich nach ihrem Abschluss eine Anstellung finden, auch Hartz IV beziehen, sind die Berührungsängste weniger geworden. Dennoch ist es weiterhin so, dass sich so mancher schämt, ALG II zu beantragen.
ALG II oder auch Hartz IV genannt… Was halten Sie von diesem System?
Das Prinzip ‚Fördern und Fordern‘ ist gut. Das Problem war, dass Hartz IV sehr schnell eingeführt worden ist – fast schon zu schnell. Mit dem Start von Hartz IV – damit wurden ja Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengeführt – mussten plötzlich Mitarbeiter des Landratsamtes und des Arbeitsamts in einer neuen „Behörde“ zusammenarbeiten. Grundsätzlich war es aber absolut richtig, diese Zusammenlegung durchzuführen.
Woran hakte es denn anfangs genau?
Was viele gar nicht wissen: Es gibt ja einen Unterschied zwischen ‚JobCenter‘ und ‚Arbeitsamt‘. Nur das erste beschäftigt sich mit Hartz IV. Und neben der Tatsache, dass Mitarbeiter einer kommunalen Behörde, dem Landratsamt, und einer Bundesbehörde, der Agentur für Arbeit, natürlich erst zusammenfinden mussten, war ALG II für alle ein völlig neues Feld, was es erst zu erarbeiten galt. Doch alle haben an einem Strang gezogen, so dass diese Anlaufschwierigkeiten recht schnell überwunden werden konnten.
„Umso länger es dauert, desto schwieriger wird es“
399 Euro stehen im Rahmen von Hartz IV einer alleinstehenden Person zu. Ist das gerecht?
Das möchte ich nicht kommentieren. Nur so viel: Dass man damit nicht in Saus und Braus leben kann, ist klar.
Wie viele ALG II-Empfänger gibt es aktuell im Landkreis Freyung-Grafenau?
Wir haben derzeit ungefähr 1.100 Bedarfsgemeinschaften.
Wie schwer ist es, diese wieder ins Arbeitsleben zu integrieren?
Da muss man klar unterscheiden: Auf der einen Seite sind da die Langzeitarbeitslosen, auf der anderen Seite die voher schon angesprochenen Studenten nach ihrem Abschluss. Der Teil, der schon länger in Hartz IV steckt, braucht natürlich eine gewissenhafte und zeitintensive Betreuung durch das JobCenter. Und umso länger es dauert, desto schwieriger wird es.
Nicht gerade einfach ist es auch für alleinerziehende Mütter ohne Schulabschluss, die zurück ins Arbeitsleben wollen. Wie versucht man, ihnen von Seiten des JobCenters zu helfen?
Um diese Gruppe kümmern wir uns ganz besonders. Bei alleinerziehenden Müttern gibt es viel mehr Dinge, die man beachten muss – wie zum Beispiel die Betreuung der Kinder. Hier gilt es häufig viel ganzheitlicher zu handeln. Doch das Hauptziel bleibt natürlich auch hier die Vermittlung in Arbeit.
Und das funktioniert wie?
Da ist es meistens nicht mit einem Termin abgetan. Los geht’s mit einer Liste von Schwächen und Stärken, wobei eher Letzeres betont wird. Und dann gibt es eine klare Aufgabenverteilung. Einige Dinge erledigen wir, andere wiederum müssen die zu Betreuenden selber abarbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es oft eine Hemmschwelle: Man muss sich gegenüber seines Beraters öffnen, auch finanzielle und familiäre Probleme ansprechen. Manchmal ist das gar nicht so einfach…
Häufig werden die Arbeitsuchenden einfach in mehr oder weniger sinnvolle Kurse gesteckt, damit sie „weg von der Straße“ sind – so zumindest die Meinung vieler…
Versteht man unter ‚Kurs‘ eine Qualifizierung, muss daran keiner teilnehmen, der es nicht brauchen kann und der nicht will. Anders geht es – auch aus rechtlicher Sicht – nicht. Die anderen Maßnahmen dienen auch der Motivation – oder es ist ein Test der Charakterstärke der Teilnehmer. Wir wollen schon auch wissen, wie es beispielsweise um die Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit einiger Arbeitssuchender bestellt ist. Denn: Jeder, der von uns eine Leistung bekommt, muss auch Pflichten erfüllen. Und dieses Prinzip unterstütze ich auch.
„… vor allem das Handwerk hat schwer zu kämpfen“
Ist es denn sinnvoll, einen Akademiker in eine Qualifizierung zu schicken, in dem er lernt, wie man Bewerbungen schreibt?
Sowas darf nicht passieren – und ist normalerweise auch nicht der Fall. Obwohl dies oft erzählt wird. Meist ist es so, dass die Kurse von Dritten durchgeführt werden. Diese müssen wir nur nach Plätzen bezahlen – manchmal auch nur im Erfolgsfall, das heißt: Wenn der Arbeitssuchende nach der Maßnahme in einer Firma untergebracht werden kann.
Weil wir schon vorher bei den Floskeln waren: Was halten Sie vom „Dauerthema Fachkräftemangel“?
Ganz wichtig ist dabei: Wir dürfen von keinem grundsätzlichen Fachkräftemangel sprechen. Partiell ist er durchaus vorhanden – einige Branchen, wie zum Beispiel das Handwerk, die Gastronomie und hochtechnisierte Bereiche haben hier durchaus zu kämpfen.
Wie kann man diese Probleme langfristig lösen?
Vor allem mit einer verstärkten betriebsinternen Ausbildung. Man muss sich seine Fachkräfte selber erziehen. Künftig wird wohl auch ein Umdenken stattfinden müssen: Ist es nötig, dass ein Facharbeiter eine Maschine bedient – oder reicht es, wenn der Vorabeiter ein Konstruktionsmechaniker ist?
Welche Rolle könnten dabei die Asylbewerber spielen?
Sie könnten dazu beitragen, den Fachkräftemangel etwas aufzufangen. Allerdings ist das Erlernen der Sprache und die Integration der Asylbewerber in dieser Hinsicht das A und O. Erst muss sich die Gesellschaft mit diesem Thema beschäftigen, dann die Wirtschaft.
Abschließendes Thema: Winterarbeitslosigkeit. Vor allem der Bayerische Wald ist davon ja immer wieder betroffen. Wie hat sich das Ganze in den vergangenen Jahren entwickelt?
Die Winterarbeitslosigkeit ist weiter ein Thema in unserer Region – 1.250 Menschen sind im Landkreis Freyung-Grafenau saisonabhängig arbeitslos, was im Winter einer ungefähren Arbeitslosenquote von acht Prozent entspricht. Früher waren es bis zu 30 Prozent. Doch wir haben uns darauf vorbereitet. So geht bei uns in den ersten Wintermonaten in der Regel kein Mitarbeiter in Urlaub – übrigens auch nicht zwischen Weihnachten und Neujahr. Wir wollen die Arbeitssuchenden dann bestens betreuen, das Arbeitslosengeld möglichst schnell gewähren und – soweit möglich – sie auch wieder vermitteln. Freilich können viele im Frühjahr wieder in ihrem Betrieb arbeiten. Aber es gilt: Jeder, der zu uns kommt, muss grundsätzlich bereit sein, sofort eine zumutbare Arbeit anzunehmen, da er sonst die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht erfüllt.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer
Die Stellungnahme des Chefs der Agentur für Arbeit liest sich wie bei JC/AA allgemein durchaus positiv was ich Angesichts der Unkenntnis über die Region Freyung-Grafenau auch NICHT negieren möchte ( auch wenn es Bundweit anders aussieht ! ) So betrachte ich es als positiv das in DIESEM Amt scheinbar keine „sinnfreien“ Massnahmen durchgeführt werden allerdings gibt der Schlusssatz dann doch zu denken “ Jeder, der zu uns kommt, muss grundsätzlich bereit sein, sofort eine zumutbare Arbeit anzunehmen, da er sonst die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht erfüllt“ …. für MICH das übliche RAUS aus der Statistik in irgendeinen Job EGAL ob der Arbeitssuchende es will :-( denn bei AA + Jobcenter bedeutet ZUMUTBAR nahezu jede Arbeit .. auch deutlich an prekär :-( = in diesem Sinne ein MINUS von mir !!
Folgende Menschen (!) gelten nicht als „arbeitslos“ und werden daher nicht in der Statistik als solche erfasst: Wer mindestens 58 Jahre alt ist und wenigstens zwölf Monate Hartz IV bezieht -wer Altersteilzeit, Vorruhestand, hat, BfA Grundsicherung, Zwangsverentet etc, -wer sich in einer Quali oder ABM befindet, -sehr z.Zt krank ist, -wer sich in einer „Massnahme“ befindet, -wem die Leistungen ganz / teilweise gestrichen wurden, wer Sanktionen hat, -wer Reha, Kur macht, schwanger ist, Kind bis 4 J hat, -wer einen Termin beim Fallmanager hat, -wer sich Bewerbungsprozess befindet, -wer als „integrationsfern“ bei H4 bzw als „nicht vermittlungsfähig“ klassifizert wurde, Ein-Euro-Jobber, wer sich in eriner private Arbeitsvermittlung befindet. Hinzu kommen noch Arbeitslose die von der Arbeitsagentur in die „stille Reserve“gedrängt wurden. Wirtschaftswissenschaftler schätzen, das sich inzwischen 2 bis 3 Millionen Menschen in der „stillen Reserve“ befinden, also eine Stadt wie München, Hambung oder Köln, deren Existenz aus politischen Gründen geleugnet wird. Die Zahl der Sanktionen stieg 2011 auf 912.377, d.h. 912.377 Einzelschicksaale. Im Jahr 2012 wurden erstmals über 1 Millionen Sanktionen ausgesprochen, im Jahr 2013 wurden 1.009.614 Sanktionen verhängt. Fazit: Die Arbeitslosenstatistik bzw. Arbeitslosenzahlen pendelt sich nach unten mit Hilfe der Agenda 2010 und Hartz-Gesetzen ganz von selbst ein, es ist nur eine Frage der Zeit! Die Politik und Arbeitsagentur braucht sich nicht mehr um die Vermittlung von Arbeitslosen oder prekär Beschäftigten kümmern! Hier zeigt sich ein Sprichwort: Aus den Augen, aus dem Sinn bzw. Statistik! Das erledigt die Zeit und das Regelwerk für sie. Somit hat die Arbeitslosenstatistik nur noch die Aufgabe die Verelendung und Verarmung ganzer Landstriche zu vertuschen, die Agenda 2010 Politik in ein schönes Licht zu rücken und durch Enteignung Finanzmittel frei zu machen, die für andere Zwecke verwendet werden können. Durch die Agenda 2010 Politik sind die Arbeitnehmer auf dem freien Markt erpressbar geworden! Die Folge für die Zukunft ist ein Zunami an Altersarmut dieser Beschäftigten und von längerer Zeit von Arbeitslosigkeit betroffener Menschen, was die Politiker die dafür verantwortlich sind aber nicht mehr interessieren wird, weil sie dann selbst schon selbst mit feudalen Altersbezügen im Ruhestand sind.
für mich schon erschrecktend wie die Politik und ihre Behörden ihre Bürger dreist ins Gesicht Lügen und für wie blöd sie sie halten um ihre Statistiklügen zu glauben und das alles nur um ihre eigenen Privilegien zu sichern und auszubauen!