Zwiesel. Die (kindliche) Vorfreude ist greifbar. Wie ein Bub vor dem weihnachtlichen Christbaum samt darunter liegenden Geschenken steht Willi „Wiwi“ Wittenzellner vor dem Hotel „Deutscher Rhein“. Mit blumigen Worten, verbalem Dauerfeuer und einer Gestik sondergleichen erklärt der 52-Jährige, was er mit dem „1. Hause am Platze“ der Stadt Zwiesel vorhat. Ein Grillrestaurant soll in den altehrwürdigen Gemäuern heimisch werden. Genauso wie eine Eisdiele und ein sog. Boarding-Haus. Die ehemaligen Stallungen und die Disko sollen Wohnungen weichen und ein Teil des Komplexes – wenn der Denkmalschutz mitspielt – abgerissen werden. Und das alles möglichst schnell. „Zumindest die Gastronomie soll noch heuer eröffnen“, setzt sich Wieder-Inhaber Wittenzeller ehrgeizige Ziele.
Im Vergleich zur langen Geschichte des markanten Gebäudes mit den charakteristischen Schildern und Schriften an der orangefarbenen Fassade, das sich in unmittelbarer Nähe zum Stadtplatz und der Kirche der Glasstadt befindet, wirkt der ehrgeizige Zeitplan des Unternehmers wie ein Wimpernschlag. Der Gebäudekomplex blickt auf eine Vergangenheit zurück, wie dies wohl nur bei wenigen Bauten im Bayerwald der Fall sein dürfte.
Wann das Hotel erbaut worden ist, steht nicht so genau fest. „Aber es dürfte vor einigen hundert Jahren gewesen sein. Vielleicht im 18. oder gar 17. Jahrhundert“, berichtet der parteilose Stadtrat Alois Fuggenthaler, Geschäftspartner von WiWi und eine Art Experte, wenn es um den Deutschen Rhein geht. „Die Anlage ist eine Herzensangelegenheit. Ihre Geschichte ist faszinierend und es sollte alles unternommen werden, das Objekt einer passenden Nutzung zuzuführen.“ Der Rechtsanwalt hat selbst noch die Hochzeiten mit rauschenden Bällen und geselligen Stunden im Janka-Saal und der Gaststätte miterlebt.
Der Name – eine Hommage an die Schlacht von Sedan
Zudem hat Fuggenthaler bereits einige Besichtigungen durch das verwinkelte, mehr als 3.000 Quadratmeter große Innenleben des Komplexes durchgeführt. Selbst Willi Wittenzellner verlässt sich beim Gang mit dem Onlinemagazin da Hog’n durch die vielen Räume und Flure auf den Juristen. Der Weg verläuft auf scheinbar zahllosen Ebenen durch das Haus. Zu sehen sind dabei die Gästezimmer – teils verwüstet, teils leer geräumt, teils unangetastet. Einen längeren Zwischenstopp hat der berühmte Janka-Saal verdient, in dem „Platz für 300 bis 400 Personen“ (Fuggenthaler) wäre. Ähnlich beeindruckend präsentieren sich die Kellergewölbe, die einem Labyrinth gleichen. Dort sind noch historische Holzfässer gelagert. Auch Stahlgitter und kerkerähnliche Nischen sind auszumachen.
Eine von Alois Fuggenthaler zur Verfügung gestellte Hausgeschichte, die sich u.a. auf die sog. Hilz-Chronik beruft, geht bis ins Jahr 1804 zurück. Damals bezog der Passauer Fürstbischof Leopold Leonhard Raymund Graf von Thun und Hohenstein beim „Kammermeier“ – so hieß die Gaststätte früher nach deren Besitzer – Nachtquartier. 21 Jahre später fiel das damalige „Haus Nummer 49“ von Bierbrauer Wolfgang Kammermeier einem Brand zum Opfer. Ähnlich wie wie nach dem verheerenden Feuer 1842 wurde das ortsprägende Objekt aber wieder aufgebaut – und 1846 sowie 1848 erweitert.
1870 tauchte erstmals die Bezeichnung „Deutscher Rhein“ auf. „Seinen heutigen, durchaus ungewöhnlichen Namen erhielt es in illustrer Bürgerrunde aus patriotischer Begeisterung infolge der Schlacht von Sedan 1870 im Deutsch-Französischen Krieg“, heißt es dazu im „RegioWiki“.
2015: Erst kaufte die Stadt das Haus – dann doch nicht
1891 tauschten Fuggenthalers Aufzeichnungen zufolge Max Kammermeier und Brauereibesitzer Adam Janka ihren baulichen Besitz. Noch im selben Jahr stellte der neue Inhaber einen Antrag in Sachen Errichtung einer Dampfbrauerei. Bis zu seiner Schließung vor „mehr als 15 Jahren“ (Wittenzellner) blieb das Bauwerk im Besitz der Familie. Die letzten Inhaber und Betreiber dieser Dynastie hießen Oesterle. Und ähnlich bewegt wie vor seiner Schließung ging es im „Deutschen Rhein“ auch nach seinem zwischenzeitlichen Ende weiter. Während sich die üblichen Leerstandszeichen rund um das Anwesen langsam aber sicher bemerkbar machten, gab es so einige Schlagzeilen bezüglich des „Stadtplatz 42“.
2015 verkündete Bürgermeister Franz-Xaver Steininger zunächst den Kauf des Hotel-Gasthofes durch die Stadt und verkaufte diesen Schritt als „Meilenstein“, um ein „Impulsprojekt im Stadtquartier der Innenstadt“ zu setzen. „Uns ist allen klar, dass dies ein gewaltiges Projekt ist, das wir aber unbedingt stemmen wollen. Für die Zukunft Zwiesels wäre das ein riesiger Schritt in die richtige Richtung“, machte „FXS“ damals deutlich (da Hog’n berichtete). Die vollmundigen Ankündigungen mündeten jedoch in einer Blamage:
Noch im selben Jahr lehnte der Zwieseler Stadtrat einen Erwerb ab. „Spontan“, wie er selbst sagte, hat Willi „WiWi“ Wittenzellner das Objekt dann vor sieben Jahren erworben, nachdem er vom Rückzieher der Kommune erfahren hat. Zum Kaufpreis will sich der 52-Jährige nicht äußern. „In diesem Zusammenhang bin ich sehr vergesslich“, erklärt er – und schmunzelt wissend.
Löschung im Grundbucheintrag läuft noch
Zunächst allerdings fehlten dem umtriebigen Unternehmer die Ideen für dieses Projekt, weshalb er es 2017 an „serbische Investoren“ veräußerte. Diese hatten seinen Angaben zufolge große Pläne. Es ist aber lediglich bei kleineren Arbeiten, deren Übergang zu Verwüstungen nicht auszumachen gewesen sei, geblieben. „Die haben hier drin auch gehaust. Freilich, sie haben einiges verbessert – aber auch viel Schmarrn gemacht“, stellt „WiWi“ im Rückblick fest. Nachdem die neuen Besitzer dem alten über vier Jahre hinweg den Kaufpreis schuldig blieben, ging der „Deutsche Rhein“ wieder in das Eigentum Wittenzellners über. „Die Lösung im Grundbucheintrag läuft noch. Das ist der letzte Schritt. Ansonsten bin ich wieder Herr im Hause.“
Und im Gegensatz zu seiner ersten Zeit als Hausherr hat der 52-Jährige nun gewisse Vorstellungen – sowie die nötigen Mittel. „Durch meine dezentrale Einrichtung hier in Zwiesel habe ich viel Geld verdient. Das möchte ich der Stadt zurückgeben“, gibt sich Wittenzellner, der inzwischen auch in der Glasstadt lebt, generös. Mehrere Millionen möchte er in den Deutschen Rhein investieren, sagt er.
Wie viel genau, bleibt wiederum sein Geheimnis. In einem ersten, noch für 2022 geplanten Schritt sollen im Parterre ein griechisches Restaurant sowie eine Eisdiele entstehen. Wittenzellner möchte dazu die kleine Grünfläche vor dem Hotel von der Stadt pachten, um auch Freiflächen anbieten zu können. Im übrigen Haupttrakt ist ein sog. Boarding-Haus geplant. „Dieses Angebot richtet sich vor allem an diejenigen, die wegen der geplanten Behördenverlagerung nach Zwiesel kommen.“
„Auch ich habe nicht unendlich viel Geld“
Keinen Verwendungszweck mehr gibt es momentan für den riesigen Janka-Saal – zumindest in seinem herkömmlichen Sinne. „Das wäre nicht mehr stemm- bzw. umsetzbar. Gewisse Vorgaben haben sich in den vergangenen Jahren dahingehend verändert, dass ein so großer Raum nicht mehr zeitgemäß ist“, weiß Wittenzellner zu berichten. Dort, wo einst große Feste gefeiert worden sind, könnten sich bald Keller-Abteile für die Mieter des Boarding-Hauses befinden. In den kleineren, weiteren Gasträumen samt Keller („Himmel und Hölle“ genannt) ist ein „Bereich für die Kultur in welcher Art und Weise auch immer“ vorgesehen.
WiWi spricht, wenn es um solcherlei Veränderungen geht, nicht vom „Umbauen“, „Sanieren“ oder „Renovieren“, sondern vom „Entwickeln“. Er weiß, welche Worte wie ankommen – und gut klingen. Er hat aber nicht nur in Sachen Kommunikation Erfahrung, sondern auch in der Umsetzung derartiger Großprojekte. Der 52-Jährige betreibt u.a. das Familien-Hotel Wastlsäge in Bischofsmais. In Anbetracht dessen darf man ihn durchaus als Experten im Immobilienbereich bezeichnen.
Auch wenn er verdeutlicht, dass der Rest des Komplexes eigentlich nicht zu retten sei. Der Teil, wo früher die Besitzerfamilie wohnte, soll laut dem neuen Inhaber abgerissen werden, da es dafür keine sinnvolle Nutzung mehr gibt. Die Stallungen und die Disko seien ebenso aus der Zeit gefallen und sollen durch Wohnungen ersetzt werden – erbaut nach dem Bauträger-Prinzip: „Weil auch ich nicht unendlich viel Geld habe.“
„Man darf das Ganze nicht auf die leichte Schulter nehmen“
Insgesamt, verspricht Willi Wittenzellner, will er das Ensemble so aufstellen, dass es die nächsten „20, 30 Jahre tragbar“ ist. Angst davor, dass ihm das Projekt Deutscher Rhein über den Kopf wachsen könnte, hat er nicht. „Man darf das Ganze aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mich hat die Lage und die Geschichte des Hauses einfach in seinen Bann gezogen.“ Bleibt nur zu hoffen, dass Vorfreude nicht die schönste Freude bleibt. Und „WiWi“ – wie vielleicht der ein oder andere Bub mit etwas Abstand zum Weihnachtsfest – das Interesse an seinem Spielzeug verliert…
Helmut Weigerstorfer