Zwiesel. Eine Eskalation – auf welche Art und Weise auch immer – hatte sich bereits seit Längerem abgezeichnet. Dennoch kam die Bekanntgabe der vom Stadtrat beschlossenen Dienstunfähigkeit und damit einhergehenden Versetzung in den Ruhestand von Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger am vergangenen Freitag (26. Februar) für viele überraschend. Stellvertretende Bürgermeisterin Elisabeth Pfeffer, die die entsprechende Sitzung am Donnerstagabend in Vertretung von „FXS“, der aus Gründen der Befangenheit nicht daran teilnehmen durfte, leitete, betont jedoch im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n, dass dieser drastische Schritt der letzte Ausweg und die logische, wenn auch harte Konsequenz gewesen sei.
Indes hat sich auch derjenige zu Wort gemeldet, über den in diesen Tagen nicht nur rund um Zwiesel gesprochen wird – Franz Xaver Steininger selbst hat auf eine Hog’n-Anfrage geantwortet. Via E-Mail teilt er am Montagmorgen (1. März) mit: „Ich habe die Pressemitteilung noch am Freitag an meine Rechtsvertretung weiter gegeben und gehe davon aus, dass wir uns heute, spätestens morgen inhaltlich abstimmen werden, ob und wie wir auf die Pressemitteilung reagieren. Die Inhalte einer nicht-öffentlichen Stadtratssitzung am nächsten Tag per Pressemitteilung zu versenden, noch bevor ein Bescheid erstellt ist und der Empfänger den genauen Beschlusswortlaut kennt, muss ja ohnehin nicht kommentiert werden. Offensichtlich wird eine inhaltliche Diskussion über die Medien angestrebt, was nach meinen Dafürhalten wenig zielführend ist.“
„Die Entscheidung jedes Stadtrates war wohlüberlegt“
Frau Pfeffer, blicken Sie doch bitte zunächst einmal auf die vergangenen Wochen und Tage zurück, was ihre kommunalpolitische Arbeit betrifft? Waren es die intensivsten und anstrengendsten überhaupt?
Aufgrund der allgemeinen Corona-Beschränkungen gibt es derzeit wenige bis überhaupt keine Präsenzveranstaltung, bei denen ich die Stadt Zwiesel vertreten kann. Von daher waren die vergangenen Wochen für als Bürgermeister-Vertreter eher zu ruhig. Die Sache mit der Dienstunfähigkeit beschäftigt den Stadtrat ja bereits seit einem Jahr. Ich würde die vergangene Zeit daher weniger als intensiv und anstrengend bezeichnen, sondern vielmehr als informierend. Konkret bei der aktuellen Thematik rund um Franz Xaver Steininger war es mir immer wichtig, den Stadtrat auf den aktuellen Sachstand zu halten, da ja die komplette Korrespondenz von Seiten der Rechtsaufsicht, des Gesundheitsamtes und auch der Rechtsberater an mich als Vertretung der Stadt ging.
Wie verlief dann aus Ihrer Sicht die Sitzung am 25. Februar? Welche Stimmung haben Sie bei dieser Zusammenkunft vernommen?
Ich hatte die Fraktionssprecher bereits am Montag vor der Sitzung zu einer virtuellen Fraktionssprecher-Sitzung eingeladen und alle vollumfänglich darüber informiert, was seit der letzten Sitzung am 25. November 2020 geschehen ist. Der komplette Stadtrat war daher am Donnerstag zum Zeitpunkt der Sitzung auf dem aktuellen Stand. Dementsprechend sachlich verlief die Sitzung, wenngleich allen die Tragweite der Entscheidung bewusst war. Dementsprechend wohlüberlegt war die Entscheidung eines jeden Stadtrats.
Dass die Sitzung so sachlich verlief war möglicherweise auch der Tatsache geschuldet, dass die Begründung für die Dienstunfähigkeit ausschließlich aufgrund der fehlenden Mitwirkungspflicht erfolgte und nicht aufgrund eines ärztlichen Gutachtens. Die Weigerung des Bürgermeisters, die notwendige Zusatzbegutachtung vornehmen zu lassen stellt eine Dienstpflichtverletzung im Sinne von §47 Abs. 1 BeamtStG dar. Die Entscheidung basiert daher auf beamtenrechtliche Vorschriften. In der Sitzung selber ging es daher in erster Linie um juristische Fragen. Aus diesem Grund hatte ich für juristische Fragen als Sachverständigen auch den beauftragten Anwalt eingeladen.
„Bei allen Differenzen muss man den Menschen dahinter sehen“
Wie groß war der Respekt davor, Franz Xaver Steininger die Entscheidung des Stadtrates mitzuteilen?
Wie bei jedem Amt, das man annimmt, gibt es schöne und unschöne Aufgaben. Herrn Steininger nach der Sitzung anzurufen und ihm das Ergebnis mitzuteilen, gehört sicherlich zu den unschönsten Aufgaben, die ich bisher in meiner Funktion als stellvertretende Bürgermeisterin hatte. Ihm unmittelbar nach der Sitzung das Ergebnis mitzuteilen, war für mich auch eine Sache des Respekts und der Höflichkeit dem Bürgermeisters gegenüber. Er wusste ja, dass wir über das Thema in der Sitzung entschieden. Und bei allen Differenzen muss man den Menschen dahinter auch sehen.
Wie hat er reagiert?
Er hat hat am Telefon gefasst gewirkt.
Sie kennen Herrn Steininger schon länger und auch persönlicher. Was glauben Sie geht in diesen Tagen in ihm vor?
Ich kenne Herrn Steininger tatsächlich schon länger und auch persönlich, kann aber nicht sagen, was in ihm in diesen Tagen vorgeht. Ich habe nämlich auch vorher nicht verstanden, warum er nicht einfach das Gespräch mit dem Stadtrat bzw. zumindest mit den Fraktionssprechern gesucht hat. Genau so wenig verstehe ich, warum er nicht einfach den vom Amtsarzt erforderlich erachteten und mit ihm vereinbarten Termin für die Zusatzbegutachtung wahrgenommen hat. Er wurde etliche Male schriftlich belehrt und auf die Konsequenzen hingewiesen.
Auch Sie persönlich hatten ja in der Vergangenheit immer wieder persönliche wie politische Auseinandersetzungen mit FSX: Wie hoch wäre die Erleichterung Ihrerseits, sollte er sich tatsächlich von der Zwieseler Polit-Bühne verabschieden?
Meine persönlichen Gefühle spielen hier überhaupt keine Rolle. Wir hatten die eine oder andere politische Differenz, im Vordergrund steht für mich aber immer die Sachlichkeit.
„Viele nicht verständliche Entscheidungen und Vorgehensweisen“
Was würden Sie sagen: Mit was ist der Führungsstil von Herrn Steiniger vergleichbar? Was macht ihn im Besonderen aus?
Über den Führungsstil von Herrn Steininger wird viel in der Öffentlichkeit diskutiert. Da ich noch nie unter Herrn Steininger gearbeitet habe, müssten hierzu ehemalige Mitarbeiter gefragt werden. Der Führungsstil von Herrn Steininger spielt bei dem aktuellen Beschluss überhaupt keine Rolle.
Nach Abschluss des Monats März ist Franz Xaver Steininger zehn Jahre im Amt und hat somit den kompletten Rentenanspruch erreicht. War dieser Fakt ein Grund für die Ruhestands-Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt?
Bei einem Verfahren mit dieser Tragweite ist entscheidend, alle juristischen Formalien exakt einzuhalten. Dazu gehören gesetzliche Fristen, Anhörungen, Belehrungen etc. Dass die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt gefallen ist, hängt in erster Linie mit diesen Fristen zusammen, zumal wir bei jedem Schritt diese lieber noch einmal verlängert haben, um eventuell doch noch eine Reaktion des Bürgermeisters zu erhalten. Die Tatsache, dass die Ruhstands-Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt gefallen ist, ist tatsächlich eher ein glücklicher Zufall.
Sie sprechen von „mannigfaltigen Vorfällen“ seit 2016 in der Pressemitteilung – was ist konkret vorgefallen?
Bei den mannigfaltigen Vorwürfen handelt es sich in erster Linie um für viele der Allgemeinheit nicht verständliche Entscheidungen und Verhaltensweisen, die für das Rechtsverständnis nicht üblich sind, bzw. auch nicht akzeptiert werden. Das reicht von nicht Umsetzen von Stadtratsbeschlüssen bis hin zur Eigeninterpretation von gesetzlichen Vorgaben, sowie Verwaltungsabläufen, die in der Öffentlichkeit nicht zu bewerten sind.
„Das Wichtigste jetzt: Ruhe“
Ihre Vermutung: Reicht Herr Steininger Klage gegen den Bescheid ein? Und: Wird sie dann abgewiesen?
Da ich nicht beurteilen kann, was in ihm aktuell vorgeht, gebe ich keine Vermutung ab, ob er Klage gegen den Bescheid erhebt.
Wie geht es nun mit der Stadt Zwiesel weiter – sollte Bürgermeister Steiniger im Amt bleiben oder nicht?
Egal, ob er im Amt bleibt oder nicht, ist das Wichtigste, Ruhe in die ganze Angelegenheit zu bringen – zum Wohle der Stadt und der Mitarbeiter in der Verwaltung. Ob Herr Steininger im Amt bleibt oder nicht, hängt davon ab, ob er gegen den Bescheid Klage erhebt und wie das Gericht im Falle einer Klage entscheidet.
Was passiert, wenn Steininger nicht klagt und die Entscheidung, in den Ruhestand versetzt zu werden, akzeptiert?
Hier ist die Rechtsfrage ganz klar geregelt. Falls er nicht dagegen klagt bzw. auch keine aufschiebende Wirkung erwirkt, wird der Bescheid rechtskräftig und Herr Steininger mit Ablauf des März in den Ruhestand versetzt.
„Sobald der Bescheid rechtskräftig ist, müssen Neuwahlen erfolgen“
Sind Sie, Frau Pfeffer, denn dann automatisch die Nachfolgerin im Amt oder gibt’s dann Neuwahlen?
Hier ist die Rechtslage ebenfalls eindeutig: Ich führe ab dem Zeitpunkt, an dem der 1. Bürgermeister in den Ruhestand versetzt wird, als stellvertretende Bürgermeisterin die Amtsgeschäfte, bin aber nicht automatisch die Nachfolgerin. Sobald der Bescheid rechtskräftig ist, müssen innerhalb von drei Monaten Neuwahlen erfolgen. Den Termin hierzu legt das Landratsamt fest.
Der Amtsarzt des Landkreises Regen habe die Notwenigkeit einer fachärztlichen Zusatzbegutachtung gesehen – was genau sollte begutachtet werden?
Der Amtsarzt hat zur Erstellung eines abschließenden Gutachtens die Notwendigkeit gesehen, eine fachärztliche Zusatzbegutachtung durchführen zu lassen. Um welche Art von Zusatzbegutachtung es sich dabei handeln sollte, unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht und darf dem Stadtrat deshalb nicht mitgeteilt werden. Wir wissen daher nicht, was zusätzlich begutachtet werden sollte.
Franz Xaver Steininger wird Bankrott und Vorteilsnahme vorgeworfen. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Vorgang und der Feststellung der Dienstunfähigkeit durch den Stadtrat?
Diese Frage kann klar mit Nein beantwortet werden. Hier gibt es definitiv keinen Zusammenhang. Der Stadtrat ist hier eindeutig nicht zuständig und hat auch keine Kenntnisse, außer denen, die auch in der Öffentlichkeit bekannt sind.
Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft – und ganz wichtig: Gesund bleiben!
Interview: Helmut Weigerstorfer
____________
Weil er zu Beginn der Corona-Einschränkungen im vergangenen Jahr das Zwieseler Erholungsbad und die Städtische Musikschule zu lange geöffnet gelassen hatte, will der Stadtrat den Zwieseler Bürgermeister Steininger jetzt für dienstunfähig erklären.
Dass das Verhältnis zwischen Stadtrat und Bürgermeister nicht das Beste ist, dürfte wohl allgemein bekannt sein. Allerdings sollten sich die Zwieseler einmal vor Augen führen, dass ein Stadtrat gleich eine ganze Handvoll Möglichkeiten besitzt, um einen BM von seinem Amt zu entheben.
Wenn man bedenkt, dass ein Bürgermeister demokratisch gewählt wurde (in diesem Falle sogar ein
zweites Mal wiedergewählt), wäre es wohl klüger gewesen, der Stadtrat hätte Neuwahlen angestoßen. Dann läge es an den Bürgern, wie sie zu gewissen Entscheidungen und natürlich dem Bürgermeister selbst stehen. Aber was, wenn die Bürger mit all dem einverstanden waren, oder gar befürworten?
Um auf Nummer sicher gehen zu können ergreift der Stadtrat jetzt Maßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Scheu vor Kollateralschäden – Hauptsache man wird den parteilosen Bürgermeister endlich los.
Doch was bleibt?
Einzig ein riesengroßer Imageschaden für die gesamte Stadt, nicht verursacht durch den Bürgermeister, sondern durch Stadträte, welche unter Einbeziehung der Öffentlichkeit diesen Stein ins Rollen gebracht haben. Die richtige Frage muss lauten: Ist der Stadtrat in seiner jetzigen Form denn überhaupt noch dienstfähig, oder richtet dieser gerade den größten Schaden der Zwieseler Geschichte an?
Wer weiß, was in Politikern und Juristen vorgeht ? Kindermörder wie Herr Gäfgen erhalten Entschädigung auf Staatskosten.