Regen/Langdorf. „Die Kritik der CSU ist unverschämt, vor allem gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Amtes, die seit Wochen Überstunden leisten, um den Menschen durch unseren Bürokratie-Dschungel zu helfen“, reagiert Regens Landrätin Rita Röhrl (SPD) hörbar erbost über das, was der Kreisverband der Christsozialen da am Montag per Pressemitteilung verlautbarte. Die Bürokratie erschwert den Alltag im Flüchtlingsheim heißt es darin von Seiten der Politiker Stefan Ebner, CSU-Kreisvorsitzender, und Ronny Raith, CSU-Fraktionsvorsitzender im Regener Kreistag sowie – pikanterweise – stellvertretender Landrat.
„Formulare ausfüllen, mehrere persönliche Termine im Landratsamt, unklare Verantwortlichkeiten, analoge Anträge – die Bürokratie verursacht zahlreiche Herausforderungen für Geflüchtete, Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche“, ist eingangs der Presseaussendung, die anlässlich des Besuchs der CSU-Riege im Ferienhotel „Eichenbühel“, der jüngst geschaffenen Langdorfer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete, zu lesen. Ebner und Raith seien auf Einladung von Bürgermeister Michael Englram gekommen, um aktuelle Herausforderungen bei der Unterbringung der Menschen aus Ost-Europa zu diskutieren.
„Verwaltung befindet sich noch in der digitalen Steinzeit“
Das überaus engagierte Ehepaar Daniela und Alexander Melch betreibt heute die Unterkunft, die bereits 2015/16 als sog. dezentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete vom Landkreis Regen bereitgestellt wurde (da Hog’n berichtete). Dort sind die überwiegend aus Syrien und Afghanistan stammenden Asylbewerber für einige Wochen einquartiert worden, bis sie weiterverteilt werden konnten. Englram beschreibt die aktuelle Situation vor Ort wie folgt: „Zu Beginn der Krise hat die Unterbringung und Organisation sehr gut funktioniert. Nun schlägt die deutsche Bürokratie voll zu und macht allen Beteiligten das Leben zunehmend schwerer.“
Und stellv. Landrat Raith wird zitiert mit: „Es würde uns helfen, wenn eindeutig festgelegt ist, wer Verantwortung trägt und Entscheidungen fällen kann. Es braucht eine bessere Koordinierung und klare Zuständigkeiten und Kümmerer für die Probleme des Alltags.“
Bürokratische Hemmnisse gebe es im gesamten Registrierungsprozess, heißt es weiter. Ukrainische Geflüchtete würden aus ihrer Heimat von digitalisierten Behördenprozessen berichten, die Anmeldungen, Registrierungen und staatliche Prozesse schnell und einfach machten. In Deutschland hingegen seien immer noch viele analoge Schritte mit mehrmaligem persönlichem Erscheinen in den Ämtern notwendig, „die viel Zeit und Aufwand kosten, sowohl für die Mitarbeiter in den Behörden als auch für die betroffenen Flüchtlinge mit ihren ehrenamtlichen Unterstützern.“ Zitat Ebner: „Die Verwaltung in Deutschland befindet sich in vielen Bereichen immer noch in der digitalen Steinzeit. Das macht es für alle kompliziert.“
Der Wille der Geflüchteten während ihres Aufenthalts zu arbeiten, sei bei vielen vorhanden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften durch örtliche Betriebe wäre Englram zufolge gegeben. Mit einer Arbeit zu starten, hänge aber von bürokratischen Prozessen ab, die sich oft verzögern würden. Hier wären flexiblere, unbürokratische Regelungen notwendig, seien sich Ebner, Englram und Raith einig.
„Insgesamt eine große Leistung“
„Die pauschale Kritik des stellvertretenden Landrats ist erstaunlich“, wie Katharina Kellnberger, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Regierung von Niederbayern, auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. Denn: Für Unterbringung, Verpflegung, Registrierung, Erteilung von Arbeitserlaubnissen etc. ist die Kreisverwaltungsbehörde zuständig, also das Landratsamt.
„Was die Registrierung betrifft, hat Innenminister Joachim Herrmann wiederholt eingefordert, dass durch erkennungsdienstliche Maßnahmen die Identifizierbarkeit der ankommenden Personen sichergestellt wird. Dazu ist ein persönlicher Kontakt notwendig, der nicht mit dem Hinweis auf Digitalisierung ersetzt werden kann“, teilt Kellnberger weiter mit und ergänzt: „Insgesamt ist es eine große Leistung der Behörden, wie innerhalb kürzester Zeit die Aufnahme und Unterstützung so vieler Kriegsflüchtlinge organisiert wurde.“
Knapp 500 Personen über die PIK-Station registriert
„Die bürokratischen Vorgaben werden nicht von den Mitarbeitern im Landratsamt Regen ersonnen, sie werden uns vorgegeben“, verdeutlicht auch Landratsamtssprecher Heiko Langer. „Aus den Erfahrungen der letzten Flüchtlingskrise im letzten Jahrzehnt wurde definiert, dass der Staat wissen will, wer bei uns ist. Also ist eine umfassende und schnelle Registrierung notwendig.“ Bei der Registrierung werden etwa Fingerabdrücke erfasst. Die sogenannte PIK-Registrierung (Personalisierungsinfrastrukturkomponente) werde vom Bundesinnenministerium verlangt und sei entsprechend zeitaufwendig. Eine Registrierung könne nicht digital erfolgen, hier sei die Anwesenheit notwendig, wie Langer ebenso bestätigt.
Im Landkreis Regen seien mittlerweile nahezu alle den Behörden bekannten Schutzsuchenden aus der Ukraine mittels PIK registriert worden. „Die Menschen aus den Unterkünften wurden in der Regel zur Registrierung zur Entlastung der Unterkunftsbetreiber mit einem Fahrer des Landkreises abgeholt und zurückgebracht. Teilweise wurden sie auch von ehrenamtlichen Helfern gebracht“, berichtet der Landratsamtssprecher weiter. Um unnötige Wege zu sparen habe man die Registrierung so gelegt, dass gleich im Anschluss daran der Gang ins Sozialamt ermöglicht werde und die Betroffenen ihre Leistungen in Empfang nehmen könnten. Zusätzlich würden Mitarbeiter des Landratsamts auch in die Unterkünfte fahren und den Betroffenen vor Ort direkt Geld auszahlen.
Die Registrierungszeiten wurden Langer zufolge in der Ausländerbehörde von 7 bis 18 Uhr ausgeweitet, sodass eine zeitnahe Registrierung und Versorgung der Schutzsuchenden gewährleistet werden kann. „Innerhalb kürzester Zeit wurden so knapp 500 Personen im Landkreis bereits vollumfänglich über die PIK-Station registriert.“
„Können allen Flüchtlingen gute Quartiere anbieten“
Die Ukraineflüchtlinge, deren Identität geklärt ist, erhielten bei Bedarf sofort nach der Registrierung mit Beantragung der Aufenthaltserlaubnis eine Arbeitserlaubnis. „Was meist länger dauert, ist die Anerkennung von Berufsabschlüssen. Hier ist aber das Landratsamt nicht zuständig“, betont Langer.
Es gebe sehr wohl klare, zum Großteil vorgegebene Strukturen und Zuständigkeiten in der Behörde, informiert der Pressesprecher weiter. „Angesichts der teilweise hohen Zugangszahlen, die in der Regel zeitgleich erfolgen, ist es zwangsläufig so, dass aufgrund der ganztägigen Registrierungen und Auszahlungen der Leistungen nicht jeder Sachbearbeiter immer telefonisch sofort erreichbar ist. Unsere Kollegen sind aber bemüht, Anfragen und Anträge zeitnah zu bearbeiten.“ Zudem sei es gelungen, allen Flüchtlingen gute Quartiere anbieten zu können. „Auf eine Turnhallenunterbringung oder Notunterkünfte konnten wir bisher verzichten.“
Viele Verwaltungsgänge habe man auch im Landratsamt Regen bereits digitalisiert. „In den von uns akquirierten Unterkünften werden von uns benötigte Unterlagen oftmals bereits im Vorfeld ausgehändigt, sodass die Betroffenen diese nur noch ausgefüllt mitnehmen müssen. „Zur Kritik, dass wir digital nicht zeitgemäß sind, möchte ich noch ergänzen, dass das Landratsamt Regen seit 12/2021 die Auszeichnung ‚Digitales Amt‘ führen darf“, so Langer. Derzeit seien erst 14 der 72 bayerischen Landkreise ein sogenanntes „Digitales Amt.“ Im bayernweiten Vergleich sei man demnach sicher sehr gut aufgestellt.
Stephan Hörhammer