Deggendorf/Passau/Freyung. „Sie hat schon geschlafen“: Ist Dominik R. doch ein Mörder? – so titelte das Onlinemagazin da Hog’n im Dezember 2019, nachdem ein Zeuge aus dem Tötungsprozess (damals Dominik R.s bester Freund) zugab, dass er das Passauer Schwurgericht angelogen hatte. Er wurde wegen uneidlicher Falschaussage und Strafvereitelung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, drei Jahren auf Bewährung mit Bewährungshelfer sowie 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Mit Beschluss vom 31. März dieses Jahres entschied nun die Erste Große Strafkammer das Landgerichts Deggendorf, dass der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Deggendorf vom September vergangenen Jahres zulässig ist.
„Der Beschluss wurde beiden Verteidigern des Verurteilten zugestellt. Sie können sich nunmehr binnen zwei Wochen zum Wiederaufnahmeantrag äußern“, teilt Martin Metzler, Richter am Landgericht Deggendorf, mit. Die aktuelle Entscheidung des Gerichts besage dabei lediglich, dass der Antrag der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspreche und einen vom Gesetz anerkannten Wiederaufnahmegrund enthalte. Zwei Zeugen – neben Dominik R’s ehemals bestem Freund auch dessen mittlerweile Ex-Freundin – sollen bewusst falsch zugunsten des Verurteilten ausgesagt haben. Hierfür wurden beide inzwischen rechtskräftig verurteilt. Ob der Wiederaufnahmeantrag auch begründet ist und es zu einer Erneuerung der Hauptverhandlung gegen den Verurteilten kommen wird, entscheidet das Landgericht Deggendorf separat, so Metzler.
War es doch ein heimtückischer Mord?
„Ich, Dominik R., habe Lisa H. nach heftigem Streit getötet, was ich zutiefst bedaure“, gestand der damals 23-Jährige am neunten Prozesstag am Landgericht Passau, in der Nacht auf den 27. Oktober 2016 Lisa H. (20), seine damalige Freundin und Mutter des gemeinsamen Sohnes, im einst gemeinsamen Schlafzimmer in der Freyunger Wohnung erstochen zu haben (da Hog’n berichtete). Die Erklärung in Ich-Form verlas sein Verteidiger Prof. Dr. Holm Putzke. R. wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
Ob das Bedauern tatsächlich ernst gemeint war, könnte nun in einem möglicherweise wieder aufgerollten Prozess zum Gegenstand neuerlicher Untersuchungen gemacht werden. Wenn sich dabei herausstellen sollte, dass Lisa H. von Dominik R. – entgegen dessen ursprünglicher Aussage – doch im Schlaf getötet worden sei, würden niedrige Beweggründe vorliegen, die somit den Straftatbestand des heimtükischen Mordes erfüllten.
Genau darauf hin deutet die Aussage von R.s einstigem besten Freund, der zunächst im Mordprozess lediglich von einer Ohrfeige R.s gegenüber Lisa H. berichtet hatte und dabei betonte, mit R. nie über das Geschehene gesprochen zu haben – später jedoch zugab, eine Unterhaltung mit R. darüber verschwiegen und auch seiner damaligen Freundin davon erzählt zu haben. Die junge Frau verplapperte sich damals und sagte aus, dass ihr (Ex-)Freund sie vor dem Totschlagsprozess in ein Gespräch mit Dominik R. über die Tat eingeweiht hätte, sie beide im Landgericht gelogen hätten.
Auch ihren Ex hätte, wie dieser gegenüber dem Gericht mitteilte, das verheimlichte Wissen geplagt – bis hin zu einem nervlichen Zusammenbruch. „Dominik sagte immer, sie hat schon geschlafen, er hat mit dem Messer zugestochen“, erklärte R.s ehemals bester Freund damals im Gerichtssaal, in dem dieser wegen Falschaussage auf der Anklagebank saß und deswegen rechtskräftig verurteilt wurde. „Es ging nicht um ein Kinkerlitzchen. Sie haben beim Schwurgericht gelogen. Wir wissen nicht, wie es ausgegangen wäre, hätten Sie damals die Wahrheit gesagt“, stellte der Staatsanwalt dem Angeklagten im Dezember 2019 gegenüber fest.
Vierzehn Tage Zeit, sich zu äußern
Ob das nun zuständige Landgericht Deggendorf die Erneuerung der Hauptverhandlung im Freyunger Mordprozess anordnet, wird sich demnächst zeigen. Der Verurteilte Dominik R. und dessen Verteidigung haben, wie erwähnt, vierzehn Tage Zeit, sich zum neuen Sachverhalt zu äußern.
Stephan Hörhammer