Passau. Inklusion, Gleichberechtigung und die damit verbundene Informationsarbeit sind permanent wichtig. Der Black History Month Februar, der im Zeichen der Erinnerung an die Geschichte der Schwarzen und deren Errungenschaften steht, bietet jedoch einen passenden Anlass dafür, einmal mehr darauf aufmerksam zu machen. Nicht erst seit Pandemiebeginn eignen sich Online-Kanäle wie Instagram oder YouTube besonders gut, um viele Menschen zu erreichen und einen Diskurs anzuregen.
Im folgenden Video stellen die Macherinnen von „Reality Diversity Talk“ ihr Format vor:
Genau das ist eines von mehreren Motiven, die hinter dem Instagram-Profil „Reality Diversity Talk“ stehen. Der Account, der seit November 2020 existiert, resultierte aus einer Projektidee der Passauer Hochschulgruppe „spaetschicht.tv“. Im Wintersemester 2019/2020 begannen die Studentinnen Sadia Ouro-Gbele, Jasmin Ehbauer und Rebecca „Becky“ David mit der Produktion von Videos, die ursprünglich nur auf dem YouTube-Kanal von „spaetschicht.tv“ veröffentlicht werden sollten. Aufgrund der Corona-bedingten Schließung der Universität und somit auch der Räumlichkeiten für Videoschnitte musste der Start des Projekts jedoch verschoben werden.
Trotz Lockdown: Die Entstehung des Instagram-Accounts
„Wir wollten aber unbedingt trotzdem an die Öffentlichkeit gehen, um auf die Thematik Rassismus aufmerksam zu machen“, erklärt Rebecca David. Daher beschloss sie gemeinsam mit Sadia Ouro-Gbele und Jasmin Ehbauer einen Instagram-Account zu erstellen. „Während der Videoproduktionen und der gesamten Arbeit an dem Projekt stellten wir immer wieder fest, dass wir noch eine Menge voneinander lernen können“, erinnert sich die 22-Jährige. „Vielleicht liegt es an unseren Studieninhalten – damit wuchs die Motivation, diese Informationen auch nach außen zu tragen.“
Rebecca studiert „Medien- und Kommunikationswissenschaften“, Sadia und Jasmin befinden sich im sechsten bzw. siebten Semester des Studiengangs „Journalistik und Strategische Kommunikation“. Mit Instagram als Plattform konnten die Freundinnen ihr ursprüngliches Konzept, kurze und informative Videos zu teilen, erweitern. „Wir haben von Anfang an eine Menge Unterstützung bekommen“, sagt Rebecca. „Eine Freundin von Sadia studiert Mediendesign und bot uns an, Bilder für unseren Account zu erstellen.“ Durch die Möglichkeit, Texte und Links zu posten, erhofft sich das Team, noch mehr Informationen mitteilen zu können.
Hintergrundwissen als Wunderwaffe
Denn Informationen, Wissen und Aufklärung sind elementar in der Anti-Rassismus Arbeit, wie auch die Studentin weiß: „Es geht überhaupt nicht darum, jemanden streng zu belehren – wir müssen uns aber alle eingestehen, dass wir noch eine Menge lernen müssen und Fehler machen – jeder und jede einzelne von uns.“ Diese könne man in Zukunft nur verhindern, wenn genügend Hintergrundwissen vorhanden ist – davon ist Rebecca überzeugt.
Als Beispiel nennt sie die aus ihrer Sicht immer noch sehr oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema Rassismus: „Es gibt dafür sogar einen Begriff. Unter Performative Allyship versteht man das Phänomen, dass Menschen sich zwar mit Rassismus, Inklusion von Minderheiten und verwandten Themen befassen, jedoch nicht bereit sind, auch grundlegende Gewohnheiten zu ändern.“
Doch genau da gehe die Arbeit erst richtig los, wie die Macher hinter „Reality Diversity Talk“ betonen. Da wäre beispielsweise der sog. Blackout Tuesday, an dem Millionen Menschen weltweit ein schwarzes Quadrat gepostet hatten, nachdem der Amerikaner George Floyd gewaltsam von einem weißen Polizisten im US-Bundesstaat Minnesota getötet wurde. Offenbar schien ein großer Teil der Nutzer den Grundgedanken der Aktion nicht zu kennen. Denn eigentlich sollten die Story-Funktion und das Posten von Beiträgen an diesem Tag pausiert werden, um BIPoC (Black, Indigenous and People of Colour) Raum zu geben, sich Gehör zu verschaffen. Weiße Menschen sollten alternativ Informationen, Bücher oder andere Inhalte verlinken, die sie als hilfreich empfinden. Doch diese Aspekte schienen in der Masse der (gut gemeinten) schwarzen Quadrate unterzugehen.
Ein weiteres Beispiel für Performative Allyship sind sprachliche Phänomene: „Wenn es darum geht, ihre Sprachgewohnheiten zu ändern, machen viele Leute zu“, weiß Rebecca zu berichten. „Dann heißt es oftmals: Ich meine es ja nicht rassistisch, wenn ich XY sage…“
Die Macht der Sprache
Gemeint sind Wörter wie „Zigeuner-Schnitzel“ und eine Reihe weiterer Begriffe, die immer noch verbreitet sind und im Alltag verwendet werden. „Man kann Sprache und Rassismus aber nicht einfach voneinander trennen“, erklärt die Studentin. „Wir müssen begreifen, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist: Er ist auf allen Ebenen so tief verankert, dass es nun mal nicht ausreicht, ein schwarzes Quadrat zu posten. Jeder von uns ist rassistisch, ob wir wollen oder nicht. Das liegt an der jahrhundertelangen Struktur, mit der unser Welt-System arbeitet.“
Damit spielt sie auf die Kategorisierung und Klassifizierung von Menschen an. Während der Projektarbeit wurde den drei Studentinnen immer stärker bewusst, welche Macht die Sprache hat: „Sprache ist wie ein Grundpfeiler – unsere Kultur basiert auf Sprache, deshalb hat sie so eine Macht“, sagt Rebecca. Durch das Aufrechterhalten von Begriffen oder Redewendungen komme es automatisch zu einer Reproduktion von mittransportierten Privilegien und Kategorisierungen. „Wir dürfen nie vergessen, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte hat. Für eine Person ist es vielleicht nur ein Begriff, bei einer anderen reißt aber genau dieser alte Wunden auf.“
Die Komplexität dieses Phänomens lässt erahnen, wie vielschichtig Rassismus ist. Das erklärt vielleicht, wieso einige sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen möchten – oder vor sich und anderen zu rechtfertigen versuchen, dass das, was sie tun, schon ausreichend sei. Deshalb möchten die Gründerinnen unabhängig von der Hochschulgruppe und auch nach ihrem Studium weiterhin Inhalte produzieren und veröffentlichen. „Nachdem wir in der ersten Phase die Videos produziert haben, konnten wir gerade jetzt, während des Black History Month, viele Informationen über Instagram und YouTube teilen.“
Ein „Safespace“ für BIPoC
Die Plattform soll auch künftig weiter existieren, um einerseits Informationen anzubieten und die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen. Gleichzeitig möchten die Initiatorinnen eine Art „Safespace“ erschaffen – einen Ort, an dem BIPoC eine Stimme bekommen und sich sicher fühlen, um sich untereinander auszutauschen.
Dabei ist es den Studentinnen wichtig, selbst offen zu bleiben und Neues zu lernen: „Wir sind natürlich keine ausgebildeten Pädagogen“, betont Rebecca. „Aber allein durch Recherche und vor allem durch den Austausch mit anderen konnten wir bereits viele neue Denkanstöße dazugewinnen.“ Von ihren Erfahrungen und Einblicken werden sie deshalb auch in Zukunft über ihre Social-Media-Kanäle berichten, damit nicht nur im Rahmen eines Themen-Monats anti-rassistische Bildungsarbeit stattfindet.
Malin Schmidt-Ott