Thurmannsbang. Viel los ist derzeit nicht auf den Straßen von Thurmannsbang. Nur wenige Leute sind unterwegs während des Lockdowns. Doch wer genauer hinschaut, sieht: Es tut sich was. Im Ortskern wird das ehemalige Gasthaus „Zur Linde“ umgebaut. Sechs barrierefreie Wohneinheiten entstehen dort. Dazu ein Bürgersaal mit Bürgercafé. Zur Ortskernbelebung. Investitionssumme: drei Millionen Euro. Ein Projekt ganz nach dem Geschmack von Bürgermeister Martin Behringer.
Ebenso am Herzen liegt ihm der weitere Glasfaser-Ausbau in „seiner“ Gemeinde. Das Fernziel: Jedes Haus soll einen Anschluss bekommen. Gerade jetzt gilt es hier zu investieren, sagt der Rathaus-Chef. Denn jetzt gibt es die Fördergelder. Dann ist da noch der Neubau der Kläranlage. Mittlerweile die dritte, die unter seiner Ägide errichtet wird. Und das diesjährige Elefanten-Treffen? Das ist leider den Corona-Beschränkungen zum Opfer gefallen. Doch es gibt eine Online-Version, informiert Martin Behringer im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n weiter. Natürlich darf dabei auch das Thema Corona nicht fehlen. Genauso wie das Leib-und-Magen-Thema des 49-Jährigen: ein mögliches Atommüll-Endlager im Saldenburger Granit.
„Das ist meine einzige Hoffnung, die ich habe“
Welche Auswirkungen hat die Coronakrise bislang auf das Gemeindeleben? Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Man kriegt ehrlich gesagt nicht mehr so viel mit – zumindest geht’s mir so. Denn man hat nicht mehr so viel Kontakt zu den Leuten, zu den Vereinen. Ich denke, dass die Lage mittlerweile jeden aufregt, was ich gut nachvollziehen kann. Einige haben mit Existenzängsten zu kämpfen. Man kann nur hoffen, wenn alles einmal wieder vorbei sein sollte, dass das ehrenamtliche Engagement für die Vereine nicht nachlässt. Ich befürchte aber, dass viele sagen: Naja, es ist auch ohne Vereinsarbeit gegangen – warum soll ich mir das nochmal antun? Oder: Warum soll ich auf das Fest gehen – es ist doch auch ohne gegangen?
Glauben Sie nicht, dass sich die Menschen nach dem Lockdown auch wieder nach dem Vereinsleben sehnen?
Das ist meine einzige Hoffnung, die ich habe. Dass sie wieder raus wollen. Aber wie gesagt: Ich habe Bedenken, dass sich viele zurückziehen könnten – und eben dem Vereinsleben künftig fern bleiben. Das ist die Gefahr. Innerhalb der Gemeindeverwaltung haben wir unsere Arbeit jedenfalls so gut wie möglich weitergemacht. Ich bin froh, dass es weder hier im Rathaus noch im Bauhof einen Corona-Fall gegeben hat und keiner von uns sich in Quarantäne begeben musste.
„Kritik ist immer schnell geäußert“
Denken Sie, dass die Regierung die richtige Strategie zur Corona-Eindämmung anwendet?
Kritik ist immer schnell geäußert – wenn man in der Verantwortung steht, gestaltet sich die Lage aber etwas schwieriger. Im Nachhinein weiß man es immer besser. Aber: Wenn jemand stirbt aus denjenigen Familien, die die Corona-Maßnahmen massiv kritisieren, dann wären sie vermutlich die Ersten, die schreien würden: Du böser Staat!
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass bis dato das Ganze nicht schlecht gelaufen ist. Verbesserungswürdig sind gewiss ein paar Dinge, wie etwa die anfängliche Testpraxis oder jetzt auch die Durchführung der Impfungen – aber: Wir befinden uns in einem Lernprozess – und man muss eben nachsteuern, wenn man merkt, dass ein gewisser Weg nicht funktioniert hat. Es gibt dennoch vieles, das – Gott sei Dank – gut gelaufen ist. Man sieht das – verglichen mit anderen Ländern wie zum Beispiel England – auch an den Zahlen. Da sind wir gut weggekommen und dürfen uns nicht beklagen. Hinzu kommt: Deutschland ist der einzige Staat in Europa, der sich auch finanziell leichter tut als etwa Spanien oder Italien.
Themawechsel: Im Hog’n-Interview aus dem Jahr 2015 hatten Sie beanstandet, dass Förderungen von staatlicher Seite zwar genehmigt würden, deren Ausbezahlung jedoch oftmals viel zu lange dauere. Zitat von Ihnen damals: „Man lässt die Gemeinden am verlängerten Arm verhungern.“ Hat sich daran etwas geändert?
Ja, es hat sich was geändert. Wir bekommen die Fördergelder nun relativ zeitnah. Die Abrufanträge bzw. die Ausbezahlung der endgültigen Bescheide werden relativ schnell umgesetzt. Im vergangenen Jahr etwa lief es sehr gut bei den Feuerwehrautos. Die Ursache für die verbesserte Förderpraxis mag darin begründet liegen, dass generell mehr Geld vorhanden ist und die Fördertöpfe gut gefüllt sind. Wir haben uns ebenso um einen guten Kontakt zu den Förderstellen bemüht – das erleichtert vieles.
„Zu wenig Transparenz“
Ein Thema, für das Sie sich zuletzt wieder stark gemacht haben, ist die Verhinderung eines Atommüll-Endlagers im Saldenburger Granit. Was ist hier der Stand der Dinge?
Immer mittwochs tagt die sog. Arbeitsgruppe „Vorbereitung“, vom 5. bis 7. Februar findet die nächste große „Fachkonferenz Teilgebiete“ statt, eine Online-Veranstaltung, an der jeder Bürger, jede Kommune, jeder Verband teilnehmen kann. Da gibt es die neuesten Informationen. Ich persönlich erachte es als schwierig, dabei mehr als 1.000 Teilnehmer in Arbeitsgruppen zu koordinieren und eine produktive Diskussion entstehen zu lassen, doch ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass bei dem gesamten Prozess der Endlagersuche zu wenig Transparenz vorherrscht. Gerade auf Bundesebene gibt es teils recht wenige Möglichkeiten an Informationen zu kommen. Die Kommunikation ist ausbaufähig. Und ich denke, dass viele Sachen bereits ausgemacht sind. Es wurde auch zuletzt in der Vorbereitungsgruppe wieder kritisiert, dass im Hintergrund sehr vieles vonstatten geht, das man so überhaupt nicht mitbekommt. Das wird dann zwar immer bestritten, aber ich habe faktisch in die zuständige Behörde keinen Einblick.
Saldenburgs Bürgermeister Max König und ich haben moniert, warum man den Prozess zum aktuellen Zeitpunkt nicht einfach aussetzt. Es ist ein Thema, das uns noch eine Million Jahre beschäftigen wird. Kommt es da nun auf ein Jahr mehr oder weniger an? Meiner Meinung nach nicht. Denn wenn ich wirklich transparent und sauber arbeiten möchte, muss ich auch so ehrlich sein und sagen: Leute, wir können den Prozess momentan nicht so transparent gestalten, dass es für alle passt. Auch wenn es online möglich ist – aber online ist nicht dasselbe wie eine Veranstaltung, auf der man miteinander diskutiert, sich von Angesicht zu Angesicht begegnet. Doch alles wird nun durchgezogen, streng nach Zeitplan, unter Berufung auf Gesetze, die man gewiss auch ändern könnte…
Gibt es irgendwelche Befürchtungen Ihrerseits, die sich aus der augenscheinlichen Intransparenz ergeben könnten?
Ich sag’s immer wieder: Wir bekommen Zustände wie bei Stuttgart 21, weil die Bürger in dieser Phase relativ wenig mitbekommen. Doch wenn die Sache dann einmal entschieden ist, dann ist die Verwunderung in der Bevölkerung groß, weil das Thema Entscheidungsfindungsprozess zu wenig in der Öffentlichkeit präsent gewesen ist. Sobald die Entscheidung aber getroffen ist, ist es zu spät. Diese Kritik kommt immer wieder – doch sie verhallt und wird nicht angenommen.
„Das wäre für mich der ehrlichere Prozess gewesen“
Wie hoch schätzen Sie zum jetzigen Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit ein, dass das Saldenburger Granit am Ende für das Atommüll-Endlager ausscheidet?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Grundsätzlich denke ich: Wenn einmal ein gewisser Widerstand vorhanden ist, tut man sich um einiges leichter damit, die Sache zu verhindern. Die Chancen sind 50:50. Stichwort Gorleben – warum ist Gorleben als mögliches Endlager rausgefallen? War der Protest zu stark? Gab es zu viel politischen Einfluss? Darüber darf spekuliert werden. Ich bin der Meinung, dass es eher Letzteres war – und eben keine wissenschaftlichen Grundlagen, die den Ausschlag gegeben haben. Denn wenn es ehrlich und transparent zugegangen wäre, hätte man Gorleben drinnen lassen müssen, um dann zu vergleichen und zu ergründen, ob es einen besseren Standort als Gorleben gibt. Das wäre für mich der ehrlichere Prozess gewesen.
Denken Sie, dass die letztliche Entscheidung aufgrund von wissenschaftlichen Fakten getroffen wird – oder aufgrund von politischer Einflussnahme?
Es wird eine politische Entscheidung des Bundestags geben. Er muss darüber abstimmen und die Richtung vorgeben. Es sollte freilich aufgrund von wissenschaftlichen Daten und Fakten entschieden werden. Aber das ist wie mit Gorleben: Fünf von zehn Wissenschaftlern sagen, es sei geeignet – die andere Hälfte sagt, es sei nicht geeignet. Ich denke: Diejenige Region, die politisch am schwächsten aufgestellt ist, hat vermutlich die geringsten Chancen, das Atommüll-Endlager zu verhindern. Es geht um Stimmen, um Existenzen. Ein schwieriges Thema…
Wie hoch schätzen Sie die Endlager-Gefahr ein, die vom AKW Temelin im benachbarten Tschechien ausgeht?
Es ist bekannt: Die Tschechen arbeiten an einem Endlager nahe der bayerisch-böhmischen Grenze. Wenn sich dort herausstellt, dass der Granit geeignet ist, werden wir in eine argumentative Notlage geraten. Aber da wird vieles mit Geld geregelt…
„Das ist ein gutes Zeichen nach außen“
Wie meinen Sie das?
Auch zu mir wurde bereits gesagt: Haltet die Beine still, dann könnt ihr viel Geld rausschinden. Will heißen: Wenn ein Endlager in den Bayerwald kommt, gibt’s dafür viel „Schmerzensgeld“ und Arbeitsplätze. Doch ich denke nicht, dass die Wohnqualität dadurch angehoben wird – und der Tourismus sicher auch nicht. Entweder wir erhalten unsere Natur und unser Lebensumfeld so, wie es ist. Oder wir verkaufen es. Und solange ich in der Verantwortung stehe, verkaufen wir sicherlich nicht. Da sind wir uns übrigens alle einig hier in der Region, auch landkreisübergreifend, von den Bürgermeisterkollegen bis zum Landrat. Das ist ein gutes Zeichen nach außen – und das macht uns wehrhaft.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer
Zum Thema „Fachkonferenz Teilgebiete“: