Passau. Präsenz oder online – das ist hier die Frage: Sollten die Studierenden ihre Prüfungen im Wintersemester 2020/21 in (physischer) Anwesenheit ablegen – oder sollte dies aufgrund der immer noch angespannten Corona-Lage nicht doch besser online vonstatten gehen? Darüber zerbrechen sich momentan die Verantwortlichen an den Hochschulen die Köpfe – so auch an der Universität Passau.
Dabei hatte die Lehranstalt in der Dreiflüssestadt sehr lange mit Präsenzprüfungen geplant – zu lange, wie nicht wenige kritische Stimmen aus den Reihen der Studenten behaupten. Als die Infektionszahlen gestiegen sind, forderten viele von ihnen Klarheit über die Vorgehensweise bei den nun Ende Februar anstehenden Abschlusstests. Die Prüfer hatten dabei Hog’n-Informationen zufolge zunächst auf die Universitätsleitung und das Prüfungssekretariat verwiesen. Die Unileitung richtete wenig später einen eindringlichen Appell an die Prüfer auf online umzustellen – wobei Präsident Ulrich Bartosch per Videobotschaft verkündete, dass es an technischen Möglichkeiten fehle, um dies ganzheitlich durchzuführen. Der aktuelle Prüfungsplan gleicht daher aus Sicht der Studierenden einem sich ständig ändernden Pamphlet der Unsicherheit. Das Onlinemagazin da Hog’n hat deshalb die Uni-Leitung mit den sich stellenden Fragen konfrontiert – und in Person von Pressesprecherin Katrina Jordan Antworten erhalten.
„Über den Modus bestimmt jeweils der Prüfer“
Warum hält Passau an der Option zur Präsenzprüfung fest, während andere Universitäten wie Regensburg komplett auf online umstellen? Mangelt es der Uni im Vergleich zu anderen an Ausstattung, an Willen – oder hat man die zweite Welle übersehen?
Die Universität Passau verfolgt die Devise, in diesem Semester so wenige Prüfungen wie möglich in Präsenz durchzuführen. Zugleich ist die Universität in der Pflicht, allen Studierenden trotz der gegebenen Umstände zu ermöglichen, das Studium oder wichtige Studienabschnitte abzuschließen. Präsenzprüfungen sind daher je nach Fach nicht völlig zu vermeiden, wenn keine Nachteile für unsere Studierenden entstehen sollen. Auch bei den Staatsexamina Lehramt und Jura haben die zuständigen Ministerien Präsenzprüfungen angesetzt.
Für eine ungefähre Größenordnung: Insgesamt stehen durchschnittlich um die 50.000 Prüfungsereignisse in einem Wintersemester an – Staatsexamina ausgenommen. Davon entfallen derzeit nur noch rund 13.000 auf Präsenzprüfungen, d.h. fast drei Viertel der Prüfungen wurden bereits auf alternative Formate umgestellt. Die Umstellung ist auch weiterhin möglich, sodass die Zahl der Präsenzprüfungen in den nächsten Wochen noch weiter sinken kann.
Wir geben unser Bestes, damit die verbliebenen Präsenzprüfungen so sicher und erfolgreich wie möglich stattfinden können. Unsere Prüfungen finden unter den Maßgaben eines strengen und mit dem Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzept statt. Damit haben wir bereits im vergangenen Semester sehr gute Erfahrungen gemacht und auch von den Studierenden positive Rückmeldungen dazu erhalten.
Zunächst hieß es, Leitung und Prüfungssekretariat bestimmen über Prüfungen, dann wurde an die PrüferInnen eindringlich appelliert, auf online zu wechseln. Wie erklärt man dieses Vorgehen?
Für die universitären Prüfungen gilt: Über den Modus – Präsenz oder online – bestimmt jeweils die Prüferin bzw. der Prüfer. Die Universitätsleitung hat an alle Prüfenden eindringlich appelliert, soweit als möglich auf Präsenzformate zu verzichten und alternativen Formaten den Vorzug zu geben.
Erweiterung der Corona-Satzung um eine Freiversuchsregelung
Gleichzeitig zum Appell wurde ein Video veröffentlicht, indem von mangelnden technischen Möglichkeiten die Rede ist – wie passt das zusammen? Es wurden im vergangenen Semester bereits einige Prüfungen online durchgeführt, wieso wurde hieran nicht weitergearbeitet, sondern von Anfang an auf Präsenz gesetzt und nun daran nun festgehalten?
Die Bayerische Fernprüfungserprobungsverordnung gibt uns den Rahmen für digitale Prüfungen. Diese sind derzeit – wie es der Name der Verordnung wiedergibt – erst in Erprobung, aber noch nicht im flächendeckenden Einsatz. Insofern sind die technischen Möglichkeiten der Hochschulen in Bayern bei digitalen Prüfungen noch ausbaufähig – mehr Infos hierzu gibt es in der Mitteilung des Wissenschaftsministeriums zu lesen. Deshalb bieten wir auch Präsenzprüfungen an, da sich eben nicht in allen Fällen und Bereichen Prüfungen rein alternativ abbilden und überwachen lassen.
An der Universität Passau wurde eigens das Transferforum Didaktik-Technik eingerichtet, das seit dem Sommersemester 2020 die Online-Lehre und auch den Bereich Digitales Prüfen der Universität weiterentwickelt. Es bietet unseren Dozierenden Werkzeuge, Vorlagen und Schulungen an, damit sie die bereits verfügbaren alternativen Prüfungsformate und -systeme technisch und didaktisch optimal nutzen können.
Wieso verlangt die Uni unter gleichen Zeitkonditionen zu schreiben, während die Bedingungen mit Maske und womöglich ständig anlaufender Brille nicht die gleichen sind. Ist das noch Chancengleichheit – auch unter dem Aspekt, dass Studierende, die selbst (oder deren Angehörige) zum Risikopublikum gehören, womöglich gar nicht zur Prüfung erscheinen?
Die Sicherheit unserer Prüflinge und unseres Aufsichtspersonals steht für uns an oberster Stelle. Die Universität Passau hat sich deshalb für eine durchgehende Maskenpflicht in allen universitären Prüfungen entschieden. Der Mund-Nasen-Schutz ist – wie zurzeit auch in vielen anderen Lebensbereichen – keine angenehme Maßnahme, aber ein unvermeidbarer Schritt, wenn wir alle Beteiligten so gut wie nur möglich schützen wollen. Der Senat der Universität beschäftigt sich zurzeit mit der Erweiterung der Corona-Satzung um eine Freiversuchsregelung. Sollte diese beschlossen werden, wäre es wie bereits im Sommersemester möglich, dass nicht angetretene und/oder nicht bestandene Prüfungen nicht gewertet werden.
Keine Notwendigkeit zur generellen Quarantänisierung, falls…
Die Anreise und Übernachtung stellt viele Studierende vor Probleme. Prüfungen können bis zu drei Tagen vorher geändert werden. Sehen Sie da ein logistisches Problem auf die Stadt und ein finanzielles Problem auf die Studierenden zukommen? Provoziert das Vorgehen nicht ein Infektionsrisiko?
Die Sorge der Studierenden im Hinblick auf Unterkunftsmöglichkeiten während des strengen Lockdowns können wir gut nachvollziehen. Gerade dieses Problem würden wir gerne mit der Umstellung auf möglichst viele Online-Prüfungen beantworten. Parallel prüft die Universität zurzeit, ob es Möglichkeiten gibt, Unterkünfte für Prüflinge, die nicht in Passau wohnen, zu organisieren.
In Ansbach mussten 98 Studierende nach einer Prüfung in Quarantäne. Ein Hygienekonzept wurde angewandt, die Studierenden hielten sich an die Maskenpflicht. Wie sieht es in Passau aus, sollte ein Prüfling nach der Prüfung positiv getestet werden? Wie wird es dann weitergehen? Und: Zeigt der Fall Ansbach nicht auch, dass ein gewisses Restrisiko bleibt? Viele Betriebe haben ein Hygienekonzept erstellt, mussten aber schließen und bangen ums Überleben. Ist es gerechtfertigt, als Universität mit Option auf Online-Prüfungen weiterhin Präsenz zuzulassen?
Unser Schutz- und Hygienekonzept ist hier besonders streng ausgelegt und jüngst auch noch einmal vom Gesundheitsamt geprüft worden. Das Ergebnis: Aufgrund der örtlichen Situation, des Lüftungskonzeptes und des organisatorischen Ablaufes besteht weiterhin nicht die Notwendigkeit zur generellen Quarantänisierung, falls im Nachhinein ein Prüfling positiv getestet wird. Das Schutz- und Hygienekonzept der Universität ist auf den Infoseiten zu den Präsenzprüfungen zu finden. Die Universität Passau gibt keine Kommentare zur Situation an anderen Hochschulen ab.
Keine Statement zu hochschulpolitischen Entscheidungen
Ist es auch ein politisches Versäumnis, dass die Hochschulen, zumindest nach eigenen Angaben, mit mangelnder technischer Ausstattung und fehlender juristischer Sicherheit konfrontiert sind?
Fragen nach hochschulpolitischen Entscheidungen sind an die Pressestelle des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst zu richten.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
Eine Regensburger Studentin schreibt:
Liebe Hog’n Redaktion,
es ist sehr erfreulich, dass endlich auch die Lage der Student*innen angesprochen wird hinsichtlich ungewissen und ständig wechselnden Prüfungskonditionen.
Jedoch würde ich Sie gerne darauf hinweisen, dass die Lage an anderen Universitäten sich nicht bedeutend von der Situation in Passau unterscheidet. Anders als in Ihrem Artikel geschildert, macht die Universität Regensburg vieles – aber ganz gewiss nicht auf ausschließlich Online-Prüfungen umstellen.
Dies kann ich als Studentin der Uni Regensburg aus persönlichen Erfahrungen bestätigen. Am 13. Januar war der aktuelle Stand noch, dass alle geplanten Präsenzprüfungen stattfinden können und das Hygienekonzept für Prüfungen sehr gut aufgestellt ist. Nur wenige Tage später, am 18. Januar, dann die Meldung, dass alle Präsenzprüfungen bis Mitte Februar ausgesetzt werden (davon betroffen auch alle fünf meiner Klausuren).
Nun wurden aber vier der fünf Klausuren nicht etwa in ein Online-Format umgewandelt, sondern lediglich verschoben – auf Mitte/Ende März, natürlich als Präsenzklausuren. Die Begründung der zuständigen Dozenten? Ein Großteil der Klausurenformate ist nach der Rahmenprüfungsordnung der Universität Regensburg überhaupt nicht oder nur sehr aufwändig als Online-Prüfung umsetzbar und es müsse ja auch gewährleistet sein, dass die Prüfungskonditionen mit denen der letzten Jahre vergleichbar sind.
Stellt sich nur die Frage inwieweit die Online-Lehre an sich mit den letzten Jahren vergleichbar ist.