Frauenau. Wäre Fritz Schreder Motorsportler, würde man feststellen, dass er auf der Pole Position in das Rennen um den Wahl-Sieg gegangen ist. Für viele Frauenauer war der 55-Jährige, der zuvor bereits zwölf Jahre als zweiter Bürgermeister aktiv gewesen ist, der haushohe Favorit auf die Nachfolge von Herbert Schreiner. Und der gebürtiger Lindberger und ehemalige Betriebsrat der Firma Rodenstock wurde den Erwartungen gerecht: Er setzte sich bereits im ersten Durchgang gegen drei Mitbewerber durch. Warum seine Wahl dennoch keine Formsache war und warum er überhaupt Gemeindeoberhaupt werden wollte, darauf blickt Fritz Schreder im Hog’n-Interview genauso wie auf aktuell wichtige Themen rund um „d’Au“, wie der Ort im südlichen Landkreis Regen landläufig genannt wird.

Fritz Schreder setzte sich gegen drei Kandidaten durch und trat Anfang dieses Jahres die Nachfolge von Herbert Schreiner als Bürgermeister der Gemeinde Frauenau an.
Herr Schreder, gleich zum Einstieg eine steile These: Als bisheriger zweiter Bürgermeister und in vielen Vereinen Frauenaus verwurzelter Bürger war Ihre Wahl zum Nachfolger von Herbert Schreiner reine Formsache.
Nein, soweit würde ich nicht gehen. Es haben sich vier Kandidaten zur Wahl gestellt, von denen jeder Bürgermeister werden wollte. Es wäre daher der größte Fehler überhaupt gewesen, sich zu sicher zu fühlen, nur weil ich zwölf Jahre stellvertretendes Gemeindeoberhaupt war. Das wäre respektlos gewesen.
Wie blicken Sie auf den Wahlkampf zurück?
Ohne irgendwelche negativen Gefühle. Wir hatten einen fairen Umgang. Keiner der Kandidaten hat sich unangemessen benommen oder einen Mitbewerber unfair behandelt. Ich möchte fast von einem freundschaftlichen Miteinander reden. Man darf nicht vergessen, dass alle vier Bürgermeister-Bewerber nun auch im Gemeinderat sitzen. Bisher hat das noch zu keinen Streitereien geführt – und ich gehe davon aus, dass das auch so bleibt.
Ist „d’Au“ besonders politisch interessiert?
Für eine Gemeinde der Größenordnung von Frauenau war es etwas Außergewöhnliches, dass gleich vier Bürgermeister-Kandidaten zur Wahl standen. War das Zufall – oder ist rund um „d’Au“ das politische Interesse größer als im restlichen Bayerischen Wald?
Zufall ist das nicht. Das Ganze ist eher historisch begründet. Die SPD ist in Frauenau traditionell sehr stark. Das lag an der großen Arbeiterschaft in der Glasfabrik, die sich in der Gewerkschaft engagierte und deshalb bei den Sozialdemokraten gelandet ist. Deshalb war es irgendwie logisch, dass diese Partei einen Bürgermeister-Kandidaten stellte – nämlich mich. Dass die CSU im tiefschwarzen Bayerwald ebenfalls mitmischen wollte, war ebenso klar. Durch Dietmar Dengler sind auch die Grünen bei uns sehr gut aufgestellt. Hinzu gekommen sind noch die Unabhängigen, die bei Kommunalwahlen in Frauenau ebenfalls schon lange antreten.
Es ist vollkommen legitim, dass so viele Kandidaten zur Wahl standen. Meiner Meinung nach hängt das auch damit zusammen, dass nach einem Bürgermeister, der derart fest im Sattel gesessen ist wie Herbert Schreiner, von verschiedenen Seiten Interesse an einer Nachfolge bestand.

Die neue Heimat, das Rathaus von Frauenau, kam bereits in den Genuss einer Dorferneuerung.
Dass sie sich gleich im ersten Wahldurchgang gegen drei Mitbewerber durchgesetzt haben, ist die größte Bestätigung überhaupt, nicht?
Natürlich. Das hat mich sehr gefreut. Man hat natürlich nicht davon ausgehen können, dass es gleich im ersten Durchgang ein Endergebnis gibt.
Nachdem Sie bereits Stellvertreter Ihres Vorgängers Herbert Schreiner waren, konnten Sie gleich nach Amtsantritt loslegen – ohne Eingewöhnungsphase, oder?
Man weiß als zweiter Bürgermeister vieles, was in einer Gemeinde an der Tagesordnung ist – jedoch eher oberflächlich. Deshalb hatte ich sicherlich Vorteile, was den Einstieg betrifft. Nichtsdestotrotz war die Eingewöhnungsphase genauso intensiv wie für einen kompletten Neueinsteiger. Mit gewissen Themenbereichen konnte ich mich auch nach einem halben Jahr noch nicht nähergehender beschäftigen, da dafür einfach wenig Zeit blieb. Das Tagesgeschäft einer Gemeinde ist sehr komplex. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass mir Herbert Schreiner nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite steht. Er ist immer erreichbar für mich.
Auch wenn es vielleicht etwas makaber klingen mag, aber: War der Lockdown gleich zum Amtsantritt ein Vorteil, weil dadurch viele Termine ausgefallen sind und Sie somit mehr Zeit für Sachthemen hatten?
Da gibt es zwei Seiten. Natürlich hatte ich – gerade abends – weniger Termine und habe mich deshalb in gewisse Sachbereiche besser einlesen können. Als Bürgermeister ist es aber auch sehr wichtig, nah dran zu sein an den Menschen – und das direkte Gespräch kann die beste Videokonferenz nicht ersetzen. Persönliche Gespräche sind als Bürgermeister sehr wichtig. Da hört man, wo der Schuh drückt.
„Harmonisch bedeutet nicht, dass bei uns nicht diskutiert wird“
Als ehemaliger Betriebsrat sind sie es ja gewohnt, quasi als „Kummerkasten“ zu agieren.
Das stimmt (schmunzelt). Bürgermeister und Betriebsrat – das sind schon sehr ähnliche Jobs.
Warum wollten Sie überhaupt Oberhaupt der Gemeinde Frauenau werden?
Das war eine Entscheidung, die sich nach und nach so entwickelt hat. Ich wohne und lebe gerne hier und bin in vielen Vereinen verwurzelt. Mir gefällt es, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und dabei Verantwortung zu übernehmen. Das ist mein Ding. Und so hat sich das Ganze nach und nach in Richtung Bürgermeister-Amt entwickelt. Ich finde es super, dass hier so ein starker Zusammenhalt herrscht.
Böse Stimmen könnten behaupten, es wäre zu harmonisch – auch im Gemeinderat.
Harmonisch bedeutet nicht, dass bei uns nicht diskutiert wird. Im Gegenteil. Diskussionen sind gerade in der Politik sehr wichtig. Maßgeblich ist, um den Begriff harmonisch in diesem Zusammenhang näher zu erklären, dass alle Gemeinderatsmitglieder gleich behandelt werden. Jeder wird vor den Sitzungen mit dem gleichen Material versorgt, jeder hat natürlich die Möglichkeit, bei den Sitzungen zu sprechen. Es gibt keine besser und schlechter gestellten Räte. Erfüllt man diese Grundvoraussetzungen, erübrigen sich viele Diskussionen – gerade diejenigen, die aus der Emotion heraus geführt werden.

Der gebürtige Lindberger hat vor mehr als 35 Jahren nach Frauenau geheiratet und fühlt sich als „Auerer“ durch und durch.
Kommen wir zu den Sachthemen und gleich zu einem sehr großen und langwierigen Projekt: Der Stadtumbau West. Erklären Sie uns doch einmal, was sich hinter diesem eher sperrigen Begriff verbirgt.
Der Stadtumbau West heißt offiziell Ringschluss Südwest (schmunzelt). Wobei der Name eigentlich nebensächlich ist bei dem, was wir vorhaben. Vor sieben Jahren haben wir damit begonnen, den Ortskern vom oberen Bereich ausgehend zu erneuern. Bis zum Bahngleis sind wir bereits gekommen, nun geht es weiter. Der Ring bis zur Glashütte Eisch soll geschlossen werden. Das heißt: Die Gehwegsituation muss verbessert, die Abführung des Oberflächenwassers in der Althüttenstraße muss geregelt und gewisse Vorplätze müssen verschönert werden. Das Ganze soll ein stimmiges Bild ergeben.
Der Umbau ist also schon fertig gedacht. Wann wird es aber konkret?
Im Idealfall wird bereits im kommenden Jahr etwas geschehen. Allgemein: Kommt man aus der freien Wirtschaft, muss man zunächst einmal lernen, dass im öffentlichen Bereich gewisse Verfahren etwas länger dauern.
Gerade der untere Bereich der Hauptstraße rund um den Kirchenwirt ist und bleibt ein städtebauliches Sorgenkind.
Ich möchte auf keinen Fall, dass wir zuschauen, wie das Gebäude nach und nach verfällt. Die Gemeinde hat ja den Kirchenwirt gekauft. Die aktuelle Situation dort ist alles andere als zufriedenstellend. Das Objekt ist ein Schandfleck. Um unsere Pläne zu erklären, muss man etwas weiter ausholen.
Die Problemfälle Gistl-Saal und Kirchenwirt
Nur zu.
Es ist ja geplant, den Gistl-Saal zu sanieren, was extrem viel Geld kostet. Deshalb muss allein dieses Projekt sehr gut durchdacht werden. Wir brauchen hier Unterstützung in Form von Förderungen. Diese Mittel sind aber auch beim Kirchenwirt entscheidend. Deshalb haben die Vertreter der Regierung von Niederbayern eine Priorisierung gesetzt: Der Gistl-Saal hat Vorrang – und es soll vermieden werden, dass sich beide Gebäude in Sachen Nutzung überschneiden. Doch das ist nach Auffassung der Regierungs-Vertreter der Fall: Beide Räumlichkeiten sind für Veranstaltungen gedacht – mit unterschiedlichen Größen und Nutzungen. Die Priorisierung liegt beim Gistl. Die Sanierung des Kirchenwirt ist eher fraglich – zumindest zeitnah.
An beiden Gebäuden hängen viele Emotionen der Frauenauer.
Absolut. Beide Objekte gehören seit jeher zur Ortschaft. Dennoch ist es aktuell ruhig, was dieses Thema betrifft, denn die Bürger wissen, dass das Ganze viel Zeit in Anspruch nimmt. Derzeit läuft die Machbarkeitsstudie für den Gistl-Saal, die irgendwann nächstes Jahr vorgestellt werden soll. Diese Studie müssen wir abwarten, dann folgt der nächste Schritt.

Kirchenwirt: „Ich möchte auf keinen Fall, dass wir zuschauen, wie das Gebäude nach und nach verfällt.“
Großteils ohne aktuelle Nutzung ist auch die frühere Glasfabrik Riedel. Gewähren Sie uns einen Einblick: Wie versucht die Gemeinde, dieses Gelände wiederzubeleben?
Aktuell möchte ein Pächter gewisser Flächen, ein innovativer Glasofen-Bauer, dort eine Alternative zur Glasproduktion aufbauen. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen, weil das Gelände ja der Firma Riedel gehört – und die Gemeinde wenig bis gar keinen Einfluss darauf hat, was dort geschieht. Natürlich sind wir daran interessiert, dass dieses Areal nicht brach liegt. Doch es sind nun mal große Hallen, deren Nutzung beschränkt ist. Wir verstehen bis heute nicht, warum die Glasfabrik überhaupt geschlossen worden ist…
Das Glas-Aus ist also noch nicht verdaut?
Nein, absolut nicht. Meinen Informationen zufolge hatten wir hier ein gutes Werk, das erstklassige Qualität geliefert hat und lange Zeit überhaupt dafür sorgte, dass der Eigentümer wirtschaftlich gut dasteht. Warum wurde die Fabrik dann zugesperrt?
Gute Frage. Besteht denn noch Kontakt zur Firmenleitung von Riedel?
Während meiner bisherigen Amtszeit ist es zu keinen Gesprächen gekommen. Das steht aber auf meiner Agenda.
Ein Kauf durch die Gemeinde ist ausgeschlossen?
Ohne staatliche Hilfe, ja. Zumal ja die Flächen bestimmt auch umwelttechnisch belastet sind.
„Das Konstrukt FNBW hat sich augezahlt“
Wie ist die Stimmungslage diesbezüglich innerhalb der Bevölkerung? Ist die anfängliche Ohnmacht weg?
Die Schließung hat emotional und wirtschaftlich ein großes Loch hinterlassen. Glücklicherweise hat der Großteil der Belegschaft neue Arbeitsplätze gefunden. Doch es gibt auch Einzelschicksale, die den gesamten Ort beschäftigen.
Nach vielen sorgenvollen Themen nun ein erfreuliches: Der Tourismus rund um den Nationalpark und somit auch in Frauenau blüht auf. Sehen Sie sich als ehemaliger Gemeinderat bestätigt, die FNBW mit ins Leben gerufen zu haben?
Wir haben u.a. zwei Vier-Sterne-Hotels im Ort, die viel investiert haben in den vergangenen Jahren. Die guten Übernachtungszahlen liegen zum einen darin begründet, dass es bei uns Hoteliers gibt, die mit viel Herzblut bei der Sache sind. Zum anderen profitiert Frauenau deutlich vom verbesserten Image der Region, für das die FNBW gesorgt hat. In den Monaten Juni/Juli/August konnten wir ein Plus von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbuchen. Natürlich spielt uns dabei die Urlaub-dahoam-Welle in Folge von Corona in die Karten. Großteils ist die Region für diese guten Zahlen jedoch selbst verantwortlich. Alles in allem: Das Konstrukt FNBW hat sich ausgezahlt.

Ehemalige Glasfabrik Frauenau: „Natürlich sind wir daran interessiert, dass dieses Areal nicht brach liegt.“
Was muss geschehen, dass der Tourismus auf diesem Niveau bleibt – oder vielleicht sogar noch eine Stufe zulegt?
Mit Gewaltmaßnahmen erreicht man gar nix. Man muss stetig dranbleiben an dieser Sache. Immer wieder muss saniert werden, immer wieder muss etwas Neues entstehen – dann ist mir vor der Zukunft nicht bange.
Abschließende Frage: Wie viel Zeit bleibt angesichts der vielen Aufgaben noch für Ihre Familie und Hobbys – allen voran für den Musik- und Kulturverein?
Das ist sehr schwierig. Aus meinem Selbstverständnis heraus muss ein Bürgermeister immer erreichbar sein – selbst im Urlaub habe ich das Handy dabei und klinke mich ein, wenn es erforderlich ist. Freiräume sind dennoch wichtig. Aktuell muss ich mich aber noch dazu zwingen, mir auch einmal Zeit für meine Hobbys zu nehmen. Aber ich gelobe Besserung.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute für die Zukunft.
In Frauenau war vor Ort: Helmut Weigerstorfer