Altreichenau/Passau/New York. „Eigentlich bin ich total überrascht, wie gut alles bisher gelaufen ist“, gibt Julian Höcher zu. „Verbessern will ich mich dennoch täglich“, schiebt er ehrgeizig hinterher. Der 26-jährige Altreichenauer ist Filmemacher, der trotz seiner jungen Jahre bereits eine beachtliche Vita vorweisen kann. Zufällig in die Materie hineingerutscht, ist er mittlerweile in New York, Los Angeles und Kuba tätig. Im Out-of-da Woid-Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n spricht er über seine Entwicklung und Ideen, über seine Aufträge und Eigenkreationen, über Dustyn Alt und Steven Spielberg.
Von Altreichenau über Passau nach New York, vom Woid hinaus in die Welt – Julian, erzähl mal, wie ist es dazu gekommen?
Ich arbeite oft auf Tattoo-Messen in der Region, in diesem Fall war es eine Messe in Landshut. Dort ist Dustyn Alt mit seinem BMX-Bike aufgetreten und hat einige seiner Tricks gezeigt. Da man solche Fähigkeiten nicht an jeder Ecke zu sehen bekommt, dachte ich, ich frag ihn einfach mal, ob er an einer Zusammenarbeit interessiert ist. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mir das Angebot unterbreitet, mit ihm ein Wochenende nach Barcelona zu fliegen, um dort zu drehen. Eine Woche später rief er mich an und fragte, ob wir aus dem Wochenende in Barcelona nicht eine Woche New York machen könnten. Dieses Angebot konnte ich schlecht ablehnen (lacht).
Sein Einstiegslohn: Eine Tafel Schokolade oder ein Kasten Bier
Du hast Lehramt studiert, machst jetzt Filme. Ein außergewöhnlicher Wandel.
Im Wintersemester 10/11 habe ich zunächst damit begonnen, in Passau Grundschul-Lehramt zu studieren. Dass ich dann Filmer geworden bin, war totaler Zufall: Da ich an der Uni unter anderem das Fach Musik belegt hatte, habe ich mich dazu entschlossen, bei einem Musical als Gitarrist mitzuwirken. Einige der Schauspieler haben Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert. Sie haben mich gefragt, ob ich mal ihre Hochschulgruppe besuchen möchte. Wir sammelten viele Film-Ideen, die von der Uni-Leitung jedoch allesamt abgelehnt wurden. Also mussten wir das Ganze selbst in die Hand nehmen. Da ich als Grundschul-Lehrer jedoch nicht die Möglichkeit hatte, das Equipment der Uni nutzen zu dürfen, habe ich mir kurzerhand meine erste eigene Kamera gekauft. Das war vor etwa sechs Jahren.
Danach gab es kaum noch Tage, an denen ich die Kamera nicht in der Hand hielt. Ich habe fotografiert und gefilmt und in den Hochschulgruppen einiges gelernt. Irgendwann kamen dann die ersten Anfragen von Freunden, ob ich sie nicht einmal ablichten möchte. Zum Dank hab ich eine Tafel Schokolade oder auch mal einen Kasten Bier bekommen.
Den Schritt in die Selbstständigkeit habe ich nach meinem Hochschul-Abschluss gewagt. Ich habe gemerkt, dass ich mehr Zeit mit meiner Kamera verbringe möchte als mit dem Lernen und Unterrichten. Bis heute ist es dabei geblieben.
Drehs mit Jennifer Rostock, Mark Foster und 257er
Und dann landest Du plötzlich in New York. Doch die US-Metropole ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, oder?
Nein, natürlich nicht. Da ich stets sehr fleißig war, habe ich mir zuletzt etwas Luft erarbeiten können, um mal wieder eigene Projekte anzugehen – statt immer nur Kundenaufträge zu erfüllen. Ich wollte gerne mal wieder ein Musik-Video drehen und habe einen Aufruf bei Facebook gestartet, wer denn Lust dazu hätte, mit mir zu arbeiten. Da gab es unter den vielen Einsendungen eine Flugbegleiterin aus Frankfurt namens Marika Daria. Von ihr kam ein Angebot nach Los Angeles zu reisen, um dort zu drehen. Spontan haben wir uns dann aber – wegen eines noch attraktiveren Angebots – für Kuba entschieden. Da es immer noch ihr Traum ist, auch in LA ein Musikvideo zu machen, haben wir vereinbart, diesen Dreh nachzuholen.
New York, Kuba, Los Angeles – da bleiben doch keine Wünsche mehr offen.
Das stimmt (lacht). Mein Ziel ist es, mich selber weiter zu verbessern und dadurch mehr Menschen zu erreichen. Nur so kann ich noch interessantere Aufträge an Land ziehen. Klar wäre es cool, mal ein Musik-Video für einen der Chart-Stürmer zu drehen oder einen Werbeclip, der im Fernsehen läuft. Doch keine Angst – ich werde nicht größenwahnsinnig… Ich bin durchaus zufrieden mit dem, was ich bisher erreicht habe. Dustyn Alt ist immerhin einer der Weltbesten auf seinem Gebiet. Dadurch, dass ich bereits auf vielen Festivals gefilmt habe, durfte ich auch da schon viele Stars kennen lernen – wie etwa K.I.Z., Jennifer Rostock, AnnenMayKantereit, MC Fitty, Mark Forster, 257er und ein paar mehr. Genauso interessant fand ich jedoch den Film, den ich etwa für den Gesprächskreis Down-Syndrom Rottal-Inn e.V. gemacht habe.
Und hier das Ergebnis des Drehs mit BMX-Freestyler Dustyn Alt:
Hast Du Vorbilder in der Film-/Video-Szene?
Naja, ich habe kein Vorbild in dem Sinne. Vielmehr durfte ich viele Kollegen kennenlernen, die alle unterschiedliche Stärken haben, die mich begeistern: Einer hat die kreativsten Ideen, einer ist beim Dreh extrem strukturiert und organisiert, einer weiß genau, wie man potenzielle Kunden am besten erreicht. Deshalb wäre es auch schwierig, zum Beispiel einen Steven Spielberg als Vorbild zu bezeichnen, da es beim Filmdreh so viele verschiedene Aufgaben gibt – und immer mehrere Personen beteiligt sind. Ein bekannter Regisseur macht den Film ja auch nicht alleine.
Wenn die Bilder im Kopf Wirklichkeit werden
Woher nimmst Du Deine Ideen für Deine Videofilme?
Ganz einfach: Ich bin ein Filmnarr und schaue mir viele Produktionen an. Ich denke aber, dass ich aufgrund meines Berufs die Materie etwas anders betrachte. Letztlich behalte ich viele Bilder im Kopf, die ich gerne mal selbst erstellen würde. Sei es eine besondere Portraitaufnahme, ein besonderer Farbstil oder ein besonders künstlerischer Ansatz. So sammle ich meine Bilder im Geiste und versuche, sie irgendwie in Reihe zu bekommen, so dass ein ganzer Film daraus entstehen kann.
Wahrlich interessante Einblicke. Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: da Hog’n