München/Bierhütte. Länder wie Indien und China waren in seiner Kindheit unendlich weit weg. Flugzeuge ein Fortbewegungsmittel, das er nur aus dem Fernsehen kannte. Doch die Zeiten ändern sich bekanntlich. Aus Armin Weber, der in den 70ern in der beschaulichen Welt des kleinen Örtchens Bierhütte aufwuchs, ist inzwischen ein global tätiger Wirtschaftsprüfer geworden. Der 48-Jährige lebt größtenteils aus dem Koffer, beschreibt sich selbst als Vagabund. Es ist also nur wenig übrig geblieben vom kleinen Buben von damals, der gerne im Woid dahoam war – und vornehmlich auf seinem orangenen Bonanza-Rad die Gemeinde Hohenau unsicher machte. So könnte man zumindest glauben…
Egal, ob in Afrika, Asien oder München (wo Weber inzwischen seinen Hauptwohnsitz gemeldet hat) – seine Heimat trägt er immer in seinem Herzen mit. Da gibt es einerseits die zahlreichen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend. Andererseits dieses wohlige Gefühl, diesen Ausdruck von Geborgenheit, den ihm die Region um Lusen und Rachel seit jeher vermittelt. „Waidler bleibt man immer“, betont er mit einem Nachdruck, der keinen Widerspruch zulässt. War er in den ersten zwei Lebensjahrzehnten noch ein eher kritischer Woid-Liebhaber, den durchaus das Fremde lockte, ist er inzwischen nahezu bedingungslos in den Bayerischen Wald vernarrt. „Der Abstand zu meinen Wurzeln hat dazu beigetragen, dass ich sie noch mehr schätze.“
„Was in der Politik nicht klappt, klappt in der Wirtschaft“
Als es Armin Weber einst in die Ferne zog, sah es zunächst so aus, als würde er ein gänzlich neues Leben beginnen: Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er in Regensburg BWL und war dann für einige, große Beratungsfirmen im Einsatz. Die Besuche in Bierhütte wurden seltener. Das fortschreitende Lebensalter sorgte jedoch dafür, dass sich der vierfache Familienvater wieder mehr zu seinen Ursprüngen hingezogen fühlte. Motto: in der Welt zuhause – im Woid dahoam.
Allein im vergangenen Jahr war Weber in zwölf Ländern auf vier Kontinenten als Wirtschaftsprüfer unterwegs. Jeder einzelne Auftraggeber birgt dabei vordergründig eine berufliche Herausforderung – gleichwohl aber auch eine kulturelle sowie zwischenmenschliche. „Man lernt, auf Leute zuzugehen. In jedem Land gibt es andere Sitten und Bräuche – und man darf nicht zwangsweise denken, dass alles so wie bei uns ist. Hat man das geschafft, kommt man überall zurecht – ich habe mittlerweile viele internationale Freunde.“ Chinesische Bekannte lud der 48-Jährige erst kürzlich in den Bayerischen Wald ein und zeigte ihnen mit viel Herzblut die Vorzüge der Region zwischen Lusen und Rachel.
In seinem eher als trocken geltenden Beruf im Finanzsektor sieht der Hohenauer ein fast schon unschlagbares Instrument der Völkerverständigung. „Was in der Politik nicht klappt, klappt in der Wirtschaft – hier arbeiten Israelis mit Arabern zusammen und Ukrainer mit Russen“, verdeutlicht er. Was er damit sagen will: Auf den großen, globalen Märkten zähle zwar vorrangig das Geld. Viele Geschäfte würden aber oft auch aufgrund zwischenmenschlicher Faktoren zustande kommen. „Kontakte sind in meiner Branche von Bedeutung. Gegenseitige Wertschätzung ist deshalb sehr wichtig – da spielt die Hautfarbe oder Religion keine Rolle.“
„Mein Hochdeutsch ist nicht perfekt, mein Englisch nicht lupenrein“
Armin Weber hat es also geschafft, wie man so schön sagt, wenn man über Menschen spricht, die beruflich Karriere gemacht haben. Freilich ist sein Erfolg in erster Linie sein eigener Verdient. Er unterstreicht aber auch, dass gewisse, für den Waidler so typische Charaktereigenschaften dabei eine große Rolle gespielt hätten. „Den Fleiß und die Bodenständigkeit habe ich wohl meiner Abstammung zu verdanken“, ist der 48-Jährige überzeugt. „Und auch das zunächst abwartende, dann aber doch recht offene Wesen der Waidler erkenne ich in mir wieder.“
Optimierungsprozesse, Eröffnungen von Auslandsdependencen sowie allgemein-wirtschaftliche Betriebsprüfungen – die Sprache von Armin Webers Hauptbeschäftigungen in den unterschiedlichsten Ländern ist international. Es geht dabei fast ausschließlich um Zahlen. Mit seinem perfektionierten Englisch erledigt er den Rest. Und trotz aller scheinbar mühelosen Abläufe, die sinnbildlich für die zunehmende Globalisierung stehen, ist er davon überzeugt, dass gerade dann gewisse Eigenheiten liebens- und erhaltenswert sind. „Mein Hochdeutsch ist nicht perfekt, mein Englisch nicht lupenrein – aber das ist egal. Ich freue mich immer wieder, wenn mich aufgrund meiner Sprachfärbung jemand als Waidler, Bayern oder Deutschen wiedererkennt.“
Eine Woid-Rückkehr ist in Planung
Und noch viel mehr freut sich Weber, wenn er seinem Gegenüber die Vorzüge seiner Heimat näher bringen kann: die Natur, die von Adalbert Stifter beschriebenen Waldwogen, die Landschaft im Allgemeinen und seinen Lieblingsberg, den Lusen. Doch insbesondere auch den ganz eigenen Menschenschlag. Erzählt der gebürtige Bierhütt’ler von „seinem“ Woid, liegt die Vorstellung vom Paradies nicht mehr fern. Dies hat zur Folge, dass der 48-Jährige – trotz aller beruflichen Herausforderungen und seiner unverminderten Reiselust – irgendwann aufs Land zurückkehren wird. So viel steht schon heute fest. Zeiten ändern sich bekanntlich. Und irgendwann ist es an der Zeit, heim zu kommen…
Helmut Weigerstorfer