Bayerischer Wald. Die verheerende Engerlingsplage (wir berichteten zuletzt über den betroffenen Landwirt Sandro Blöchl aus Hinterschmiding) greift weiter um sich – und scheint nun auch an höherer Stelle angekommen zu sein. Zumindest beschäftigt sich der Freistaat Bayern in Person von MdL Max Gibis nun mit der Problematik. Bei einem Ortstermin machte sich der einstige Mauther Bürgermeister jüngst selbst ein Bild von der Lage, wie er in einer Pressemeldung mitteilt. Der CSU-Politiker erklärt dazu u.a., dass er bereits mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hinsichtlich der Lösung dieses Problems in Kontakt stehe.
„Im Ministerium wird momentan mit Hochdruck an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet, um zum einen die Landwirte zu unterstützen und zum anderen auch die Engerling-Problematik in den Griff zu bekommen. Ich werde mich auch noch einmal nachdrücklich für die finanzielle Unterstützung der Landwirte einsetzen, die den Engerling aktiv bekämpfen“, wird Gibis in der Mitteilung zitiert. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n geht das Landwirtschaftsministerium nochmals näher auf die aktuelle Situation ein. Sprecher Peter Issig erklärt zudem, wann der Einsatz der verbotenen Pilzgerste, die die Engerlinge bekämpft, möglich ist.
„Erst 2022 ist wieder mit einem Problemjahr zu rechnen“
Herr Issig, was genau sind Engerlinge?
Als Engerling bezeichnet man die Larvenform der Blatthornkäfer (Familie Scarabaeidae) und Hirschkäfer (Familie Lucanidae). Sie ist gekennzeichnet durch eine gekrümmte Körperform, eine braune Kopfkapsel mit starken Mundwerkzeugen, Grabbeinen und einem blasig aufgetriebenen Hinterleib. Die bekanntesten Käfer, die als Jugendstadien Engerlinge haben, sind Feldmaikäfer, Waldmaikäfer, Junikäfer, Julikäfer, Gartenlaubkäfer, Rosenkäfer und Purzelkäfer. Die Hirschkäfer-Larven leben eher in verrottendem Baummaterial.
Welche Bedeutung haben diese Tierchen ganz allgemein für die Natur?
Alle Tiere und Insekten – auch Plagegeister wie Stechmücken oder landwirtschaftliche Schädlinge wie Engerlinge – haben ihre Bedeutung in der Natur. So dienen Engerlinge als Futter für Krähen und andere Vögel, Fuchs und Wildschweine.
Wie akut ist die derzeitige Situation tatsächlich?
Da 2018 ein Hauptflugjahr des Feldmaikäfers war, treten heuer die größeren Schäden auf. Denn die Larven sind im zweiten und im frühen dritten Stadium besonders gefräßig. Im kommenden Jahr und dem darauf folgenden Hauptflugjahr wird es wohl wieder geringere Schäden geben. Erst im Jahr 2022 ist dann erneut mit einem Problemjahr zu rechnen. In den Landkreisen Passau, Freyung-Grafenau und Deggendorf summieren sich die befallenen Flächen auf aktuell rund 1.600 Hektar, am Jochberg (Schneizlreuth) sind rund 60 Hektar befallen. Weitere Gebiete mit größeren Maikäferpopulationen sind das Inntaldreieck um Nieder- und Oberaudorf, der Spessart mit Hessenthal-Mespelbrunn und Heimbuchenthal sowie Reichling im Landkreis Landsberg am Lech. In diesen Gebieten haben die Schäden jedoch bislang nicht das Ausmaß angenommen wie in Niederbayern und am Jochberg.
Welche Folgen drohen für die Bauern im Landkreis Freyung-Grafenau?
Es droht der Ausfall von Grundfutter auf den Grünlandflächen. Als Spätfolge kann es auch zur Verunkrautung auf den Flächen mit unerwünschten Pflanzen wie Hahnenfuß-Arten oder Ampfer kommen.
Pilzgerste: „Es besteht die Möglichkeit einer Zulassung“
Worin liegen die Gründe für die Vielzahl an Engerlingen?
Es gibt mehrere Ursachen, die die Feldmaikäfer-Population begünstigen:
- Die höhere Zahl an Elterntieren im Flugjahr 2018,
- Die Favorisierung der pfluglosen Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft,
- Die Nicht-Bekämpfung von kleineren Populationen des Feldmaikäfers,
- Der Klimawandel. Dadurch dauert die Saison länger, der Fraß setzt früher im Jahr ein, die höhere Temperatur im Frühjahr steigert die Aktivität der Engerlinge.
Wie lassen sich die Engerlinge bekämpfen?
Es gibt auch hier mehrere Möglichkeiten:
- Auf mechanische Art, das heißt durch das Absammeln von Engerlingen in Hotspots bei Anfangsbefall, durch Fräseneinsatz mit Nachsaat sowie mit dem Einsatz von Kreiseleggen.
- Durch Beweidung mit Vieh
- Oder durch den Einsatz des natürlichen Gegenspielers Beauveria brongniartii, vertrieben als Pflanzenschutzmittel Melocont Pilzgerste bzw. Beauveria Schweizer. Dafür ist jedoch eine Zulassung für eine Notfallsituation erforderlich.
Wäre vor dem Hintergrund dieser Notsituation die Aufhebung des Verbotes der Pilzgerste nicht angebracht?
Die Pilzgerste besitzt keine reguläre Zulassung und darf deshalb nicht vertrieben und angewandt werden. Es besteht allenfalls die Möglichkeit, eine Zulassung für eine Notfallsituation nach Art. 53 der VO (EG) 1107/2009 beim zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu beantragen. Vor einer Zulassung für eine Notfallsituation wird auch abgeklärt, ob alternative Verfahren wie etwa die mechanische Bekämpfung möglich sind. Die Zulassung für eine Notfallsituation kann sowohl von den Betrieben, den Pflanzenschutzdiensten der Länder, aber auch von den Verbänden beantragt werden.
„Pilzgerste wird als Pflanzenschutzmittel eingestuft“
Warum ist die Pilzgerste überhaupt verboten?
Die Pilzgerste wird aufgrund ihrer Wirkungsweise als Pflanzenschutzmittel eingestuft. Diese dürfen aber nur angewendet werden, wenn sie zugelassen sind. Zulassungsbehörde in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Firma, welche die Pilzgerste herstellt, hat wohl bislang keine reguläre Zulassung betrieben. Insoweit kommt aktuell nur eine für maximal 120 Tage begrenzte Zulassung für eine Notfallsituation in Frage.
Vielen Dank für das Interview.
Helmut Weigerstorfer
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Der Bauernverband, Kreisverband Freyung-Grafenau, war trotz mehrmaliger Nachfrage per Telefon und E-Mail nicht dazu bereit, Hog’n-Fragen zu diesem Thema zu beantworten.