Herzogsreut. Des einen Freud‘ ist des anderen Leid. Dieses Sprichwort scheint maßgeschneidert zu sein für die aktuelle Verkehrssituation in der Gemeinde Hinterschmiding. Die Bundesstraße 12 (B 12), Hauptschlagader im deutsch-tschechischen Grenzraum, wird derzeit zwischen Sonndorf und Herzogsreut erneuert – und ist deshalb voraussichtlich bis 9. September nicht befahrbar. Einerseits eine gute Nachricht für alle, die diese Strecke regelmäßig auf sich nehmen und sich auf eine makellose Asphaltdecke freuen dürfen. Andererseits eine nervenaufreibende Zeit für diejenigen, die bedingt durch die Verkehrsumleitungen derzeit eine regelrechte Invasion in ihren Dörfern erleben – wie beispielsweise im Ortsteil Herzogsreut.
195 Pkw, 25 Lkw (über 7,5 Tonnen), 7 Motorräder, 3 Traktoren – diese Zahlen liefert eine stichpunktartige Hog’n-Verkehrszählung in dem 400-Seelen-Örtchen, die am Dienstag, 31. Juli, zwischen 11.30 und 12.30 Uhr durchgeführt worden ist. Eine verhältnismäßig hohe Zahl an Verkehrsteilnehmern, die sich jedoch relativiert, wenn man bedenkt, dass die Fahrzeuge außerhalb der Stoßzeiten gezählt worden sind. Frühmorgens sowie zur Feierabendstunde darf von weitaus höheren Werten ausgegangen werden. Zwar wurden die Arbeiten auf der B12 und die damit verbundene Vollsperrung vorausschauenderweise in die Ferienzeit verlegt – die Urlaubssaison bringt weniger Pendler und Schulverkehr mit sich. Hinzu kommen jedoch viele Touristen, die gerade jetzt den Weg in den Bayerischen Wald und (etwa für Tagesausflüge) ins benachbarte Tschechien suchen.
„Verkehrsströme wurden auf mehrere Routen aufgeteilt“
Die scheinbar endlos langen Verkehrsschlangen, der durch die großen Lkw aufgewirbelte Straßenstaub gepaart mit teils ohrenbetäubenden Lärm sowie die weiter anhaltende Hitze machen den Fußgängern (darunter viele Ferienkinder) in Herzogsreut zu schaffen – zumal das Dorf keine Bürgersteige und somit keine räumliche Trennung von motorisierten und zweibeinigen Verkehrsteilnehmern aufweisen kann. Dabei ist die Herzogsreuter Hauptstraße, die im weiteren Verlauf auch die Ortschaften Reiterberg, Hinterschmiding und Vorderschmiding durchquert, eigentlich gar nicht als offizielle Umleitung vom Staatlichen Bauamt ausgeschildert worden. Sie fungiert derzeit als „Schleichweg“.
Wie die Behörde auf Hog’n-Nachfrage mitteilt, werden Verkehrsteilnehmer aus Richtung Deggendorf (B533), die nach Tschechien wollen, über Kreuzberg, Mauth, Mitterfirmiansreut und Vorderfirmiansreut umgeleitet. Aus Tschechien kommende Fahrzeuglenker sollen in Richtung Passau die entgegengesetzte Fahrtrichtung ansteuern.
All diejenigen aus dem Passauer Raum, die den Grenzübergang Philippsreut passieren wollen, werden dazu angehalten, die Umleitung über Außernbrünst, Jandelsbrunn, Altreichenau, Haidmühle und Bischofsreut zu nutzen. „Die Verkehrsführung wurde schon im Vorfeld mit der örtlichen Polizei, der Straßenverkehrsbehörde vom Landratsamt und der Gemeinde Hinterschmiding abgestimmt“, teilt das Staatliche Bauamt mit. „Die Verkehrsströme wurden auf mehrere Routen aufgeteilt, um die Belastung für die einzelnen Umleistungsstrecken so gering wie möglich zu halten.“
Welche Arbeiten werden konkret gemacht?
Konkret werden laut Staatlichem Bauamt bis Mitte September auf dem B12-Abschnitt zwischen Sonndorf und Herzogsreut folgende Arbeiten durchgeführt: Sanierung von Schadstellen der bestehenden unteren Asphalttragschicht, Neubau der oberen Asphalttragschicht und -deckschickt, Neumarkierung, Erneuerung Schutzplanken, Leitpfosten und Beschilderung, Instandsetzung von Parkplätzen und Entwässerungseinrichtungen, Kleinflächenasphaltierung sowie Aus- und Einbau von Rasengittersteinen, Böschungspflaster und Bordsteinen. Wie viele Arbeiter jeweils im Einsatz sind, kann die Behörde auf Nachfrage nicht mitteilen, da die „Organisationshoheit bei der beauftragen Firma liegt“. Am 31. Juli waren beispielsweise 40 Lkw, 2 Fräsen, 2 Kehrbesen, 2 Erdbaukolonnen mit jeweils 4 bis 5 Mann sowie eine Verkehrssicherung mit 4 Mann im Einsatz (insgesamt also knapp 60 Mann).
Hinsichtlich der Zahlen, die die punktuelle Hog’n-Verkehrszählung ergeben hat, kann und will das Staatliche Bauamt keine Aussage treffen. „Die Straßenbaulast für Gemeinde- bzw. Gemeindeverbindungsstraßen liegt bei der jeweiligen Gemeinde. Wir können daher aufgrund der mangelnden Zuständigkeit, fehlender Vergleichszahlen für die Örtlichkeit und ohne Nachweis, ob diese Zahlen repräsentativ sind, leider keine Aussage treffen.“
Von Seiten der Behörde heißt es weiter, dass drei offizielle Umleitungen ausgeschildert worden seien, es sich jedoch nicht beeinflussen lasse, wie sich die Verkehrtsteilnehmer „individuell verhalten. Insbesondere Ortskundige suchen sich dementsprechend eine kurze Umfahrung über sogenannte Schleichwege“. Gegen diese verkehrstechnischen Hintertürchen könnten demnach weder das Bauamt noch die Polizei vorgehen.
Polizei: „Es finden verstärkt Kontrollen statt“
„Die ausgewiesenen Umleitungsstrecken sind sogenannte Richtzeichen. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Hinweiszeichen zur Erleichterung des Verkehrs. Wenn sich jemand nicht zwingend an diese ausgesprochene Beschilderung hält und keine Ge- bzw. Verbotszeichen aufgestellt sind, dann kann die Straße weiterhin befahren werden“, erklärt Polizeihauptkommissar Walter Scheungrab, Pressesprecher der PI Freyung dazu. Die Polizei hat demnach keine Handhabe, um gegen Fahrzeuge, die die ausgeschriebenen Umleitungen missachten, vorzugehen. Lediglich das Fahrverhalten könne die Polizei überwachen. „Es finden bereits seit Beginn der Umleitung verstärkt Kontrollen statt und werden auch weiterhin im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten vermehrt durchgeführt.“
Der einzige Ausweg, um Herzogsreut vom Umleitungsverkehr zu befreien, wäre ein sog. Antrag auf Durchfahrtsbeschränkung bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, also dem Landratsamt Freyung. Doch auch hier gibt es Bedenken, wie Landkreis-Sprecher Karl Matschiner betont: „Eine Sperrung der Ortsdurchfahrt Herzogsreut für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen mit Freigabe des Anliegerverkehrs würde zwar neben Herzogsreut auch eine Entlastung für die Ortschaften Hinterschmiding und Sonndorf bedeuten, gleichzeitig würden aber die Ortschaften der anderen Umleitungsstrecken (Jandelsbrunn, Altreichenau, Haidmühle, Bischofsreut, Vorderfirmiansreut, Mitterfirmiansreut, Mauth und Kreuzberg) zusätzlich belastet. Eine derartige Sperrung wäre daher nicht vertretbar.“
Bürgermeister Fritz Raab: „Wer übernimmt die Kontrolle?“
Hinterschmidings Bürgermeister Fritz Raab schlägt dabei in diesselbe Kerbe: „Die Umleitungen sind bisher auf drei Gemeinden verteilt. Wenn der Landkreis die Ortsdurchfahrt Herzogsreut beschränken würde, dann würde der Verkehr und insbesondere das Problem auf andere Gemeinden verlagert. Wer übernimmt die Kontrolle, ob diese eingehalten wird? Ob der Landkreis eine einseitige Entscheidung trifft, bleibt dem Straßenbaulastträger vorbehalten.“
Helmut Weigerstorfer
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Transparenzerkärung: Der Autor dieses Artikels ist von der Verkehrszunahme als Anwohner der Herzogsreuter Hauptstraße direkt betroffen. Ihm ist dabei durchaus bewusst, dass nicht nur die Herzogsreuter unter der Vollsperrung der B12 zu leiden haben, sondern auch die Bewohner der übrigen Umleitungsstrecken.