Herzogsreut/Philippsreut. Seit dem 1. Januar 2010 sind auf diesem Streckenabschnitt der B12 drei Menschen in Folge von sechs Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Die „Wossascheid-Kurve“, wie der Bereich der Bundesstraße zwischen Herzogsreut (Gemeinde Hinterschmiding) und Philippsreut im Volksmund genannt wird, stellt seit mehr als fünf Jahren einen Unfallschwerpunkt dar, der inzwischen tragische Berühmtheit erlangt hat. Woran liegt es, dass es dort immer wieder ordentlich „schewad“? Sind bauliche Mängel dafür verantwortlich? Und: Wie betrachten die Einsatzkräfte der umliegenden Feuerwehren, die immer wieder zu den Unfällen hinzugezogen werden, diesen B12-Abschnitt?
- 22. Juni 2011: Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne Verletzte. Unfallursache war das Abkommen von der Fahrbahn vermutlich aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit. Der Verursacher flüchtete zunächst, konnte aber ermittelt werden;
- 16. März 2012: Verkehrsunfall mit leichtverletzter Person. Unfallursache war alkoholbedingtes Abkommen auf die Gegenfahrbahn und Kollision mit Gegenverkehr;
- 2. März 2015: Verkehrsunfall mit einer getöteten Person, zwei Schwer- und einem Leichtverletztem. Unfallursache war nicht angepasste Geschwindigkeit eines Lkws bei schneeglatter Fahrbahn. Der Lkw schleuderte in ein entgegenkommendes Fahrzeug;
- 20. November 2015: Verkehrsunfall mit einer leichtverletzten Person. Ein alleinbeteiligter Fahrer kam aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit bei regennasser Straße von der Fahrbahn ab;
- 19. Januar 2016: Verkehrsunfall mit einer getöteten Person. Ein Fahrzeug schleuderte auf trockener Fahrbahn in einen entgegenkommenden Holzlastzug;
- 22. Oktober 2016: Verkehrsunfall mit einer getöteten Person, einem Schwer- und einem Leichtverletztem. Das Fahrzeug kam in der Kurve bei regennasser Fahrbahn ins Schleudern und geriet auf die Gegenfahrban, wo die Kollision mit dem Gegenverkehr stattfand. Die genaue Unfallursache wird derzeit noch geklärt. Bemerkenswert: Unmittelbar vor und hinter dem Unfallverursacher fuhren Fahrzeuge mit gleicher Geschwindigkeit, die nicht ins Schleudern gerieten;
(Quelle: Polizeiinspektion Freyung)
Betrachtet man die Liste der Unfälle, lässt sich feststellen, dass keine Hauptursache ausgemacht werden kann. Die äußeren Umstände – die Gegend ist für viel Schnee und frostige Temperaturen zwischen November und April bekannt – sind ebenso wenig ausschlaggebend wie die besonderen Lichtverhältnisse, die bei tiefstehender Sonne, wenn man in das angrenzende Waldstück einfährt, herrschen.
Auch Polizeihauptkommissar Walter Hoffmann kann keine verkehrstechnischen Besonderheiten zwischen Herzogsreut und Philippsreut ausmachen. Er sieht vielmehr ein generelles Problem auf der B12: „Die Bundesstraße ist im gesamten Streckenabschnitt, der zum Dienstbereich der Polizeiinspektion Freyung gehört, auch aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens als Unfallgefahrenstrecke zu werten. Daher werden das gesamte Jahr über verstärkt Verkehrskontrollen und Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt.“
Teilstück der B12 im Fokus der Polizei
Besonders auffällige B12-Teilstücke, zu denen die Freyunger Verkehrsbeamten die „Wossascheid-Kurve“ zählen, werden von polizeilicher Seite genauestens beobachtet und analysiert – verbunden mit regelmäßig stattfindenden Ortsbesichtigungen. „Diese Ergebnisse werden dann von allen daran beteiligten Behörden dahingehend geprüft, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Unfälle nötig sind“, macht Polizei-Sprecher Hoffmann deutlich. Gefahrenzeichen und Geschwindigkeitsbegrenzungen gehören hierbei genauso zu den Präventionsmaßnahmen wie das Fahrsicherheitstraining, das die Verkehrswacht anbietet. Zu denjenigen Behörden, die ebenfalls mit den Berichten der Polizei arbeiten, zählt das Staatliche Bauamt Passau.
Auf Hog’n-Nachfrage teilt die dortige Pressestelle mit, dass der Streckenabschnitt dreistreifig ausgebaut sei und „aufgrund seiner zweistreifigen Richtungsfahrbahn bergwärts und seiner durchgehenden Mitteltrennung zur talwärtigen Spur grundsätzlich zu den sichersten und leistungsfähigsten Ausbauzuständen von Bundesstraßen gehört“.
Ein höherer Sicherheitsstandard könne nur durch einen vierspurigen Ausbau mit Mitteltrennungen wie Schutzplanken erreicht werden – solche Trassen sind jedoch lediglich bei Bundesautobahnen und -fernstraßen üblich. Deshalb müsse man sich, wie das Staatliche Bauamt weiter mitteilt, mit den Unfällen seit 2010 und deren Ursachen intensiv auseinandersetzen und die richtigen Rückschlüsse ziehen – dazu zählen sowohl verkehrsrechtliche Maßnahmen als auch polizeiliche Kontrollen. Mit diesen Verbesserungen, so erhoffen sich die Verantwortlichen, sollen schwerwiegende Unfälle im Bereich der „Wossascheid-Kurve“ bald der Vergangenheit angehören.
„Die Verarbeitung solcher Unfälle ist bei jedem anders“
Mit den schrecklichen Bildern in Folge der Unfälle haben nicht nur die Angehörigen der Opfer lange zu kämpfen, sondern auch die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren. Dass besagter B12-Streckenabschnitt der B12 immer wieder Thema bei den Einsatzkräften ist, bestätigt exemplarisch Christian Eller, erster Vorsitzender der FFW Herzogsreut, in deren Einsatzgebiet sich der Unfallschwerpunkt befindet: „Man ahnt mittlerweile schon Schlimmes, wenn ein Unfall-Alarm von der B12 zwischen Herzogsreut und Philippsreut reinkommt.“ Eine Idee, wie die Kurve entschärft werden könnte, hat Eller nicht. Das sei Aufgabe der zuständigen Behörden, betont der Feuerwehrvorstand, der selbst zur aktiven Mannschaft gehört.
Nach derartigen Einsätzen sei es besonders wichtig, das Vergangene gemeinsam aufzuarbeiten, erklärt der Herzogsreuter weiter. „Solange wir unsere Arbeit machen, stehen wir unter Strom und wollen helfen“, macht er deutlich. „Bei den meisten Feuerwehrlern macht sich das Erlebte erst Stunden oder gar Tage später bemerkbar.“ Deshalb finden Gespräche im Rahmen der Stressbewältigung bzw. Einsatznachbesprechung statt – auch auf die professionelle Hilfe des sogenannten Kriseninterventionsteams können die Freiwilligen Feuerwehren dabei zurückgreifen. Eller: „Die Verarbeitung solcher Unfälle ist bei jedem anders.“
Es bleibe abzuwarten, wie sich die Situation rund um die „Wossaschei-Kurve“ in den nächsten Jahren weiter entwickele. Es bleibe zu hoffen, dass die Unfallzahlen nicht weiter steigen.
Helmut Weigerstorfer