Freyung. „Ich wollte immer schon etwas Kreatives machen“, erzählt Tamara Schmid. Mit dem Beruf des Schreiners hatte sie bereits geliebäugelt, sich aber dann doch noch einmal umentschieden. Denn sie ist auf einen Lehrberuf aufmerksam geworden, der ziemlich außergewöhnlich ist – und schnell stand für die 18-jährige Freyungerin fest: Sie will eine Ausbildung zur Holzbildhauerin machen. An der staatlichen Berufsfachschule in Oberammergau, wo sie seit etwas mehr als einem Jahr ihre Lehre absolviert. „Bo de Herrgottsschnitzer“, wie sie mit einem Schmunzeln berichtet. Und wenn sie auch bereits eine Madonna „ge-holzbildhauert“ hat, steckt doch um einiges mehr dahinter als „nur Schnitzen“.
Etwas mit den eigenen Händen herstellen, produktiv sein und dabei Neues, küntlerisch Wertvolles erschaffen – das wahr schon immer „ihr Ding“. Die Fächer Handarbeit/Werken sowie Kunsterziehung zählten deshalb zum bevorzugten Unterricht in der Grund- und Mittelschule. Geschnitzt hatte sie vor der Zeit in Oberammergau noch nie. Seit Schuleintritt zählt der Umgang mit Holz jedoch zu ihrem Alltag. 26 Praxis- und 14 Theorie-Einheiten stehen auf dem wöchentlichen Stundenplan. Neben der Holzbearbeitung wird Tamara dabei auch in der Handhabung der Materialien Stein, Ton und Gips geschult. Ebenfalls gehört das Bedienen von Maschinen (Holzfräsen, Sägen etc.) und der richtige Einsatz von Werkzeugen (Hobel, Beitel etc.) zu den vermittelten Lerninhalten. Theorie-Fächer wie Mathe, Deutsch und Sozialkunde komplettieren die Ausbildung, die insgesamt drei Jahre dauert.
„Das Meinige macht sonst keiner“
Künsterlisch begabt war sie von Kindesbeinen an, sagt sie. Vor allem das Zeichnen hat es ihr angetan – eine Kunstform, die sie bis heute vor allem in ihrer Freizeit praktiziert. Auf Pferde- und Automotive hat sich die 18-Jährige, die selbst gerne reitet und sich als „autofanatisch“ bezeichnet, dabei spezialisiert. Sie hat eine Schwäche für BMW-Modelle und Audis. Ein Grund, warum sie beim jüngsten Quattro-Treffen in Finsterau spontanerweise einen „Schnee-Quattro“ zunächst skizziert – und später dann mit Hilfe von Freunden in weiß-kalte, bildhauerische Realität umgesetzt hat.
Dabei herausgekommen ist eine maßstabsgetreue Nachbildung, die erste ihrer Art bei der überregional bekannten Zusammenkunft der Quattro-Fans. Drei bis vier Tage hatte sie mit ihrem Team daran rumhantiert. „Die Leute waren begeister“, blickt sie gerne auf ihr „vergängliches Kunstwerk“ zurück. Zeichnerisch gesehen sind Tamara zufolge jedoch Pferde, die sie ebenso bereits in Form einer Tonfigur erschaffen hat, einfacher anzufertigen. Warum? „Weil beim Auto die Reifen und Räder sehr schwierig zu zeichnen sind.“
Lauter Fertigkeiten und Praxisübungen, die ihr bei der Ausbildung zur Holzbildhauerin zugute kommen. Ihre Wochenenden verbringt Tamara meist dahoam in Freyung, bevor sie mit dem Auto dann wieder nach Oberbayern, wo sie in einer WG wohnt, zur Lehrstätte pendelt. Den Kontakt zu den ehemaligen Schulkameraden aus dem Woid versucht sie zu halten. Was aus ihnen wird bzw. geworden ist? Krankenpfleger, Bauzeichner, Schreiner… „das Meinige macht sonst keiner“, sagt sie und lächelt.
Einige „Werksstücke“ durfte Tamara im Laufe ihrer Lehrzeit bereits anfertigen. Neben der für Oberammergau so typischen Holz-Madonna mit Jesuskind (Stichwort: Passionsspiele), an der sie rund drei Monate gearbeitet hatte, erschuf sie drei weitere Holzplastiken: einen Drachen, einen über-lebensgroßen Vogelschädel sowie ein in einen drei Meter langen Holzstamm verewigtes Auditorium mit Treppenmuster. An der Oberammergauer Schule hat sie rund 40 Mitschüler, davon lediglich drei männliche. Eine Mitschülerin stammt auch aus der Region Bayerischer Wald, aus Eging am See.
Nach der Lehre „zurück in den Woid“
Was sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildung machen möchte? „Zurück in den Woid“, lautet ihr Plan. Dass sie als Holzbildhauerin dort Fuß fassen und von ihrem erlernten Beruf leben kann, daran glaubt sie nicht. „In dem Bereich gibt’s bei uns wahrscheinlich wenig bis gar keine Jobs“, sagt Tamara. Weshalb sie sich über Alternativen Gedanken macht. Dass sie vielleicht als selbständige Fotografin arbeitet und die Holzbildhauerei nebenher betreibt. Oder vielleicht ein Studium dranhängt. Kunst oder Kunstgeschichte. Mal schaun’n, was sich ergibt. Jedenfalls will sie sich dann zeichnerisch wie gestalterisch mehr der abstrakten Kunst widmen. Sie spricht von Fantasie-Skulpturen. An Fantasie mangele es ihr schließlich nicht…
Stephan Hörhammer