Multikulturalismus, Toleranz und Meinungsfreiheit gelten als die Werte schlechthin, die unsere westlich-liberalen Gesellschaften auszeichnen. Nur keinem auf die Pfoten treten, umsichtig und tolerant sein. Und sollte doch einmal irgendetwas schiefgehen, gibt’s im Fall der Fälle – für Sorgen und Wehwehchen aller Art – die passende Hilfsorganisation. Genau das ist es, warum wir bis heute immer noch ein Rassismus-Problem haben, warum wir diese lästige, menschverachtende Form der Ausgrenzung immer noch nicht hinter uns lassen konnten. Unsere westlichen, toleranzvergötternden Werte sind es, die Rassismus und Ausgrenzung nicht ein für alle Mal beseitigen, sondern – im Gegenteil – nur noch weiter verfestigen. Der westliche Liberalismus ist die zuckerfreie Alternative zur herkömmlichen Schokolade. Sie mag vielleicht nicht dick machen – ganz sicher aber auch nicht schlank.
„Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ Mehr denn je stellen politische Ereignisse unserer Zeit unter Beweis, dass Winston Churchill mit seinem berühmt gewordenen Zitat wohl nicht allzu Unrecht hatte. Demokratie, so scheint es, besitzt die Charakteristika eines Schönwettervereins, der nur immer dann gut läuft, wenn auch die Sonne ins Gesicht der Wählerinnen und Wähler lacht. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, schwächelnder Wirtschaft, ökologischer Krise, steigender Unsicherheit und einem Gefühl des Ausgeliefertseins im Zeitalter der Hyperglobalisierung, wird die demokratische Staatsform wieder zunehmend in Frage gestellt – und zwar von zweierlei Seiten.
Der Zweck heiligt die (undemokratischen) Mittel
Der Ruf nach einer starken Führungskraft, das Verlangen nach Law and Order – in Person von Orbán, Le Pen, Trump, Wilders und deren politische Gleichgesinnte – ist die eine Seite der demokratie-kritischen Medaille. Die andere Seite sieht die Lösung des Problems in der Zerschlagung des kapitalistischen Wirtschaftssystems – denn dieses sei die Wurzel allen Übels, alles andere nur Symptome. Auch deren Argumentation gleitet schnell ins Anti-Demokratische ab: Ein solches Vorhaben müsse man zur Not mit Zwang oder Gewalt durchsetzen, nicht zuletzt zum Schutz vor den Zwängen des Kapitalismus – und um den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien zu verhindern. Auch hier soll die Argumentation dadurch legitimiert werden, dass es ja am Ende zum Wohle aller sei – der Zweck heilige also die (undemokratischen) Mittel…
Zu den Werten der heutigen westlich-liberalen Gesellschaften, die immer wieder besonders hochgehalten werden, zählen die Toleranz und der Multikulturalismus. Doch sind es genau jene Werte, die die Anwendung von Zwang (im äußersten Fall: Gewalt) zur Umgestaltung heutiger Gesellschaften unausweichlich machen. Diese Werte sind es, die einerseits einen Diskurs über als politisch erscheinende Phänomene in vollem Umfang zulassen – andererseits aber das eigentlich Politische in den Bereich der Unantastbarkeit drängen. Väterkarenz, Pkw-Maut, Bildungssystem – über alles und jeden darf gestritten und debattiert werden. Geht es an die Verteilungsfrage – sprich: um die Aufteilung des berühmt berüchtigten Kuchens – wird’s schnell eng. Stichwort: „Ökonomische Notwendigkeit“. Höhere Ausgaben für die Bildung, liebend gern, ABER: Die schwarze Null ist nun mal wichtiger. Die Frage von Herrschaft und Knechtschaft war schon seit jeher im unpolitischen, ökonomischen Bereich angesiedelt – und bleibt auch nach wie vor dort. Und so bleibt auch die soziale Frage, die Verteilungsfrage, in der unantastbaren, ökonomischen Sphäre…
Die Unantastbarkeit des Kapitalismus
Die dem Westen innewohnende Toleranzvorstellung verhindert, dass bestimmte soziale Probleme überhaupt zum politischen Thema werden. Indem man eine eigene Armada an Experten und Sozialarbeitern losschickt, die vom Hunger in Äthiopien bis zu gewalttätigen Jugendlichen in Vorstädten sämtliche Probleme zu lösen versucht, gibt man sich mit der Behandlung von Symptomen zufrieden und verbaut damit den Weg zur Wurzel des Problems.
In der Politik geht es immer auch darum, eine Stimme zu haben, die gehört wird. Indem man die sozialen Forderungen einer Gruppe auf deren bloßen unpolitischen Inhalt reduziert, wird aber verhindert, dass deren Forderungen überhaupt erst Einzug in den politischen Diskurs finden. Ergo entzieht man ihnen ihren Anspruch, gehört zu werden, indem man ihre Forderungen im Nachhinein mittels Sozialarbeiterinnen, wohltätigen Einrichtungen und Fairtrade-Produkten zu kaschieren versucht. Die politische Angriffsfläche einer jeden solchen Forderung löst sich damit im Nichts auf.
Wer zu viel Schokolade in sich hineinstopft, wird fett. Nun kann ich entweder aufhören Schokolade zu essen – oder zur zuckerfreien, kalorienarmen Schokolade greifen. Dank der kalorienarmen Variante kann ich weiter Schokolade essen, werde davon wohl auch nicht fetter – ganz sicher aber nicht schlanker. Und genau so verhält es sich in der Politik: Gegen Hungerlöhne in Nicaragua gibt’s Fairtrade-Bananen, gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen im Kongo Fairtrade-Handys und gegen die Katastrophe, die sich derzeit im arabischen Raum abspielt, eine Spendenhotline. Die ökonomischen Rahmenbedingungen, die die Löhne in Nicaragua, die Arbeitsbedingungen im Kongo und den Krieg in Syrien überhaupt erst hervorgerufen haben, bleiben unangetastet.
Die ökonomischen Sphären, die Spielregeln des Kapitalismus, die von Vornherein als gegeben und unabänderlich akzeptiert werden, bleiben frei von jeglicher Einflussnahme. Dabei ist es erschreckend, wie weit diese scheinbare Unantastbarkeit des kapitalistischen Systems bereits fortgeschritten ist. Wir schicken Menschen zum Mond, transplantieren Körperteile, entwerfen Hightech-Roboter und befördern uns mittels Science-Fiction in bisher unvorstellbare Welten. Für den Gedanken an eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus reicht unsere Vorstellungskraft anscheinend dennoch nicht…
Ja, auch Du bist ein Rassist
Genau dieser entpolitisierte Multikulturalismus ist die Ideologie, die dieses System weiterhin am Laufen hält. Was durch diesen entpolitisierten Multikulturalismus in der Tat verhindert wird, ist die Sphäre des Politischen wieder in die Sphäre der Ökonomie – und insbesondere in jene der Globalisierung – einzugliedern.
Das bedeutet demnach, dass jener neutral-erscheinende Multikulturalismus, jene objektiv-wirkende Toleranz, eben das genaue Gegenteil von dem ist, was es zu sein vorgibt. In der Politik gibt es nichts Neutrales, nichts Objektives. Wer die bestehenden politischen Verhältnisse als solche akzeptiert, handelt nicht politisch-neutral, sondern rassistisch. Ja, rassistisch. Es gibt kaum einen, der nicht direkt bzw. indirekt am Koltanexport im Kongo und damit an dem seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieg beteiligt ist. Der Staat im Herzen Afrikas zählt zu den Ländern mit den reichsten Vorkommen an Bodenschätzen weltweit, ist genauso eines der ärmsten Länder weltweit – und rangiert im Ranking des Human Development Index konstant auf einem der letzten Plätze.
Die Undurchsichtigkeit der globalen Wirtschaft
Monatlich lassen dort 45.000 Menschen ihr Leben. Feucht fröhlich unterstützt von einem undurchsichtigen Netz globaler Wirtschaftsaktivitäten – schuldig ist dabei keiner. Jedes Smartphone, jeder Laptop, sämtliche technischen Geräte, die das größtenteils im Kongo vorkommende Mineral Koltan enthalten und bei uns über den Ladentisch gehen, befördern diesen Krieg. Der Konsument ist Teil des Systems. Der Käufer trägt eine Mitschuld. Diese mag winzig klein erscheien, als das berühmte Zahnrädchen im großen Uhrwerk des Kapitalismus, aber: Sie ist vorhanden.
Das Mineral mag zunächst vom Kongo nach China exportiert werden, von dort nach Bangladesch gelangen, wo es schließlich mit ein paar Handgriffen in einem Smartphone verbaut wird, bevor es im heimischen Elektronikmarkt landet und zum Verkauf feilgeboten wird. Schwer zu durchschauen, kleines Rädchen, ja. Auch das NS-Regime funktionierte nach diesem Prinzip. Ein schier undurchsichtiger, weit verzweigter, immens großer bürokratischer Apparat, der es beinahe unmöglich machte einen Schuldigen ausfindig zu machen. Jeder der Involvierten handelte auf Befehl eines Anderen – jeder erledigte nur seine Pflicht, ohne sich einer Schuld bewusst sein zu wollen. Das Ergebnis war eine Katastrophe mit zahlreichen Millionen von Toten.
Kommentar, geschrieben an einem Laptop: Johannes Greß
das Prinzip das hinter Massenzuwanderung steht ist einfach erklärt mit
Divide et impera (lateinisch für teile und herrsche) und bedeutet, man solle ein Volk oder eine Gruppierung in Untergruppen aufspalten, damit sie leichter zu beherrschen bzw. zu besiegen sei.
Das ist das Prinzip das in diesem Land angewendet wird, nur so kann es sich eine Minderheit leisten (siehe Vermögensverteilung) ihre Geldschatulle (und ihre Körper) fett und feist zu stopfen während immer mehr und ganze Landstriche und Bevölkerungsgruppen verarmen und verelenden.
Sehr geehrter Herr Greß,
es ist schon sehr anmaßend den Menschen (Konsument) in der w-Welt zu unterstellen, dass durch uns monatlich 45.000 Menschen ihr Leben lassen müssen.
Auch der vergleich mit dem NS-Regime läßt mich vermuten, dass hier vermutlich bewusstseinserweiternde Berauschungsmittelchen eingeworfen wurden???
Anders kann ich mir sonst diesen gequirlten Unsinn nicht erklären.
Ja das Mineral Koltan ist sehr wertvoll, aber auch Kobalt (ein unersetzliches Metall in den Lithium-Ionen-Akkus aller Mobilgeräte), oder aber auch Tantal (das für miniaturisierte Hochleistungskondensatoren in fast allen Mobilgeräten eingesetzt wird). Wie schwer es ist, ein Smartphone zu bauen, in dem keine Konfliktmetalle – also Metalle, die aus den Bürgerkriegsregionen Afrikas stammen – verbaut sind, zeigt das niederländische Projekt Fairphone. „Für mich persönlich wird es niemals ein 100 Prozent faires Telefon geben“, sagte Fairphone-Mitgründer Miquel Ballester.
Eigentlich ist es unbegreiflich das der Kongo zu den reichsten Vorkommen an Bodenschätzen weltweit gehört und die Einheimischen nicht in der Lage sind, dies für sich, ihr eigenes Volk, ihr Land gewinnbringend einzusetzen. Einfach unglaublich!
Weshalb überlässt man das alles der Westlichen Welt?
Nun die Antwort ist ernüchternd und einfach zugleich…
Das Wissen und die Bildung in Afrika läßt es leider nicht zu dass die Menschen diesbezüglich dort erfolgreich sind. Für die einheimischen ist es leider nichts anderes als Erdreich, Stein und Dreck. Tja dann holen die wertvolle Erden halt andere ab.
So ist leider das Leben.
Liebe Frau Gruber,
der Tonlage ihrer Anschuldigungen entnehme ich, dass ich irgendeinen Nerv getroffen haben muss, so unrecht kann ich also wohl nicht haben.
Sie haben Recht, Koltan ist nur eines von vielen, vielen Mineralien in einem Mobiltelefon, das unter grausamsten Bedingungen abgebaut wird. Genauso wie das Mobiltelefon nur ein Beispiel von vielen ist. Laptops, Taschenlampen, Bügeleisen, all das enthält problematische Mineralien und Metalle.
Ich finde Ihre Argumentation durchaus interessant. Zu Beginn fühlen Sie sich zu unrecht beschuldigt und ein paar Zeilen weiter argumentieren sie, dass es eben keine Möglichkeit gäbe, Mobiltelefone „fair“ herzustellen. Was nun? Sie sagen also, „klar wird mein Handy zu unmenschlichen Bedingungen produziert, aber eine andere Möglichkeit gibt’s halt nun mal nicht“ und gleichzeitig fühlen Sie sich angegriffen damit, als schuldig bezeichnet zu werden?
Ich wage zu behaupten, dass die MinenarbeiterInnen im Kongo nicht zum Spaß in die Stollen klettern um sich durch den Dreck zu wühlen. Glauben Sie ernsthaft, dass es mangelndes Wissen und Bildung ist, die verhindert, dass die Bevölkerung Kongos „erfolgreich“ ist und sich der Westen (inkl. China) die Mineralien dort nur deshalb abholt, weil der „ungebildete Kongo“ nicht weiß, was er damit anfangen soll? Weshalb glauben sie, sind es gerade rohstoffreiche Länder, die trotz Milliarden an Entwicklungshilfe, etc. immer noch in der Armut zu versinken drohen, die meisten von ihnen an der Grenze zum „failed state“ stehen? Werfen Sie einen Blick nach China. Innerhalb von 30 Jahren hat man hier mehrere Millionen Menschen im Land aus der Armut gehievt – ohne Rohstoffvorkommen, aber dafür ist China wohl das größte humanitäre Projekt aller Zeiten.
Es ist ein Irrglaube, dass Rohstoffvorkommen ein Segen für ein Land sind. Rohstoffreiche Länder, laufen wesentlich höher Gefahr im Bürgerkrieg zu versinken (Kongo, (Süd-)Sudan, Zentralafrika, Lybien, Syrien, Irak,…). Im internationalen Handelssystem sind Handelsrecht und politisches Recht voneinander getrennt, d.h. Handelspartner ist immer derjenige, der Herrschaft über das jeweilige Gebiet beansprucht. Und genau deshalb kaufen wir auch weiter Öl vom sogenannten Islamischen Staat.
Auf der anderen Seite sind es aber die Länder, welche Rohstoffe besitzen die (auf die Gesamtbevölkerung gesehen) am wenigsten davon profitieren. Mit Rohstoffen alleine ist kein Geld zu verdienen, der Verarbeitungsprozess ist der entscheidende Punkt, dort wird nämlich wirklich Wert geschaffen. Mit Rohstoffen transferiere ich de facto nur einen Wert von A nach B.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Greß
Einige agrargeografische Aspekte zum Thema:
International sind immer größere Landstriche davon betroffen, dass Länder benötigtes Agrarland im Ausland kaufen oder pachten. Die Folge: steigende Nachfrage > die Preise für Anbauflächen steigen.
Ägypten hat zum Beispiel schon vor Jahren mit dem Sudan ein Abkommen geschlossen, dass im Norden des Sudans Weizen angebaut wird, der nach Ägypten exportiert wird. Gleichzeitig aber ist der Sudan ein Land, in dem das bislang größte Welternährungsprogramm durchgeführt wurde (wohl auch werden musste), um übelste Hungerkatastrophen abzuschwächen.
Und Schweden baut z.B. in Russland Getreide und Ölpflanzen an. Die geografische Nähe zu Agrarland im Ausland aber spielt nicht unbedingt die wichtigste Rolle: Japaner kauften 100.000 Hektar Land in Brasilien für den Sojaanbau. Libyen überlässt der Ukraine 250.000 Hektar Land, im Gegenzug solle es von dort Erdgas geliefert bekommen. Auf die derzeitige Situation in der Ukraine muss man wohl nicht näher eingehen, es wäre ein Thema für sich. Und China erwarb hunderttausende Hektar Agrarland in Kamerun, Australien, Laos und auf den Philippinen.
Seit 2006 sind die Getreidepreis (mit Schwankungen aber dennoch) gut angestiegen. Große Anbieter drosselten immer wieder den Export um den „heimischen“ Bedarf zu decken. Länder wurden sich mehr und mehr der Bedrohung des sozialen Friedens bewusst, die sich aus den Preissteigerungen von benötigten Lebensmitteln ergaben und ergeben können. In den vergangenen zehn Jahren kam es unter anderem zu Hungerrevolten in Mittelamerika, Südamerika, Afrika, auf den Philippinen, in der Mongolei, der Arabischen Halbinsel und dem indischen Subkontinent. Davon wird in den heimischen Medien aber leider kaum berichtet. In der Folge haben etliche Länder beschlossen, Ackerland in anderen Ländern mit dem Ziel zu erwerben oder zu pachten, um die Ernährungssicherheit der Bevölkerung in ihren „eigenen“ Ländern zu erhöhen.
Zwei Beispiele, die für die „wohlhabenden“ Käufer- bzw. Pächterländer stehen:
Saudi-Arabien bewässerte Wüstenregionen mit den Einkünften von Ölexporten. Das Land konnte sogar Weizen exportieren. Das Wasser wurde aber dem fossilen Grundwasser (ist als Quelle endlich) entnommen. Die Konsequenz: Seit 2016 ist die Getreideproduktion eingestellt werden. Von da an, so der politische Wille, sollte Getreide nur noch im Import ins Land kommen. Aber die Preise sind steigend. 30 % der gut 30 Millionen Bewohner sind dort „Gastarbeiter“ mit schlechter Entlohnung. Diese müssen mit preiswerten Nahrungsmitteln versorgt werden, das wissen auch die Herrschenden dort. Preisanstiege bei den Lebensmitteln können für Unruhen in der Bevölkerung sorgen. Was machte Saudi Arabien?
Es verhandelte z.B. mit Kasachstan, Thailand, Pakistan, dem Sudan und der Ukraine über ein Abkommen zum Erwerb von Ackerland. Und in Indonesien produziert Saudi Arabien auf 500.000 Hektar Reis vor allem für sich – und Indonesien.
Südkorea. Nach der Teilung in Folge des Koreakrieges verfügte Südkorea kaum mehr über Rohstoffe. Das Land setzte deshalb verstärkt auf Ausbildung und Industrialisierung. Heut sind dort unter 20 Prozent des Landes Ackerfläche. Zwar kann das Land z.B. den eigenen Reisbedarf decken, aber 60 Prozent der Nahrungsmittel werden aus dem Ausland eingeführt. Das Land ist also besonders empfindlich für Preisschwankungen auf dem Welt-Agrarmarkt. Reichtum allein aber, so hat man in in Südkorea erkannt, reicht nicht, um die Ernährungssicherheit der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten. Das Land bemühte sich um Agrarflächen z.B. in der Mongolei, in Kambodscha, dem Sudan und in Indonesien. Eine südkoreanische Gruppe wollte vor Jahren auf Madagaskar im großen Stil Mais und Ölpalmen anbauen. Das Land dazu sollte für 99 Jahre gepachtet werden. Der Vertrag aber wurde auf Eis gelegt, und im Zusammenhang mit den Teuerungsraten bei Reis, dem lebenswichtigen Grundnahrungsmittel der Madegassen, wird davon ausgegangen, dass auch diese Bemühungen der Koreaner um Agrarland den Sturz des madagassischen Präsidenten Ravalomanana mit beschleunigt haben sollte.
Und was sind die Interessen der Verkäufer und Verpächter?
Thailand und Äthiopien z.B. bemühen sich um „Investoren“. Vielen „Anbietern“ ist häufig gemein, dass sie schwach bevölkert sind, große Anbauflächen besitzen und dort Agrarland billig ist. Mosambik und Angola nutzen beispielsweise lediglich etwa zehn Prozent der eignen Fläche als Agrarland. Viele dieser Länder haben kaum Infrastruktur: Es fehlen Lagermöglichkeiten, Straßen, Silos, Häfen … Und genau darin können und wollen die Käuferländer investieren. Aber diese neue Art der internationalen Verpachtung führt zu vielen Problemen: z.B. zu Märkten ohne Wettbewerb. Regeln des internationalen Handels sind so leicht zu unterlaufen. Und dass dort oft nicht nur agrarindustrielle Ziele verfolgt werden, zeigt die Tatsache, dass sich auch Hedgefonds, also Spekulanten „reinsten Wassers“ für solches Land interessieren.
Und die größten Widersprüche: Wenn man einen Blick auf die Länder wirft, die Agrarland verkaufen, dann ist es besonders fatal, dass darunter sehr viele sind, deren eigene Bevölkerung selbst nur miserabel mit Nahrungsmitteln versorgt ist. Oft sind es Länder in denen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung unterernährt ist, die Agrarland „veräußern“. Und oft sind es genau jene, die gleichzeitig Hilfen des Welternährungsprogramms in Anspruch nehmen (müssen). Zur Erinnerung: darunter der Sudan, das Land mit dem das bislang größte Welternährungsprogramm ausgelegt wurde.
Ist das alles eine Gelegenheit, Landwirtschaft in diesen Ländern zu entwickeln? Oder einfach nur „neuer“ Agrarkolonialismus? Verfügbares Ackerland ist nur selten unbewohnt. Dürfen Kleinbauern selbst der Subsistenzwirtschaft beraubt werden, also der Möglichkeit, sich selber auf dem Boden zu Ernähren? Und wenn Länder ihre eigene Bevölkerung nicht ernähren können, dürfen die dann trotzdem Ackerland an andere Länder verkaufen oder verpachten? Was ist daran in Ordnung? Und vor allem: Was ist daran nicht in Ordnung?
Hallo Herr Greß,
ist ja schon sehr bemerkenswert das Sie sich echauffieren über meine Argumentation.
Und ob Sie wirklich einen Nerv bei jemanden getroffen haben, sei in den Raum dahingestellt…
Ändert trotzdem nichts daran, der Kongo gehört zwar zu den reichsten Vorkommen an Bodenschätzen weltweit doch das eigene Volk ist weder fähig noch in der Lage diese Rohstoffe gewinnbringend für sich einzusetzen. Es fehlen einfach Kenntnisse in allem und das aber nicht nur bei den Menschen die im Kongo beheimatet sind. Wir haben es ja auch bei der ganzen Flüchtlingskrise gesehen. Fast alle die aus den Afrikanischen Ländern gekommen sind hatten höchstens 4 Jahre die Schule von innen gesehen und die Mehrheit überhaupt nicht. Von einer fundierten Ausbildung ganz zu schweigen. Da darf man sich halt nicht wundern dass die auf ihren eigenen kostbaren Rohstoffen trampeln und nichts sinnvolles damit anfangen können, außer vielleicht es auszugraben für ausländische MULTIKONZERNE.
Wie ich schon oben bereits sagte, für die einheimischen ist es leider nichts anderes als Erdreich, Stein und Dreck. Dann holen die wertvolle Erden halt andere ab.
So ist leider das Leben.
Liebe Frau Gruber,
was wär denn Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass die BewohnerInnen Kongos die vorhandenen Mineralien nicht selbst „gewinnbringend für sich einsetzen“, sondern lieber für Multinationals freischaufeln? Im Kongo fehlt es vielen an den nötigen Kenntnissen und an der nötigen Bildung, ja. Aber warum? Glauben Sie die gesamten 68 Millionen Einwohner Kongos haben schlichtweg keine Lust auf Bildung oder sind genetisch irgendwie nicht dafür veranlagt? Wenn dem so ist, warum soll das genau im Kongo der Fall sein? Im Nachbarland Uganda ist die Welt doch schon eine ganz andere. Nach Ihrer Argumentation muss das daran liegen, dass die UganderInnen wohl genetisch besser veranlagt sind oder prinzipiell einfach mehr Lust auf Schulbildung haben, versteh ich das richtig?
Ich glaube Ihre Argumentation greift in diesem Fall einfach viel zu kurz. Die Armut von mehr als 68 Millionen Menschen (trotz Rohstoffreichtums) bloß auf psychologische/biologische Faktoren zurückzuführen, halte ich für etwas kurzsichtig. Wieso ist das Ruhrgebiet dann nicht die reichste Region Deutschlands? Sitzen doch auf Bergen von Braunkohle und trotzdem zählt die Region nicht gerade als die „Boom-Region“ Deutschlands. Alle faul, dumm, unbegabt? Oder spielen vielleicht doch auch manchmal politische und ökonomische Entscheidungen in die Rechnung mit rein?
Das bloße Vorkommen von Rohstoffen reicht noch lange nicht für eine Nation um wirtschaftlich aufzublühen – ganz im Gegenteil. Der Kongo sitzt fest im Griff westlicher und ostasiatischer Unternehmen, von den Mineralien im Untergrund bleibt ihnen maximal ein Hungerlohn und ein Sklavendasein. Die FOLGE davon ist, dass sich soetwas wie eine Infrastruktur, ein Bildungssystem oder überhaupt gesellschaftliches Zusammenleben nicht etablieren kann, wie das meistens der Fall ist, wenn ein Land über Jahrzehnte im Bürgerkrieg versinkt. Die URSACHEN für dieses Choas liegen aber schlichtweg woanders….
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Greß
Leider jetzt erst gelesen…
Also, was die Politik anbelangt leiden die demokratischen Gesellschaften unter dem sogenannten Toleranz-Paradoxon, das macht den gesellschaftlichen Diskurs in Demokratien so „anstrengend“. Für mich behält Winston Churchill aber weiterhin recht, es sei denn, man wollte lieber wieder in Diktaturen leben. Das bekommt aber einer modernen Gesellschaft auf Dauer nicht so gut wie die Demokratie, das zeigt die Geschichte auf vielfältige Weise.
Und zum Themen globale Wirtschaft und Kapitalismus:
Das muss man angesichts der aktuellen Entwicklung einfach sehr kritisch sehen, weil das „immerwährende Märchen vom Wirtschaftswachstum“ den Planeten (ein „geschlossenes System“) zerstört und damit unser aller Lebensgrundlagen.
„Abschaffen“ geht natürlich nicht – immerhin gibt es die kapitalistische Denkweise schon seit der Antike – und mittlerweile ist alles global vernetzt, so dass vielfältige unterschiedliche internationale Abhängigkeiten entstanden sind (das zeigt die Corona Pandemie gerade wieder deutlich auf).
Wirtschaften TRANSFORMIEREN geht aber sehr wohl, Stichwort Ecological Economy: In diesen Modellen steckt unglaublich viel Potenzial für die Zukunft, und das für so gut wie alle Wirtschaftsbereiche (z.B. umweltverträgliche Produktionsmethoden, angepasste Wertschöpfungsketten, Transformation von Energieversorgung, Infrastrukturen u.v.m.). Man könnte sehr wohl auch mit Bildung, Gesundheit, Digitalisierung u.s.w. in Entwicklungs- und Schwellenländern Geld verdienen…
Es ist nur leider so, dass die Lenker in den meisten Konzernzentralen und auch viele Regierungen am Status Quo immer noch nichts ändern wollen, weil die globale Ungleichheit ein Motor des bestehenden Systems ist, und „es ja immer NOCH läuft“ (Beispiel: Wunsch nach Kaufprämien für Autos…).
Grenzenlose Gier, Bequemlichkeit und Denken in Quartalszahlen, statt in Generationen, das goldene Kalb ist noch immer die „Profitmaximierung“ um jeden Preis, und wer davon abrückt ist (zumindest im Moment noch) schnell weg vom Fenster. Das globale Wirtschaftssystem als Haifischbecken und die Märkte und Konzerne als Psychopathen (s. von der Realität abgekoppelte Börsenkurse). Das ist alles ziemlich krank, gewissenlos und unverantwortlich.
Wer das für überzogen hält, dem empfehle ich diese Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/The_Corporation
Ich denke, dass die Menschheit vielleicht dann noch die Kurve bekommt, wenn sich tatsächlich die Erkenntnis durchsetzt, dass wir nur diese eine Welt haben und wir letztlich trotz aller Unterschiede alle im selben Boot sitzen.
Das wäre zwar erstmal nur eine Änderung der Sichtweise (Perspektive), die z.B. jeder Astronaut auf tiefgreifende Art erfährt, wenn er die Erde zum ersten Mal aus dem Weltraum sieht. Aber mit dieser Sicht auf die Welt wären globale Ecological Economies dann plötzlich sehr naheliegend.