Freyung-Grafenau/Rottal-Inn. Ihre Vornamen könnten treffender nicht sein: Benjamin Schopf (18) und Benjamin Lettl (29) sind bereits in jungen Jahren in politischen Führungrollen aktiv. Der eine, Benjamin Schopf, besucht noch das Gymnasium, ist jedoch gleichzeitig Kreisvorsitzender der Jusos im Landkreis Freyung-Grafenau. Der andere, Benjamin Lettl, ist Sozialpädagoge in der Jugendhilfeeinrichtung Neureichenau und darüber hinaus Jusos-Kreisvorsitzender im Kreis Rottal-Inn sowie Vorsitzender des Eggenfeldener SPD-Ortsverbandes. Beide Jungsozialisten eint ihr Interesse für die Politik, insbesondere für die Sozialdemokratie. Dies wird während des Hog’n-Interviews mit den Vertretern der Jugendorganisation der SPD deutlich. Die Benjamins (biblisch „der Jüngste“) sprechen über ihre politische Einstellung und die Denkweise der Sozialdemokraten. Sie kritisieren dabei auch die öffentliche Selbst-Darstellung der SPD – und versuchen zu erklären, wie das „Stimmen-Phänomen“ AfD bekämpft werden kann.

Zum Gespräch in der Hog’n-Redaktion trafen sich die Jusos-Kreisvorsitzenden Benjamin Schopf (links) und Benjamin Lettl. Begleitet wurden sie von Bettina Blöhm, Kreisvorsitzende der SPD im Landkreis Freyung-Grafenau.
Herr Lettl, Herr Schopf: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, bei den Jusos aktiv zu werden?
Benjamin Schopf: Zum einen ist das einem Zufall geschuldet, zum anderen meiner politischen Färbung. Ich habe mich schon immer für Sozialdemokratie faszinieren können – auch wenn sich das angesichts meines Alters etwas seltsam anhören mag. Die Geschichte der SPD, aber auch die aktuelle Bundespolitik überzeugen mich einfach. Dann führt das eine zum anderen. Man kennt ein paar Leute, die sich ebenfalls politisch engagieren. Diese Freunde haben mich schließlich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, Mitglied bei den Jusos zu werden.
Warum überzeugt Sie die Tradition der SPD?
Schopf: Es ist markant, dass die SPD die einzige Partei war, die sich den Nazis widersetzt hat. Allgemein ist die 150-jährige Geschichte der Partei faszinierend. Es ist erstaunlich, dass eine politische Bewegung über einen derart langen Zeitraum bestehen kann.
„Mit einfachen, klaren Worten die Politik erklären“
Benjamin Lettl: Ähnlich verhält es sich bei mir. Ich komme aus einem sehr politischen Elternhaus, auch wenn weder Vater noch Mutter jemals Mitglied einer Partei waren. Sie haben mir ihre sozialdemokratischen Ideen weitergegeben. Eine Art Schlüsselerlebnis war die krachende Niederlage der Rottal-SPD bei den Kommunalwahlen im Jahr 2008. Da ich bereits bei der Juso-Hochschul-Gruppe in Eichstätt dabei war, bin ich angesprochen worden, ob ich beim Wiederaufbau mithelfen möchte. Über die Jusos bin ich auch relativ schnell im SPD-Ortsverein Eggenfelden gelandet, dem ich inzwischen seit sechs Jahren vorsitze.
Für mich ist die SPD die einzige Partei links der Mitte, die regierungsfähig ist und ein vernünftiges Programm aufgestellt hat. Mit ein Grund für mein Engagement ist, dass die Jusos im Vergleich zur Links- oder Grünen-Jugend in Bayern hervorragend aufgestellt sind.
Welche Charakterzüge hat ein Jungsozialist?
Lettl: In der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, jegliche Unterdrückung von Schwächeren offen anzuprangern. Der Jungsozialist hat bei Themen wie Meinungsfreiheit, Sexismus und Rassismus eine klare Auffassung, die er auch nach außen kundtut. Außerdem charakterisiert den Juso seine europäische Denkweise.

Seit 2016 Kreisvorsitzender der Jungsozialisten („Jusos“) im Landkreis Freyung-Grafenau: Benjamin Schopf aus Riedlhütte.
Schopf: Ich störe mich ein bisschen am Begriff Sozialismus. Gerechtigkeit trifft da schon eher zu. Konkretes Beispiel sind die offensichtlichen Steuerhinterziehungen vieler Großkonzerne, die immer wieder Schlupflöcher finden, um keine Abgaben zahlen zu müssen – und dann auch noch von bestimmten Regierungen unterstützt werden. Junge Leute nehmen das wahr, sie finden es beschämend. Und genau hier kann die SPD mit ihrem Programm ansetzen.
Ist Gerechtigkeit also das zentrale Thema der SPD?
Schopf: Gerechtigkeit ist ein starker Begriff, den ich anhand dieses Beispiels erklären wollte. Viele junge Leute hören ein Schlagwort, können sich darunter aber nichts vorstellen. Das ist ein Kernproblem. Die politische Sprache ist zu vage. Und darauf müssen die Führungsköpfe der Parteien eingehen. Man muss den Menschen mit einfachen, klaren Worten die Politik erklären.
Welche Unterschiede gibt es denn zwischen SPD und Jusos?
Lettl: Sehr deutliche. Die Jusos versuchen mit ihren Ideen Diskussionen anzuregen. Im Gegensatz zur Regierungspartei können wir uns bei der Entscheidungsfindung länger Zeit lassen. In der Bundespolitik sind schnelle und pragmatische Lösungen gefordert – das wollen die Bürger so. Bei den Jusos hingegen gibt es Prozesse, die über mehrere Generationen hinweg andauern. Mit den Ergebnissen können wir uns dann mit der SPD auseinandersetzen.
Politische Jugendarbeit: „Die CSU macht das einfach gut“
Wird man denn da auch gehört?
Lettl: Das ist abhängig vom jeweiligen Thema. Manchmal werden unsere Vorstöße als störend wahrgenommen – oftmals haben wir es mit einer Anregung aber dann doch noch ins Parteiprogramm geschafft. In ruhigen Zeiten kommt man immer wieder auf unsere Vorschläge zurück. Das Thema Mindestlohn ist zum Beispiel eine Initiative der Jusos – auch wenn das die SPD nicht wahrhaben will (lacht).
Im Gegensatz zu den Jusos hat die „JU“, die Jugendorganisation der CSU, sehr viele Mitglieder. Was klappt bei den Christsozialen in Sachen Nachwuchsarbeit besser?
Schopf: Das macht die CSU einfach gut – das muss man neidlos anerkennen. Es lässt sich dabei beobachten, dass gerade die JU eine große Nähe zu ortsansässigen Vereinen wie Feuerwehr oder Schützen hat. Oftmals sind auch die Eltern bereits in der CSU engagiert und überzeugen ihre Kinder davon, JU-Mitglied zu werden. Die Stärke der CSU beruht in Bayern in der Tradition, diese Partei schon immer unterstützt zu haben. Hinzu kommt, dass die JU sehr viele Freizeitangebote anbietet – Ausflüge ziehen junge Leute an. Die Jusos hingegen charakterisieren sich durch politische Diskussionen. Geht man zu den Jusos, interessiert man sich für Politik. Bei der JU spielt hingegen das Gesellschaftliche eine große Rolle.

Vorsitzender des Jusos-Kreisverbandes Rottal-Inn und des SPD-Ortsvereins Eggenfelden: Benjamin Lettl.
Lettl: Auf Landes- und Bundesebene sind die Unterschiede zwischen Jusos und JU nicht so eklatant wie im Kleinen, in den Kreis- und Ortsverbänden. Die Durchlässigkeit von Ideen ist beispielsweise bei den Sozialdemokraten besser als bei den Christsozialen. Bei uns in der SPD wird die Jugend besser gehört.
Wie schaffen es die Jusos, mehr Mitglieder zu bekommen?
Lettl: Indem man in der Öffentlichkeit zu Themen steht, für die man sich einsetzt. Wichtig ist auch der ein oder andere Erfolg vor Ort, in den Kommunen. Daran müssen wir arbeiten.
Eine große Chance sind die Hochschulstandorte in Niederbayern. Dort sehe ich großes Potenzial für unsere Gruppierung; dort finden rege politische Diskussionen statt; dort könnten sich Juso-Hochburgen entwickeln. Und dann macht es auch Spaß, sich an einer Arbeitsgruppe zu beteiligen – was wiederum gute Werbung ist.
Es besteht nach wie vor eine gewisse Hemmschwelle, Sozialdemokrat zu sein – das ist ebenfalls teilweise in der Tradition begründet. Ein Selbstständiger zum Beispiel fürchtet um seinen Ruf, wenn er Teil der SPD wird. Warum das so ist, kann ich mir selber nicht erklären – aber leider ist es so.
Schopf: Ich sehe das Grundproblem darin, dass in unserem Bildungssystem Politik eine Nebenrolle spielt. Das Fach Sozialkunde wird links liegen gelassen. In der Folge haben junge Leute gar keine Möglichkeit, sich über ihre politische Einstellung Gedanken zu machen. Erschreckend – wenn man bedenkt, welche Tragweite politische Entscheidungen in unserem Leben haben können. Viele junge Gymnasiasten, unsere Bildungselite, wissen überhaupt nicht, dass es Organisationen wie die Jusos gibt. Das ist die Krux an der ganzen Geschichte. Einfache Gleichung: mehr Sozialkunde-Unterricht, mehr Jusos-Mitglieder.
„Politisch interessierte Jugendliche werden ausgeschlossen“
Herr Lettl: Sie haben vorher erklärt, dass Jusos-Mitglieder insbesondere an Hochschulen akquiriert werden. Außerdem haben sie betont, dass bei den Jungsozialisten hochgeistigere Politik gemacht werde als bei anderen Organisationen. Heißt: Man konzentriert sich also bei den Mitgliedern auf einen eher elitären Kreis – möchte aber Politik für die breite Masse machen. Wie passt das zusammen?
Lettl: Das ist der kleine Widerspruch, der die SPD schon lange begleitet. Es ist sehr schwer, die Leute, für die gekämpft wird, zur Sozialdemokratie zu bringen. Das Potenzial an den Hochschulen ist da – und muss genutzt werden. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass der Auszubildende oder Handwerker nicht bei der SPD willkommen ist. Es geht im Endeffekt nur darum, dass es Leute gibt, die gerne politisch diskutieren – aus welcher gesellschaftlichen Schicht diese kommen, ist zweitrangig.
Um auf Benjamins Anmerkung zurückzukommen: Ich bin davon überzeugt, dass sich das bayerische Bildungssystem grundsätzlich ändern würde, wenn die SPD Regierungspartei wäre. Nur so viel dazu…

Ähnlich wie JU-Kreisvorsitzender Daniel Traxinger sieht auch Benjamin Schopf eine „Parteiverdrossenheit vieler junger Menschen“. Foto: Archiv
Im Hog’n-Interview meinte JU-Kreisvorsitzender Daniel Traxinger, dass bei jungen Leuten keine Politikverdrossenheit vorherrsche, sondern eine „Parteiverdrossenheit“. Ihre Meinung dazu?
Schopf: Daniel hat Recht. Grundsätzlich diskutieren junge Leute gern mit Gleichaltrigen über Politik. Nur die wenigsten engagieren sich jedoch in einer Partei. Dies ist nämlich mit reichlich Arbeit und Zeit verbunden – viele sind nicht bereit, das zu investieren. Dadurch, dass man in Deutschland erst mit 18 Jahren wählen darf, werden die unter 18-Jährigen von der Teilnahme praktisch ausgeschlossen. Politisch interessierte Jugendliche fühlen sich in der Folge vernachlässigt. Das ist sicher mit ein Grund für die Parteiverdrossenheit.
Lettl: Der Organisationsgrad ist ein Problem – das merken nicht nur die Parteien, sondern auch Gewerkschaften und diverse Vereine. Eine bloße Mitgliedschaft ist das eine – Verantwortung zu übernehmen das andere. Sobald man für irgendwelche Themen einsteht – egal in welchem Bereich -, muss man mit eventueller Kritik leben. Die jungen Leute haben Interesse an Politik, allerdings nur kurzfristig. Die Beständigkeit der jungen Generation lässt zu wünschen übrig. Ein längeres Engagement kommt für viele nicht infrage – auch, weil viele nicht wissen, wo und wie sie ihre Zukunft verbringen werden. Also ist es Aufgabe der Politik, den jungen Menschen Sicherheit für die Zukunft zu geben, damit auch der Fortbestand der Demokratie gesichert ist.
Schopf: Vielen, die politisch noch unerfahren sind, fehlt auch die Kompromissbereitschaft bezüglich politischer Inhalte der jeweiligen Partei. Viele gehen davon aus, dass eine Partei hundertprozentig auf ihr Profil zugeschnitten sei. Das ist aber unrealistisch. Tritt man in eine Partei ein, muss man Kompromisse eingehen.
Fall Uekermann: „Ich hätte mir ein klares Bekenntnis gewünscht“
Themawechsel: Der Fall von Juso-Bundesvorsitzender Johanna Uekermann sorgte zuletzt für Negativ-Schlagzeilen. Was ist da genau schief gelaufen?
Schopf: Ich möchte mich, ehrlich gesagt, an dieser Diskussion nicht weiter beteiligen. Persönliche Geschichten sollen auch persönlich bleiben – man weiß einfach zu wenig, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht…
Eine gewisse Signalwirkung ist jedoch von dieser Geschichte ausgegangen. Das lässt sich nicht bstreiten.
Schopf: Das stimmt allerdings.
Lettl: Ich möchte keine Spekulationen betreiben, aber: Es ist doch klar, dass jemand, der aktuell im Bundestag sitzt und achtbare Arbeit leistet, durch eine gute Listenplatzierung abgesichert sein möchte. Da bleibt wenig Luft für junge, neue Leute. Dennoch würde es für diese Nachwuchspolitiker eine Möglichkeit geben: Man müsste einfach gewisse Listenplätze für Junge oder Frauen freihalten.
Was mir bei dieser Angelegenheit gefehlt hat, ist ein klares Bekenntnis der Bayern-SPD. Von den Verantwortlichen hätte ich mir ein klareres Signal an die Jusos und damit auch an die jungen Leute gewünscht. Doch das ist leider ausgeblieben…

„Im Allgemeinen muss man konstatieren, dass die Volksparteien – egal welcher Gesinnung – herbe Verluste einstecken mussten.“
Das Ergebnis der SPD-Listenaufstellung muss für Johanna Uekermann frustrierend gewesen sein…
Lettl: Absolut. Wie ich Johanna kenne, hätte sie es gerne für die Jusos in den Bundestag geschafft.
Die Umfragewerte der SPD waren in der Vor-Schulz-Ära im Keller angelangt – die Sozialdemokraten kamen gerade einmal auf 20 Prozent. Kann man da überhaupt noch von einer Volkspartei sprechen?
Schopf: Im Allgemeinen muss man konstatieren, dass die Volksparteien – egal welcher Gesinnung – herbe Verluste einstecken mussten. Das ist ein generelles Problem der demokratischen Mitte, die nun mit allen Mitteln versuchen muss, das Stimmen-Phänomen AfD gemeinsam zu bekämpfen. Es gilt, sich mit den Politikern dieser Partei auseinanderzusetzen – auch wenn man ihnen so eine Plattform bietet. Das Programm der AfD ist allerdings derart löchrig, dass man argumentativ relativ schnell die Oberhand gewinnt. Menschenverachtung und Hetze sind Dinge, die in unserer Gesellschaft keinen Platz finden dürfen.
Lettl: Volkspartei heißt ja nicht, dass man einen Großteil der Stimmen auf seiner Seite hat. Volkspartei ist man, wenn man sich mit Themen beschäftigt, die 90 Prozent der Bevölkerung betreffen. Außerdem ist es fahrlässig, den Erfolg einer Partei auf eine Wahl zu begrenzen. Das Wirken der SPD muss langfristiger gesehen werden. Und in der Vergangenheit haben die Sozialdemokraten viele Dinge erreicht, die dem Volk zugute gekommen sind.
„In dieser Hinsicht ist die SPD alles andere als selbstkritisch“
Was halten Sie von folgender Theses: „Die SPD ist nicht fähig zur Selbstkritik!“
Schopf: Das ist das richtige Stichwort. Ein kleines Beispiel: Regelmäßig erhalten alle SPD-Mitglieder eine hübsche Bilanz mit dem Titel „Gesagt, Getan, Gerecht – Bilanz 2013-2016“. Dieses beinhaltet sämtliche Errungenschaften der SPD innerhalb der Legislaturperiode sowie angestrebte Verbesserungen. Meiner Meinung nach ähnelt das Ganze aber eher einem Hochglanz-Magazin als einer seriösen Einschätzung der momentanen Situation. Diese euphemistische Darstellung gibt es nicht nur gegenüber den eigenen Mitgliedern, sondern auch gegenüber der ganzen Bevölkerung. Da wäre eine normalere, einfachere Sprache viel besser geeignet. In dieser Hinsicht ist die SPD alles andere als selbstkritisch. Ein Phänomen, dass man jedoch nicht nur bei uns vorfindet, sondern bei vielen Parteien des politischen Spektrums.

„Ich freue mich auf einen geilen Aschermittwoch und einen emotionalen Wahlkampf mit Martin und der SPD.“
Lettl: Bei manchen Themen wie der Einführung des Mindestlohns ist man unverständlicherweise sehr zurückhaltend, obwohl dies ein großer Erfolg für unsere Partei ist. Man hat durch Verhandlungsgeschick etwas erreicht, das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war.
Nun soll Martin Schulz die SPD wieder auf Vordermann bringen, in den nächsten Jahren als Chef in die richtige Richtung lenken. Sigmar Gabriel hat ihm sowohl die Kanzlerkandidatur als auch den Parteivorsitz überlassen. Die richtige Entscheidung?
Schopf: Auf jeden Fall. Zunächst muss man aber die selbstlose und mutige Entscheidung Sigmar Gabriels hervorheben, der durch seinen Verzicht in einem größeren Rahmen denkt – und der SPD somit durch die höheren Beliebtheitswerte von Martin Schulz größere Siegeschancen ermöglicht. Zudem ist es für Gabriel wichtig, dass die Partei geeint hinter ihrem Kanzlerkandidaten stehen muss. Somit geht die Kanzlerkandidatur einher mit dem Amt des Parteivorsitzenden.
Martin Schulz verkörpert wie kaum ein anderer traditionell-sozialdemokratische Werte, die er – was wohl der größte Unterschied zu Sigmar Gabriel oder auch Angela Merkel ist – glaubhaft, begeisternd und euphorisch vermittelt. Man sollte jedoch nicht den Tag vor dem Abend loben – und den Wahlkampf konsequent und aufrichtig weiter vorantreiben.
Lettl: Ich gebe Benjamin Recht. Das ist die absolut richtige Entscheidung. Martin Schulz ist der richtige Mann zur richtigen Zeit. Dass Sigmar Gabriel ihm sowohl die Kanzlerkandidatur als auch den Parteivorsitz überlässt, ist für mich ein sehr selbstloser Schritt. Hier kann ich nur meine Hochachtung ausdrücken. Ich freue mich auf einen geilen Aschermittwoch und einen emotionalen Wahlkampf mit Martin und der SPD.
„Die AfD nährt sich von den Ängsten der Bevölkerung“
Schulz soll unter anderem der AfD Paroli bieten. Wie sehen Sie diese Partei?
Schopf: Wie ich die AfD sehe, ist selbsterklärend – ich bin Juso-Vorsitzender (lacht). Man muss sich mit den Inhalten dieser Partei auseinandersetzen, um sie bekämpfen zu können. Erkennen die Leute, dass Zuwanderung auch ein Erfolg sein kann, verliert die AfD schnell ihre Anhänger. Obwohl diese Gruppierung bereits in einigen Landesparlamenten vertreten ist, ist sie weiterhin eine Ein-Themen-Partei. Die AfD nimmt sich um eine neu entstandene Bevölkerungsgruppe an – nämlich um die Globalisierungs-Verlierer. Sie nährt sich zudem von den Ängsten der Bevölkerung – lösen sich diese auf, löst sich auch die AfD auf.
Lettl: Überall da, wo die AfD in den Landtagen vertreten ist, kann man erkennen, dass ihre politische Arbeit inhaltlich sehr schlampig bis gar nicht stattfindet. Aktuell beschäftigen sich viele Leute noch gar nicht mit dem Wahlprogramm der AfD. Rassismus und Hetze geht nicht – das ist klar. Ich glaube aber nicht, dass jemand, der diese Partei gewählt hat, weiß, dass er bis zum 70. Lebensjahr arbeiten muss. Ihr Wirtschaftsprogramm ist noch gruseliger – länger arbeiten, weniger Rente, noch mehr privat, noch weniger Sozialhilfe. Staatliche Förderungen und kostenlose Bildung wären dann hinfällig.

„Die Sozialen Medien sind einer der Hauptgründe, warum der Populismus auf dem Vormarsch ist.“
Wie sehen Sie den Einfluss der Sozialen Medien auf diese Entwicklung?
Schopf: Die Sozialen Medien sind einer der Hauptgründe, warum der Populismus auf dem Vormarsch ist. Diese Parteien haben es verstanden, wie man News raushaut, die schnell Stimmung machen. In schnelllebigen Zeiten sind Menschen für Parolen, die hart und einfach sind, sehr empfänglich. Wir als Sozialdemokratie müssen hier entgegenarbeiten – müssen bewusst auf einen sorgsamen Umgang mit den Sozialen Medien hinweisen. Die Medienpräsenz der SPD auf ihrer Homepage oder bei Facebook muss deshalb zeitgemäßer werden. Da wären wir wieder beim vorher bereits angesprochenen Hochglanz-Magazin…
Lettl: Manche populistische Postings sind strafrelevant. Diese anzuzeigen, war lange Zeit nicht üblich – inzwischen aber werden Volksverhetzungen oder Beleidigungen in Sozialen Medien immer mehr geahndet. Die Narrenfreiheit bei Facebook zum Beispiel wird bald Geschichte sein. Und dann haben es auch solche Populisten schwerer.
Vielen Dank für das umfangreiche Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer