Grafenau. „Da Woid woas ois vo mir.“ Wenn Hilde Greiner nach getaner Arbeit Zeit zum Abschalten sucht, geht sie zum Laufen in den Wald. Dort kann sie die Dinge des Alltags verarbeiten, sich ordnen, neue Kraft schöpfen. Kraft, die die 59-Jährige auch im (Wahl-)Kampf um den Posten des Landrats von Freyung-Grafenau brauchen wird. Als erste Frau überhaupt im Landkreis ist die gebürtige Grafenauerin ins Rennen gegangen – und möchte sich am 15. März gegen ihre männlichen Konkurrenten Gruber, Pöschl und Hödl durchsetzen.
„Ich bin eine fleißige Politikerin“, sagt sie, die 2002 der SPD beigetreten ist, über sich selbst. Dabei hatte sie 1980, nach mittlerer Reife und Beendigung ihrer Fotografenlehre, nicht die Sozialdemokraten gewählt, sondern ihre erste Stimme den Grünen gegeben. „In Passau bin ich damals in die grünen Kreise hineingerutscht“, erinnert sie sich – was zu gewissen Konflikten mit ihrem „tief-schwarzen“ Vater geführt habe. Hilde Greiner war auf vielen Demos mit dabei – gegen den Nato-Doppelbeschluss, gegen Strauß und „oft auch in Wackersdorf„, wo sie gegen die Wiederaufbereitungsanlage protestierte. Teil 1 unseres Kandidaten-Interviews:
Frau Greiner: Was ist in der aktuellen Phase die größere Schwierigkeit: ein relativ unbeschriebenes Politiker-Blatt zu sein – oder der SPD anzugehören?
Für mich ist es kein Problem der SPD anzugehören. Ich kandidiere, weil ich aus persönlichen Gründen der SPD wieder mehr Profil geben möchte. Ich bin der Meinung, dass man die SPD immer noch als Volkspartei betrachten muss, diese Partei ist 150 Jahre alt.
„Das Sozialverhalten der Menschen hat sich verändert“
Sehen Sie die SPD tatsächlich immer noch als Volkspartei?
Ja, denn die SPD hat viel erreicht. Sie war die einzige Partei, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verstecken musste. Sie repräsentiert immer noch Volksnähe. Sie hat auch in der aktuellen Regierung viel erreicht: Der Mindestlohn und die Grundrente wurden eingeführt, ein gutes Kindergarten-Gesetz erlassen, die Parität zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen bei der Krankenversicherung hergestellt. Doch ich sehe mich ganz als Kommunalpolitikerin – mit guten, politisch-engagierten Leuten an der Seite und auf der Liste.
Anders gefragt: Sehen Sie Ihre Mitgliedschaft bei der SPD als Vor- oder Nachteil für Ihre Landratskandidatur?
Für mich ist es ein Vorteil. Ich bin Sozialdemokratin. Sozial ist mein Steckenpferd, ich bin ein sozialer Mensch. Ich habe mich immer schon für sozial Schwächere eingesetzt. Mir ist wichtig, dass in unserer Region alle die gleichen Chancen haben.
Wie sozial ist denn der Landkreis Freuyung-Grafenau aktuell aus Ihrer Sicht?
Ich denke, der Landkreis hat verschlafen den sozialen Wohnungsbau weiterhin zu fördern. Wir hatten zu meiner Kinder- und Jugendzeit in Grafenau noch Baugenossenschaftshäuser, in denen sozial schwächere Menschen eine bezahlbare Wohnung zu akzeptablen Preisen finden konnten. Das ist heutzutage schwierig. Die Gesellschaft ist lange nicht mehr so sozial eingestellt wie damals. Das Sozialverhalten der Menschen hat sich verändert. Das hat auch viel mit dem gewachsenen Wohlstand zu tun: Wir jammern auf hohem Niveau, die Leute müssen sich wieder auf andere Werte besinnen. Es geht um mehr Miteinander im sozialen Bereich.
„Die SPD wirkt etwas verstaubt“
Die Umfragewerte der SPD waren zuletzt nicht gerade berauschend, um nicht zu sagen bei einem Allzeit-Tief angelangt.
Ich mache da meistens die Auge zu, wenn ich sie lese (lacht). Im Ernst: Es tut mir weh. Doch noch viel mehr weh tun mir die 14 Prozent der AfD in Bayern… Doch auch CDU und CSU verlieren, obwohl sie grundsätzlich mehr Prozente haben – da schaut’s dann nicht gar so wenig aus. Aber es stimmt schon: Der SPD fehlt es an Charisma. Die Grünen sind jugendlicher, fortschrittlicher. Die SPD wirkt im Vergleich dazu etwas verstaubt, ja fast stehen geblieben.
Was ist da passiert mit der SPD? Und wann?
Zu Schröders Zeiten. Schröder mit seiner Agenda 2010 hat der SPD geschadet – und vor allem auch den kleinen Ortsvereinen weh getan. Den Menschen geht’s zu gut – und dadurch ist die Politik immer mehr verwischt worden: Die SPD ist etwas in die Mitte gerückt, die Union etwas mehr nach links. Auch die Große Koalition hat zu dieser Verschiebung bzw. Vermengung beigetragen. Dadurch konnten sich andere Parteien wie die Grünen etablieren.
Denken Sie, dass die Bürger im Landkreis Freyung-Grafenau Sie kennen, Sie als Politikerin wahrnehmen bzw. bis dato wahrgenommen haben?
Ich bin kein unbeschriebenes Blatt, ich bin seit zwölf Jahren Stadträtin in Grafenau, seit sechs Jahren Kreisrätin. Seit 2002 bin ich SPD-Ortsvorsitzende und habe 2007 die Grafenauer Tafel mitgegründet. Ich bin die erste Vorsitzende der AWO…
Das sind überwiegend Grafenau-spezifische Ämter. Sie wollen Landrätin von Freyung-Grafenau werden. Glauben Sie, dass die Menschen in Haidmühle und Neureichenau Sie wählen werden?
Nein, die werden mich nicht wählen, da brauche ich mir nichts vormachen. Diese beiden Gemeinden sind zum einen sehr konservativ eingestellt, es gibt dort keinen SPD-Ortsverein. Zum anderen bin ich dort viel zu wenig bekannt.
„Politisches Engagement ist total wichtig“
Wird der Landrats-Wahlkampf ein Kampf der Gebiete, der örtlichen Zugehörigkeiten? Gruber in Freyung, Greiner in Grafenau, Hödl in Perlesreut, Pöschl im Waldkirchener Raum? Was denken Sie?
Ja, ich denke dass mich die Leute im Raum Grafenau wählen werden. Hier erlebe ich viel Zuspruch, der Heimvorteil wird hier sicher zum Tragen kommen. Aber klar ist auch: Ein eingefleischter CSU’ler aus der Gegend hier wird sicher nicht die Hilde Greiner wählen. Aber es sind ja nicht alle Leute politisch…
Wie ist es denn zu Ihrer Landratskandidatur gekommen? Was gab den entscheidenden Ausschlag dafür?
Wir hatten im November das erste Aufstellungstreffen für unsere Liste. Es waren viele gute, junge Leute mit dabei, die mir gefallen haben. Einer von meiner Partei stand dann auf und sagte, er finde es schade, dass die SPD keinen Landratskandidaten habe. Derjenige hatte dann ein Plädoyer für mich gehalten – davon wusste ich bis zu dem Zeitpunkt nichts, es kam für mich überraschend (lacht). Der Rest schloss sich seinen Worten an, auch alle anderen plädierten für mich als Landratskandidatin.
Ich hatte um Bedenkzeit gebeten – und nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich nichts zu verlieren habe. Ich liebe Politik – und politisches Engagement ist total wichtig. Ich habe mich aus freien Stücken dazu entschieden, habe mich nicht dazu gedrängt gefühlt. Und vielleicht gehe ich ja gestärkt aus dem Ganzen wieder raus.
„Ich hole mir keine Tipps von außen“
Wie sieht Ihre Wahlkampf-Strategie aus? Holen Sie sich etwa Tipps von Ihrer SPD-Kollegin Rita Röhrl, die ja Landrätin im Landkreis Regen ist?
Nein, ich hole mir keine Tipps von außen. Ich habe selbst ein Wahlkampf-Team zusammengestellt, das aus der Kreisvorsitzenden Bettina Blöhm und meinen Stadtratskollegen besteht. Das Kernteam setzt sich aus fünf Leuten zusammen. Wir haben dazu noch einige Arbeitsgruppen zu den Themen Jugend, Krankenhaus, Landwirtschaft, Umwelt etc. gebildet – ich möchte mich über alles informieren. Es gibt insgesamt zwölf SPD-Wahlkampfveranstaltungen in Grafenau. Ich selbst mache keine Wahlversammlung anlässlich meiner Landratskandidatur. Wir werden zudem im Landkreis Plakate aufhängen.
Drei Fragen an Landratskandidatin Hilde Greiner:
Interview: Stephan Hörhammer
Im zweiten Teil unseres Landratskandidaten-Interviews haben wir Hilde Greiner u.a. danach gefragt, was sich im Landkreis Freyung-Grafenau ändert, wenn sie zur neuen Landrätin gewählt wird, was sie von der geplanten Fachakademie für Sozialpädagogik in Schlag hält, wie lange das Krankenhaus Grafenau ihrer Meinung nach noch existieren wird – und warum es, wie sie sagt, „die AfD zu verhindern gilt“…