Passau. Da sind sich zwei aber ganz und gar nicht mehr grün. Nachdem Kreisrat Toni Schuberl mit deutlichen Worten Kritik an der aus seiner Sicht immensen Flächenversiegelung im Landkreis Passau übte und vom „zügellosen Flächenfraß“ sprach, sah sich nun Landrat Franz Meyer dazu bemüßigt, mit nicht minder scharfer Rhetorik zu kontern. Er sieht durch Schuberls „verbalen Rundumschlag“ den öffentlichen Ruf des Passauer Landes gefährdet und fordert Schuberl auf, die „dunkelgrüne Parteibrille“ abzusetzen: „Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie damit für eine Außenwirkung und Wahrnehmung für die Region erzeugen?“ Der Grünen-Kreisrat stellt fest: „Es geht mir nicht um den Stopp von Flächenverbrauch. Der ist in vielen Fällen notwendig. Es geht mir um eine höhere Wertschätzung der Natur.“
Die Mitteilung von Landrat Franz Meyer als Reaktion auf Toni Schuberls Kritik im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Schuberl,
ich darf Bezug nehmen auf Ihre Pressemitteilung „Flächenfraß“ und die damit einhergehende Berichterstattung in den Medien. Schon im Jahr 2014 hatten wir einen intensiven Austausch zum Thema Flächenverbrauch. Zusammen mit den Fachabteilungen meines Hauses haben wir versucht, Ihnen die Rahmenbedingungen und gesetzlichen Vorgaben der Bauleitplanung und die umwelt- und naturschutzfachlichen Entscheidungstatbestände zu erörtern. Ich hatte gehofft, Ihnen damit fundierte Sachgrundlagen zu vermitteln.
„… und kann fast als fahrlässig bezeichnet werden“
Ich darf nun nochmals feststellen: Wenn Sie die bestehenden Gesetze und die Regelungen zur Eingriffs- und Ausgleichsmaßnahmen als unzureichend erachten, dann müssen Sie sich an den Gesetzgeber in Bund und Land wenden. Dort werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, die allen behördlichen Entscheidungen zu Grunde liegen und an die sich die Genehmigungsbehörden zu halten haben.
Nun stellen Sie aufgrund von statistischen Zahlen fest: „Der Landkreis Passau ist deutschlandweit ein Symbol für naturverachtenden Flächenfraß geworden“. Und weiter „Im Landkreis Passau fehlt jedoch die Bereitschaft, Belange der Natur angesessen zu gewichten.“ Als Beispiel führen Sie wieder einmal das Gewerbegebiet Rathsmannsdorf an (auf die Gerichtsentscheidungen dazu gehe ich hier nicht ein).
Dies führte zur „taz“-Überschrift „öd, platt und leblos“ als Beschreibung der niederbayerischen Landschaft. Sie haben eine andere Sichtweise als die in der Verantwortung stehenden Landräte, Bürgermeister und die Genehmigungsbehörden. Dass Sie aber aufgrund von statischen Zahlen zur Fläche von Naturschutzgebieten (Bericht in „Am Sonntag“ vom 5.2.2017) zu dem Schluss kommen, „die niederbayerischen Landkreise sind ein trauriges Beispiel für die völlige Unterwerfung von Natur und Umwelt unter die Zwänge ungezügelten Wachstums“, ist schon sehr bemerkenswert und kann fast als „fahrlässig“ bezeichnet werden.
Was solche verbalen Rundumschläge auslösen, zeigt die Überschrift des Berliner Blattes. Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie damit für eine Außenwirkung und Wahrnehmung für die Region erzeugen? Möchten Sie in einer Region Urlaub machen, die als „öd, platt und leblos“ beschrieben wird? Möchten Sie sich in einer Region ansiedeln, in der jeder Firmengründer als „Flächenfresser“ beschimpft wird?
„Eine Schlagzeile kann vieles zu nichte machen“
Der Tourismus ist ein starker Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsplätze schafft und Wertschöpfung generiert. Und der Tourismus lebt u.a. auch von unserer Naturlandschaft; über 4,5 Mio. Übernachtungen sprechen hier eine deutliche Sprache. Um Gäste zu gewinnen, werden jährlich hohe Geldbeträge ausgegeben. Eine Schlagzeile kann vieles davon zu nichte machen.
Wir unterhalten ein Standortmarketing und haben kürzlich, auch mit Zustimmung Ihrer Fraktion, die „Vermarktungsgesellschaft Ruhstorf an der Rott mbH“ geründet. Diese soll überregional für Firmenansiedlungen im gesamten Landkreis werben, um den Stellenverlust bei Siemens auszugleichen. Ihre Pressemitteilung ist sicher nicht der geeignete Impuls, um einen Arbeitgeber zur Ansiedlung in der Region zu motivieren.
Sie fordern, dass das Bewusstsein für den Wert von Natur, Wasser, Böden, Artenvielfalt und Landschaft wachsen muss. Kennen Sie die Projekte in Ihrem Heimatlandkreis nicht? Flussperlmuschel-Projekt, Blühendes Passauer Land, Integriertes Klimaschutzkonzept (hier z.B. Symposium lebenswerte Bebauungspläne), Haus am Strom, Bibermanagement (z.B. Pillinger Bach), Fledermaus- Projekt, Haselhuhn-Kartierung, Mitgliedschaft Danube Parks, Umweltpreis, ÖPNV, EMobilität, die Arbeit des Landschaftspflegeverbandes und vieles andere mehr.
Auch als Bauherr nimmt der Landkreis Passau das Thema Ökologie sehr ernst: Neubau Dienstgebäude Salzweg (Passivhaus-Standard in Holzbauweise), Photovoltaikanlagen auf allen geeigneten Landkreisliegenschaften, ökologische Maßnahmen bei der Felssicherung PA 51 und der Entlandung Rannasee, Umgang mit Straßenaufbruchmaterial sind nur einige Beispiele.
„Über den ökologischen Tellerrand hinausblicken“
Hier steht der Kreistag immer mehrheitlich dahinter und wendet alljährlich auch erhebliche finanzielle Mittel dafür auf. Aber in Ihren Augen sind das wohl ohnehin nur PR-Aktionen. Die Qualität einer Region als Lebensraum für Mensch und Natur an der Fläche von Naturschutzgebieten festzumachen ist selbst für einen Umweltpolitiker etwas zu kurz gegriffen.
Manchmal ist es angezeigt, die dunkelgrüne Parteibrille abzusetzen und über den ökologischen Tellerrand hinauszublicken, um die Worte so zu wählen, dass sie keinen Schaden verursachen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Meyer
Landrat“
„Der Landrat wirft mir also vor, ich würde lügen“
Toni Schuberl zeigt sich vor allem verwundert über die Zahlen zur Größe der Schutzgebiete, die in der ersten, dem Hog’n exklusiv vorliegenden Reaktion seitens des Landratsamts zur Flächenfraß-Pressemitteilung ins Feld geführt werden. Im Hog’n-Bericht stand:
„Landrat Meyer ist der Meinung, dass Kreisrat Schuberl den Landkreis so gut kenne, dass er diese vergleichenden Aussagen wohl wider besseren Wissens treffe. ‚Passau ist der drittgrößte Flächenlandkreis Bayerns und als Naturraum sehr unterschiedlich geprägt. Allein 4,1 Prozent der Landkreisfläche gehören zum Europäischen Schutzgebiet Natura 2000‘. In Zahlen: 6.260 Hektar. ‚Die Naturschutzgebiete umfassen 1.405 Hektar, die Landschaftsschutzgebiete fast 5.000 Hektar‘, macht Meyer auf Berufung offensichtlich anders lautender Zahlen deutlich. Weit mehr als 10.000 Hektar würden demnach Schutzstatus genießen.“
(Hog’n-Bericht vom 06.02.2017)
Toni Schuberl dazu: „Der Landrat wirft mir also vor, ich würde bewusst falsche Zahlen verwenden, also lügen. Ich jedoch habe versucht, objektive Zahlen zu finden und bin deshalb über die alternativen Zahlen des Landrats verwundert. Daher denke ich, sollten wir durchaus vorab klären, welche Zahlen stimmen. Ich gehe ja davon aus, dass der Landrat den Landkreis Passau sehr gut und sicher besser kennt als ich und deshalb mit Sicherheit seine Aussagen nach bestem Wissen trifft. Meine Fragen sind sehr konkret gestellt und dürften ohne größeren Aufwand zu beantworten sein.“
„Ein wohl bewusster Vergleich von Äpfeln mit Birnen“
Schuberl prangert Meyers vorgebrachte Zahlen weiter wiefolgt an (Auszug aus E-Mail-Konversation):
„Sie sagen, es gäbe 1405 Hektar Naturschutzgebiete im Landkreis Passau. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt mit Stand zum 15.07.2016 ist die Zahl mit 899 Hektar jedoch sehr viel geringer. Könnten Sie mir erklären, auf welche Datengrundlage Sie Ihre Aussage stützen und weshalb die Daten des LfU dieser nicht entspricht?
Nach meiner Kenntnis gibt es folgende Naturschutzgebiete:
- Audobel
- Donauleiten
- Forchenhügel und Moosleiten
- Halser Ilzschleifen
- Obere Ilz
- Unterer Inn
- Vils-Engtal
Wenn Sie weitere, mir noch unbekannte Naturschutzgebiete kennen, würde ich mich freuen, wenn Sie mir diese mitteilen könnten.
Haben Sie bezüglich Ihrer Aussage, es seien mehr als 10.000 Hektar Fläche im Landkreis Passau unter Schutz, Natura 2000-Flächen und Naturschutzgebiete und Landschaftsschutzgebiete zusammengezählt? Haben Sie dabei auch berücksichtigt, dass Landschaftsschutzgebiete und Naturschutzgebiete teilweise bereits in den Natura 2000-Flächen enthalten sind und deshalb nicht doppelt gerechnet werden dürfen? Die Donauleiten werden ja nicht doppelt so groß, bloß weil sie Naturschutzgebiet und FFH-Schutzgebiet gleichzeitig sind.
Sie haben recht, es zählen nicht nur Quantität, sondern auch Qualität von Schutzgebieten. Landschaftsschutzgebiete sind viel weniger geschützt, als Naturschutzgebiete. Die Kritik an einer zu geringen Anzahl an Naturschutzflächen mit der Zahl von Landschaftsschutzgebieten zu kontern, ist ein wohl bewusster Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Diesbezüglich müsste man auch die Relation der Fläche an Landschaftsschutzgebieten mit anderen Landkreisen und Bundesländern vergleichen. Dann wird sich wieder das gleiche Bild ergeben.
Die besondere Biotop-Qualität der Donauleiten ist im Übrigen nicht das Verdienst der Landkreispolitik, sondern ein Glücksfall der Natur. Die Landkreispolitik muss sich hingegen an der Schutz-Qualität dieses Biotops und auch seines Umgriffs messen. Und hier kann ich mich noch genau erinnern, als Sie im letzten Kommunalwahlkampf betonten, dass ein Naturpark Donauengtal mit einem Landrat Meyer nicht kommen werde.
„Sie stellen sich gegen den BN, den Bauernverband und die Politik der bayerischen Staatsregierung“
Am meisten verwundert war ich, dass Sie in Hinblick auf den Flächenfraß im Landkreis Passau keinerlei Handlungsbedarf sehen. Damit gehen Sie nicht nur auf Distanz zum Bund Naturschutz, sondern auch zum Bayerischen Bauernverband, der stetig auf die fortschreitende und viel zu massive Vernichtung von Landschaft und landwirtschaftlichen Nutzflächen hinweist und ein entschlossenes Gegensteuern der Politik fordert. Sie stellen sich damit auch gegen die Politik der Bayerischen Staatsregierung, die – zumindest vordergründig – das Flächensparen unterstützt. Und Sie stellen sich gegen Ihre eigene Zusage, als Sie im Gespräch mit mir zum Thema Flächenfraß sagten, dass die Ausweisung von Gewerbegebieten zwar nicht Aufgabe des Landkreises, sondern der Gemeinden sei, das Landratsamt jedoch auf die sparende Verwendung von Fläche hinwirken wolle.
Die Vernichtung unserer Landschaft und Natur geht in unserem Landkreis jedoch ungebremst weiter. Nach Ihren Aussagen im Onlinemagazin da Hog’n wundert mich das auch nicht mehr! Dass ein Christsozialer Politiker mit Wurzeln im Bauernstand den Wert der Schöpfung und des uns ernährenden Bodens nicht höher schätzt, finde ich sehr schade.
Es geht mir nicht um den Stopp von Flächenverbrauch. Der ist in vielen Fällen notwendig. Es geht mir um eine höhere Wertschätzung der Natur. Ich finde es bestürzend, wenn im Verkehrsausschuss immer dann, wenn über den Schutz von Fledermäusen, Reptilien oder Ähnlichem gesprochen wird, kindisch gelacht und hämische Kommentare abgegeben werden. Hier muss noch ein Bewusstseinswandel eintreten.
„Ihr fehlt in kritischen Situationen der Rückhalt der Politik“
Und mit Flächenschutz meine ich nicht den Widerstand gegen Freiflächenphotovoltaikanlagen oder ökologische Ausgleichsflächen, sondern die Vermeidung der Zerstörung von fruchtbarem Boden und der Versiegelung von Flächen. Der Boden unter Freiflächenphotovoltaikanlagen erfüllt weiterhin seine Aufgaben im ökologischen Netz. Nach dem Abbau von Freiflächenphotovoltaikanlagen kann der Boden wieder ganz normal genutzt werden. Ökologische Ausgleichsflächen sind ebenfalls kein Verlust an Landschaft oder Natur, im Gegenteil. Der ökologische Qualitätsunterschied einer betonierten Fläche zu einer Streuobstwiese muss wohl nicht näher erläutert werden.
Ich kritisiere hiermit ausdrücklich auch nicht die Arbeit der unteren Naturschutzbehörde. Ich wurde diesbezüglich schon einmal missverstanden. Diese versucht, zu retten, was zu retten ist. Ihr fehlt jedoch in kritischen Situationen der Rückhalt der Politik.“
Ergänzung (2. März 2017): Offizielle Antwort Schuberls auf Meyers Schreiben bezüglich des „Flächenfraßes“ im Lkr. Passau:
„Sehr geehrter Herr Landrat Meyer,
Sie haben mir in der Presse vorgeworfen, bewusst eine falsche Zahl über die Größe der Naturschutzgebiete im Landkreis Passau zu verwenden und nannten dabei eine eigene, um die Hälfte höhere Zahl.Auf meine Anfrage hat das Landratsamt nun bestätigt, dass meine Fakten korrekt sind und Ihre Nennung falsch war. Sie hatten einfach alle Naturschutzgebiete zusammengerechnet, auch wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Landkreises befunden haben.
Herr Landrat, ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie genauer nachrechnen, bevor Sie mich öffentlich fälschlich als Lügner bezeichnen. Aber egal. Ich habe Sie als korrekten und gewissenhaften Menschen kennengelernt und weiß deshalb, dass dies nicht mit Absicht, sondern aus Versehen geschehen ist. Da Sie aber wahrscheinlich die Person sind, die den Landkreis Passau in allen seinen Teilen am besten kennt und Zahlen und Fakten über die Wirtschaftskraft, die Arbeitslosigkeit und das Bevölkerungswachstum des Landkreises aus dem Stegreif auswendig korrekt aufsagen können, verwundert mich dieser Fehler aber schon. Er zeigt deutlich, dass Sie sich für Naturschutz eigentlich nicht interessieren. Er ist für Sie ein nettes Zuckerl, das man sich mal nebenbei leistet. Und der Landkreis kann hier auch sehr schöne Einzelprojekte für den Tierschutz anführen, die ich sehr lobe und unterstütze. Sie haben diese Projekte in Ihrem Schreiben aufgelistet. Ich empfinde diese als wichtig und wertvoll.
„Es ist Ihnen schlichtweg egal“
Doch ein grundsätzliches Missverständnis scheint geblieben zu sein. Naturschutz ist nicht ein Luxus, den man sich nebenbei mal leistet. Nimmt man ihn ernst, so ist er in allen Angelegenheiten zu beachten. Nur weil der Landkreis mit EU-Geldern die Flussperlmuscheln schützt, heißt das nicht, dass man in allen anderen Teilen des Passauer Landes Biotope und Landschaft vernichten darf. Es genügt nicht, einen Steilhang, ein Flussufer oder eine nasse Wiese, die sowieso wirtschaftlich unbrauchbar sind, unter Schutz zu stellen. Wertvolle Natur muss auch dort geschützt werden, wo Investoren, Spekulanten und Bürgermeister sie planieren wollen.
Bei jedem Thema, egal welche Ebene es betrifft, sind Sie aktiv in der Diskussion. Sie haben als Mitglied des CSU-Parteivorstands ein Mitspracherecht in der großen Landes- und Bundespolitik. In Belangen der Gemeinden üben Sie Einfluss auf die Bürgermeister im Einzelnen oder bei den Bürgermeister-Dienstversammlungen im Ganzen aus. Nur beim Flächenfraß verweisen Sie mich darauf, dass Ihnen die Hände gebunden seien und ich mich an den Landesgesetzgeber wenden solle. Sie sehen nicht einmal die Notwendigkeit für ein Umdenken zu werben. Es ist Ihnen schlichtweg egal. Nein, viel schlimmer, Sie sehen Landschaftsvernichtung wie in Rathsmannsdorf geschehen, mit Genugtuung. Sie interessieren sich noch nicht einmal dafür, inwieweit bereits noch leere Gewerbegebiete im Landkreis vorhanden sind. Jedes neue Gebiet ist in Ihren Augen ein Gewinn, unabhängig davon, ob es gebraucht wird oder nicht. Boden und Natur werden verramscht, damit eine Gemeinde den Betrieb der Nachbargemeinde anlockt. Bei diesem Teufels-Wettbewerb entstehen keine neuen Arbeitsplätze!
Der Boden – das müssten Sie als gelernter Landwirt eigentlich wissen – ist unsere Lebensgrundlage. Einmal vernichtet, lässt er sich nicht mehr zurückholen. Die CSU-Ideologie des grenzenlosen Wachstums, koste es was es wolle, vernichtet die Lebensgrundlage unserer Enkel. Und alle Fraktionen im Passauer Kreistag, bis auf Grüne und ÖDP, stimmen widerspruchslos einer Abschaffung des bereits sehr schwachen Gebots des Flächensparens im Bayerischen Landesentwicklungsprogramm zu. Nicht einmal die Bedenken des SPD-Urgesteins Max Brandl, der ebenfalls eine noch stärkere Zersiedelung der Landschaft befürchtete, brachte hier irgendwen zum Nachdenken.
„Eine Schande für den Landkreis Passau!“
Stolz wenden Sie ein, dass, wenn es schon kaum Naturschutzgebiete im Landkreis Passau gebe, dafür aber ganze 5.000 Hektar Landschaftsschutzgebiet seien. Ein Landschaftsschutzgebiet ist eine der schwächsten Schutzkategorien. Fast jede Landnutzung ist darin erlaubt. Nur das Aussehen der Landschaft soll darin geschützt werden. Diese sind kein Ersatz für die quasi nicht existenten Naturschutzgebiete im Landkreis Passau.
Im Übrigen sind 5000 Hektar Landschaftsschutzgebiete lediglich 3 Prozent der Landkreisfläche. Diese Zahl ist nichts, worauf Sie stolz sein können, sondern eine Schande für den Landkreis Passau! Dies wird deutlich, wenn man vergleichbare Landkreise heranzieht. Der Landkreis Deggendorf hat 36.434 ha Landschaftsschutzgebiete, das sind 42 Prozent der Gesamtfläche. Im Landkreis Straubing-Bogen sind es 40.462 ha, das sind 34 Prozent der Fläche. Und im Landkreis Freyung-Grafenau sind es mit 79.516 ha ganze 80 Prozent der Landkreisfläche. In Niederbayern sind es zumindest 25 Prozentund bayernweit sind 30 Prozent des Freistaates Landschaftsschutzgebiete. Auch hier ist der Landkreis Passau wieder einmal trauriges Beispiel.
Unser Tourismus ist, wie Sie sagen, ein wichtiges Rückgrat unserer Wirtschaft. Gerade deshalb sollten wir die Schönheit unseres Landkreises nicht für billiges, schnelles Wachstum opfern. Wir sollten nicht das Ausfransen der Dörfer und das Zerschneiden der Landschaft dulden oder gar fördern. Wir sollten aufhören, darüber zu reden, wieviel uns unsere Heimat wert ist, sondern endlich für jeden sichtbar machen, dass wir Kulturlandschaft, Schönheit und Natur wertschätzen.
„Gewinnen Sie ein Augenmaß zurück“
Hören Sie auf die Kirchen, die Naturschützer, die Bauern und die einfachen Menschen am Land. Ein echter Waidler liebt seinen „Woid“. Wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen ist wichtig. Dafür ist es manchmal notwendig, Natur zu zerstören und Landschaft zu verbrauchen. Aber gewinnen Sie ein Augenmaß zurück und verfallen Sie nicht weiter der zerstörerischen Großmannssucht der Stoiber-CSU. Hören Sie lieber auf Landwirtschaftsminister Brunner, statt auf den Heimatvernichtungsminister Söder.
In der Hoffnung, dass wir beim Erhalt der Schöpfung irgendwann mit Ihnen gemeinsam kämpfen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Ihr Toni Schuberl“
Das Landratsamt Passau teilte auf Hog’n-Nachfrage hinsichtlich konkreter Zahlen in Sachen Naturschutzgebiete im Landkreis Passau am 22. Februar folgendes mit:
„Was die Naturschutzgebiete betrifft, liegt der Zahl von rund 1.400 Hektar die sog. Grüne Liste der Naturschutzgebiete des LfU zugrunde. Hier werden die Schutzgebiete in ihrer Gesamtheit gewertet, das heißt auch in den Fällen, in denen eine Ausweisung landkreisübergreifend erfolgte. Beseitigt man diese Unschärfe (gemeinsame Schutzgebiete mit Landkreisen Deggendorf, Freyung-Grafenau und Stadt Passau), so resultieren für den Landkreis Passau allein in der Tat rund 900 Hektar. Damit ist die Divergenz dieser Zahlen nachvollziehbar.
Was die Angaben zu den Schutzgebieten insgesamt betrifft, so ergibt sich in der Summierung der Natura 2000-Flächen (6259,3 Hektar, hier sind die 6 Naturschutzgebiete im Landkreis enthalten) und den 12 Landschaftsschutzgebieten (4950 Hektar) ein Wert von deutlich über 10.000 Hektar.“
Ergänzung (11. März 2017): Diagramm zu Schutzgebietsflächen im Passauer Land (ausführlicher bei Klick)
Anton Schuberl dazu: „Anlässlich des 25. Jahrestags von Natura2000, also der Errichtung des größten Naturschutzverbundes der Welt, den FFH-Gebieten in Europa, hat das Haus am Strom Zahlen zu den Größen der FFH-Gebiete in Deutschland, Bayern und Niederbayern veröffentlicht. Die Größe der FFH-Gebiete im Landkreis Passau hat das Landratsamt mir erst vor Kurzem mitgeteilt. Nun kenne ich die Größenverhältnisse von den drei wichtigsten Schutzgebietsflächen. In allen drei ist der Landkreis Passau beschämend schlecht aufgestellt. Um dies, auch in Ergänzung meines letzten Schreibens an Landrat Meyer, das bisher unbeantwortet geblieben ist, besser graphisch sichtbar zu machen, habe ich diese offiziellen Zahlen in ein Diagramm verpackt.“
da Hog’n
Ich kann es nur begrüßen, wenn endlich mal einer eines der dringendsten Probleme unserer Zeit (den übermäßigen Flächenverbrauch) anprangert. Um so trauriger finde ich es, wenn man ihm dann gleich einen Maulkorb verpassen will, weil er die Darstellung der schönen heilen Welt in Frage stellt.
Ich kann mich dem vorherigen Kommentar nur anschließen, alles was nicht der Meinung der CSU oder des Bauernverbandes entspricht darf nicht gesagt werden. Es ist alles der heiligen Kuh „Wachstum um jeden Preis“ unterzuordnen. Das wird sich in Zukunft sicherlich noch einmal rächen.