Passau. „Kein pechhaltiger Straßenaufbruch auf Privatgrund“ – so lautete der Antrag der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag vom 9. März dieses Jahres. Die Abgeordneten forderten darin die Staatsregierung auf, die Behandlung von pechhaltigem Straßenaufbruch in Bayern neu zu regeln, denn dieser enthalte größere Mengen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die nachweisleich krebserzeugend seien, wie es in der Antragsbegründung heißt. Zudem sollen künftig Fälle wie der „Skandal in Hutthurm, wo tausende Tonnen giftigen Materials unsachgemäß auf privatem landwirtschaftlichem Grund eingebaut wurden“, vermieden werden. Die CSU-Mehrheit lehnte den Antrag ab, worüber sich insbesondere Grünen-MdL Rosi Steinberger wenig erfreut zeigte. Da Hog’n hat bei den CSU-Abgeordneten Max Gibis, Walter Taubeneder und Gerhard Waschler nach dem Grund ihrer Ablehnung nachgefragt. Ebenso will Grünen-Kreisrat Toni Schuberl die Sache nicht unkommentiert stehen lassen – und findet deutliche Worte.
„Der bayerische Landtag hat wieder eine große Chance vertan. Die CSU-Mehrheit hat den Antrag der Grünen abgelehnt, teerhaltigen Straßenaufbruch künftig nicht mehr an Private abzugeben“, informierte Rosi Steinberger unmittelbar nach der Entscheidung die Medien. Alle anderen Bundesländer hätten eine derartige Regelung bereits getroffen, nur Bayern nicht. „Dabei zeigt das Beispiel Hutthurm, wie so eine Regelung schief gehen kann“, warnt Steinberger, die den Antrag ins Landtagsplenum eingebracht hatte. „Im Fall Hutthurm entstanden Millionenkosten für die öffentliche Hand.“
„Vorsorgeprinzip muss auch für private Verwerter gelten“
Vor allem das Verhalten der Abgeordneten von CSU und Freie Wähler – letztere hatten sich enthalten – prangert Steinberger dabei an: Diese hätten wieder einmal keinen Handlungsbedarf gesehen. „Otto Hünnerkopf meinte gar, es wäre in Bayern ja alles so gut geregelt. Deshalb wäre der grüne Antrag überflüssig. Wie kann man nur die Augen vor diesem Missstand so verschließen.“
Im Landkreis Passau seien inzwischen 16 weitere Standorte bekannt, bei denen man jedoch weder die vergrabene Menge noch den Grad der Belastung kenne. Eine Dokumentation des Einbaus sei nicht erfolgt, obwohl dies vorgeschrieben wäre, so Steinberger weiter. Hier würden neue Altlasten entstehen, mit denen kommende Generationen fertig werden müssten.
„Das Umweltministerium ist weiterhin der Meinung, dass das Vorhandensein von Merkblättern für diese Thematik ausreichend ist“, zeigt sich Steinberger empört. Besonders pikant ist ihr zufolge die Tatsache, dass Teer ab 2018 weder in Bundesstraßen noch in Staatsstraßen eingebaut werden darf. Der Grund dafür liege im Vorsorgeprinzip. „Das Vorsorgeprinzip muss aber auch für private Verwerter gelten, alles andere ist doch absurd“, teilt die Grünen-Abgeordnete mit.
Als „besonders traurig“ empfinde sie, dass auch Abgeordnete aus dem Passauer Raum den Antrag abgelehnt hatten. Ihr Urteil: „Verantwortung für die Region sieht anders aus.“
Waschler/Taubeneder: „CSU ist keine Verbotspartei“
„Die CSU-Landtagsfraktion habe sich einstimmig für eine Ablehnung des Antrags der Grünen ausgesprochen“, heißt es von Seiten des Passauer Landtagsabgeordneten Dr. Gerhard Waschler auf Hog’n-Nachfrage, der damit sein eigenes „Nein“ begründet. Der Antrag ist ihm zufolge bereits in den Jahren 2012 und 2014 inhaltsgleich gestellt worden – „an der begründeten Ablehnung des Antrags habe sich seit damals nichts geändert“.
Waschler weiter: „Bei Einhaltung der Anforderungen des einschlägigen LfU-Merkblatts sei eine Verwertung von pechhaltigem Straßenaufbruch problemlos möglich. Maßgeblich seien die Einbaubedingungen, insbesondere der Einbau unter einer wasserundurchlässigen Deckschicht. Auf die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück kommt es dagegen nicht an. Unabhängig davon werde man gerade mit Blick auf den Sachverhalt in der Region Passau die weitere Entwicklung genau beobachten.“
Waschlers CSU-Parteikollege Walter Taubeneder erläutert in diesem Zusammenhang: „Wir wollen kein grundsätzliches Verbot aussprechen – immerhin ist die Behandlung von pechhaltigem Straßenaufbruch in Bayern bereits geregelt.“ Diese Regelung gelte es auch einzuhalten. Auch Taubeneder betont: „Hier gibt es einschlägige Vorschriften und Regeln, die in einem LfU-Merkblatt festgehalten sind.“ Weitere Vorschriften seien schon allein im Sinne einer Entbürokratisierung nicht notwendig. „Außerdem ist die CSU keine Verbotspartei und setzt auf den verantwortungsvollen Umgang von Eigentum.“
Unternehmer meldet Insolvenz an – der Staat zahlt die Zeche
„Die CSU hat gerade in den letzten Jahren alle anderen Parteien in der Erfindung neuer Verbote geradezu überflügelt“, zeigt sich der Passauer Grünen-Kreisrat Toni Schuberl sehr verwundert von der Aussage Taubeneders – und führt sogleich folgende Beispiele ins Feld:
Verbot des Familiennachzugs von syrischen Flüchtlingen, Arbeitsverbote für Asylbewerber, Schließung der offenen Grenzen, Forderung eines Verbots islamischer Gebetsräume an Unis, Verbot der Gesichtsverschleierung, Verbot der Adoption durch Homosexuelle, strengste Durchführung des Verbots von Cannabis uvm.
Nur bezüglich ihrer eigenen Klientel, „nämlich den Unternehmern und Reichen“, setze die CSU stetig auf Selbstverpflichtungen, Ermahnungen, Hoffnungen und Merkblätter, kritisiert Schuberl mit deutlichen Worten. An Waschler und Taubeneder gerichtet: „Als Mitglieder der Legislative sollten Sie den Unterschied zwischen bindenden Regelungen oder Vorschriften in Gesetzen und unverbindlichen Empfehlungen in Merkblättern kennen. Wenn irgendwer etwas in ein Merkblatt schreibt, dann ist das keine Regelung und nicht verpflichtend.“
Schuberl weiter:
„Der Vorteil für Sie ist, dass die Unternehmen auch in Zukunft bayernweit viel Geld für die Entsorgung giftigen Teermülls bekommen, den sie dann unkontrolliert privat vergraben können, wofür sie noch einmal kassieren. Wenn solch ein Fall dann mal aufgrund eines hartnäckigen Nachbarn rauskommt, können sich die Landratsämter rausreden, weil sie ja nicht zwingend kontrollieren mussten und diese Praxis eben nicht verboten sei. Es steht ja alles nur in einem Merkblatt und nicht in einem Gesetz. Der Unternehmer meldet Insolvenz an und der Staat zahlt die Zeche. Das kostet im Fall Hutthurm eine Million Euro! Die Bauernhöfe, in denen der giftige Teermüll eingebaut worden ist, sind mit Altlasten verseucht und wertlos, das Grundwasser ist vergiftet. Allein im Landkreis Passau gibt es 16 weitere Fälle. Wieviele gibt es in ganz Bayern? Und die Herren von der CSU wollen keine Verbotspartei sein!? Das kann nicht Euer Ernst sein!“
Zusätzlich an Passaus Landrat Franz Meyer gerichtet, teilt der Grünen-Kreisrat mit:
„Entweder, es ist in Bayern bereits alles ausreichend geregelt und der unkontrollierte Einbau durch Private bereits verboten, dann wurde von den Mitarbeitern im Landratsamt Passau bezüglich Hutthurm und in allen weiteren Fällen im Landkreis rechtswidrig gehandelt, mit den üblichen Konsequenzen, inklusive einer Regresspflicht bezüglich der Ausbaukosten. Oder dies ist in Bayern noch nicht ausreichend verboten, so dass den Mitarbeitern im Landratsamt kein rechtswidriges Handeln unterstellt werden kann – davon gehen die Grünen aus.
Wenn Sie jedoch sagen, es sei von den Mitarbeitern im Landratsamt alles rechtmäßig bearbeitet worden, gleichzeitig aber ein Verbot des privaten Einbaus von Teer ablehnen, dann muss ich dies so deuten, dass Sie die skandalösen Zustände, wie sie im Fall Hutthurm bestanden, in Ordnung finden und durch Ihre Abstimmung dies auch in Zukunft möglich machen möchten. Das wäre aber wahrlich ein Skandal.
Herr Landrat, Sie hatten mir versichert, sich innerhalb der CSU, deren Landesvorstand Sie angehören, für ein Verbot einzusetzen. Wurden Sie mit diesem Anliegen im Parteivorstand überstimmt? Konnten Sie die Landtagsabgeordneten nicht umstimmen? Haben Sie diesbezüglich überhaupt etwas unternommen? Mit wem haben Sie darüber gesprochen? Bisher hörte ich nur Ankündigungen. Wird sich da noch was tun?“
Gibis: „Bayern kann eigenständig ohnehin nichts regeln“
Auch CSU-Abgeordneter Max Gibis verweist anlässlich seines Neins zum Grünen-Antrag darauf, dass dieser bereits 2012 und 2014 „begründet abgelehnt“ worden sei. Auch er ist der Überzeugung, dass die Behandlung von pechhaltigem Straßenaufbruch in Bayern „durch einschlägige Vorschriften, z.B. im LfU-Merkblatt 3.4/1“, bereits geregelt sei. Er erklärt: „Solange sich dieser pechhaltige Straßenaufbruch auf oder unter einer wassergebundenen Decke befindet, ist er nicht umweltschädlich. Aus abfallwirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das Material also durchaus noch nutzbar, wenn es sachgerecht eingebaut wird.“
Im Fall Hutthurm sowie bei 16 weiteren Fällen im Landkreis Passau sei der pechhaltige Straßenaufbruch „an der Legalität vorbei“ eingebaut worden, so Gibis. „Auch jetzt ist der Einbau auf Privatflächen außerhalb von Industrie- und Gewerbegebieten bereits ausgeschlossen. Genauso soll er nur bei größeren Baumaßnahmen, bei denen es umwelttechnisch keine Bedenken gibt, eingesetzt werden.“ Diese Regelungen bestehen Gibis zufolge bereits, wie dieser betont. Darüber hinaus könne Bayern in dieser Angelegenheit normativ und eigenständig ohnehin nichts regeln, sondern müsse sich in die Gesetzgebung des Bundes einbringen. „Die Bundesstraßenbauverwaltung wird das Material ab 2018 nicht mehr unter Bundesstraßen und unter Staatstraßen einbauen. Die Forderung, das Material auf Privatgrund in Bayern zu verbieten, ist an dieser Stelle nicht zielführend.“
da Hog’n