Freyung. „Ich dachte immer wir sind alle gleich. Es macht doch eigentlich alles gar keinen Unterschied. Ob Schwarz oder Weiß – wir sollten vielleicht alle einander mit mehr Liebe und Respekt begegnen“, sagt Kibrom, als da Hog’n ihn in der Asylunterkunft in der Grafenauer Straße besucht. Der Schock, die Enttäuschung, sitzt bei ihm und seinen sechs eritreischen Mitbewohnern immer noch tief. Sie können immer noch nicht verstehen, was in jener Samstagnacht (27. Juni) vor der Discothek „Freyheit“ am Freyunger Stadtrand passiert ist, als ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe der Zugang verwehrt blieb („Schwarze kommen heut‘ nicht rein!“).
Kibrom: „Haben mit Sicherheit andere Gründe vorgelegen“
Der Verlauf der Ereignisse aus Kibroms Sicht: Er, seine Mitbewohner sowie drei befreundete „German Girls“ und einige weitere Begleiter wollten nach dem Volksfest im Club „Freyheit“ noch etwas weiterfeiern – wollten, tanzen, Spaß haben, den Abend ausklingen lassen, so wie viele andere Volksfestbesucher auch. Doch aus dem Vorhaben wurde nichts. Den eritreischen Flüchtlingen wurde am Eingang erklärt, dass man ihnen heute keinen Zutritt gewähren könne. Die deutschen Begleiter seien willkommen, diese dürften eintreten – doch „Schwarz“ sei heute heute nicht erwünscht. Die Antwort auf das „Warum?“ blieb man ihnen schuldig. Mit Hilfe der Begleiter versuchte man erneut die Securities an der Disco-Tür umzustimmen – jedoch vergebens. Daraufhin habe man die Polizei verständigt – aber auch das habe wenig an der Situation geändert. Kibrom zufolge ist es für andere Asylbewerber aus Syrien, Pakistan oder dem Kosovo kein Problem gewesen, an diesem Abend Einlass zu erlangen. Viele von ihnen hätten sich bereits in der Diskothek befunden. Enttäuscht habe man sich letztlich darauf geeinigt, es für heute mit dem Feiern sein zu lassen – und sich auf den Nachhauseweg zu begeben.

Unter anderem mit ihnen wollten Kibrom und seine Begleiter nach dem Volkfestbesuch in die Freyunger Discothek „Freyheit“: (v.l.) Lena Schandra, Julia Schandra und Patrick Frauenauer
Nach Meinung des 20-jährigen Eritreers seien die zahlreichen, teils stark alkoholisierten Partygäste sowie dadurch aufkommendes Konfliktpotenzial – wie von Johannes Kröber, Sohn des Disco-Betreibers Martin Kröber, auf Hog’n-Nachfrage gerechtfertigt („Es ist zum eigenen Schutz der Asylbewerber“) – nicht der Grund für den Ausschluss der Afrikaner gewesen. „Es haben mit Sicherheit andere Gründe vorgelegen…“, sagt er gegenüber dem Hog’n. Genauer will Kibrom auf dieses Thema jedoch nicht eingehen. Mehrmals sind er und seine Freunde in der „Freyheit“ zu Besuch gewesen – zwei Monate zuvor habe man ihnen aber schon einmal ohne Angabe von Gründen den Zugang verweigert…
„Ich bin nun seit elf Monaten hier und habe die Deutschen immer gemocht – aber in dieser Nacht…“, berichtet der ostafrikanische Flüchtling, der vor mehreren Monaten vor Zwangsrektrutierung und Folter aus Eritrea über den Sudan nach Lybien und von da übers Mittelmeer nach Sizilien und Deutschland geflohen ist, mit enttäuschtem Kopfschütteln. Zwar sei er noch nie offen auf der Straße beleidigt oder gar bedroht worden, jedoch bekomme er häufiger mit, wie hinter seinem Rücken die Worte „Schwarzer“ oder „Neger“ fallen. „Wenn in Deutschland solche Charaktere leben, überlege ich ernsthaft, ob ich nicht in ein anderes Land will.“
Facebook-Echo: „Bei uns bis zu 90 % Alltagsrassismus“
Die Reaktionen zu diesem Vorfall an der Freyunger Disco-Tür fielen auf dem Hog’n-Facebook-Kanal unterschiedlich aus. Ein Auszug:
Landrat Gruber: „Unsere kleinteilige Struktur ist von Vorteil“
Wie es um den Alltagsrassismus in der Stadt Freyung im Speziellen sowie im Landkreis Freyung-Grafenau im Allgemeinen bestellt sei, hat da Hog’n unter anderem bei Sebastian Gruber, amtierender Landrat und ehemals zweiter Bürgermeister der Kreisstadt, nachgefragt. Seinen Aussagen zufolge kann er den Vorfall „mangels eigener Kenntnis“ nicht beurteilen: „Mir sind die Umstände nicht persönlich bekannt. Durch persönliche Gespräche und die Berichterstattung sind mir lediglich allgemeine Informationen bekannt, Einzelheiten und Details aber nicht. Deshalb kann ich dazu auch keine Bewertung abgeben.“

„Unser Landkreis nimmt die Asylbewerber insgesamt offen auf. Gleichwohl dürfen wir aber jede Form von Rassismus und Alltagsrassismus nicht tolerieren.“
Es gebe zunehmend Fälle von Alltagsrassismus, so Gruber weiter. „Unser Landkreis ist aber kein Schwerpunkt. Es gibt viele Menschen, die von sich aus auf die Asylbewerber in unserem Landkreis zugehen und sie unterstützen.“ Auf die Frage hin, welche Möglichkeiten er sehe, dem Problem Herr zu werden – und was die Politik dazu beitragen könne, teilt er mit: „Unser Landkreis nimmt die Asylbewerber insgesamt offen auf. Gleichwohl dürfen wir aber jede Form von Rassismus und Alltagsrassismus nicht tolerieren. Die Politik vor Ort muss noch mehr informieren. Darüber hinaus ist die Landes-, Bundes- und Europapolitik in der Verantwortung, verschiedene Dinge zu klären, unter anderem die Beschleunigung der Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zügige Rückführung abgelehnter Antragsteller, bundesweite Verteilung unbegleiteter Minderjähriger und stärkere Verantwortung der EU.“
Vorurteile gegenüber Asylbewerbern entstehen Gurber zufolge zum einen durch Unkenntnis und fehlende Informationen. „Zum anderen durch einzelne Vorkommnisse – verursacht durch Flüchtlinge – die sich leider nicht so benehmen, wie es ein Rechtsstaat erwartet.“ Dass die Vorurteile in ländlichen Regionen ausgeprägter seien als in städtischen, glaubt er nicht. „Unsere kleinteilige Struktur und ein funktionierendes Gemeinwesen sind hier mit Sicherheit von Vorteil. Es gibt keine Ghettoisierung wie in den Ballungsräumen. Vereine und Pfarreien, aber auch die politischen Gemeinden bieten Integration und Teilhabe an der örtlichen Gemeinschaft an.“
Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich: Ist alles bereits gesagt!

„Eine darüber hinausgehende Stellungnahme werde ich nicht abgeben“: Von Freyungs Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich gab’s aus Hog’n-Sicht eine nicht zufriedenstellende Antwort zum Thema Alltagsrassismus.
Auch mit Freyungs Bürgermeister und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich hätten wir uns gerne über den Vorfall in „seiner“ Stadt sowie das Thema Alltagsrassismus unterhalten. Unser Fragenkatalog mit der Bitte um schriftliche Beantwortung blieb bis auf folgenden Satz jedoch unberücksichtigt:
„Alles was die Stadt dazu zu sagen hat, hat Ihnen Herr Graf bereits mitgeteilt (gemeint ist das Kurz-Interview mit dem Geschäftsführer der Stadt Freyung am Ende des Hog’n-Artikels: „Rassismus an der Disco-Tür? ‚Schwarze kommen heut‘ nicht rein!'“ – Anmerkung der Redaktion). Eine darüber hinausgehende Stellungnahme werde ich nicht abgeben.“
Wir haben deshalb seinen Stellvertreter und Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann um Rückmeldung gebeten. Er äußert sich wiefolgt:
Muthmann: „Ein Warnsignal, an dem wir arbeiten müssen“
„Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ich mit diesem Vorgang als zweiter Bürgermeister nicht befasst bin, weil kein Vertretungsfall vorliegt und der erste Bürgermeister amtiert.
Zweiter Bürgermeister der Stadt Freyung: „Jede Art von Rassismus ist generell aufs Schärfste zu verurteilen.“
Zum dem Vorfall: Bewerten kann die Situation am besten jemand, der vor Ort war. Dies ist durch die Polizeistreife geschehen. Wie der Discobetreiber selbst mitgeteilt hat, dürfen Asylbewerber generell in sein Lokal. An diesem Volksfestabend hat er die Stimmung in der Disco jedoch so eingeschätzt, dass er gegenüber den Asylbewerbern aus Fürsorge ein Betretungsverbot ausgesprochen hat. Dies ist ein Beleg dafür, dass es rassistische Tendenzen gibt und es für Asylbewerber in unserer Gesellschaft nicht immer einfach ist. Dies ist ein Warnsignal und daran müssen wir arbeiten.
Beschränken kann man dies jedoch nicht auf den Bayerischen Wald. Außerdem gibt es neben diesen Negativbeispielen auch viele Initiativen, wie „Unsere Stadt ist bunt“ oder „Da Woid is bunt„, und Zusammenschlüsse, in denen Bürger sich ehrenamtlich für Asylbewerber engagieren und ihnen die Integration erleichtern. Diese Strukturen müssen gefördert und in die Öffentlichkeit gestellt werden, natürlich auch mit der Unterstützung der Politik. Jede Art von Rassismus ist generell aufs Schärfste zu verurteilen.“
Bericht und Interviews: Stephan Hörhammer und Johannes Gress
–> Rassismus an der Disco-Tür? „Schwarze kommen heut‘ nicht rein“
Wirklich ein Trauerspiel, was sich da in Freyung ereignet. Leider aufgrund des ressentimentgeladenen gesellschaftlichen Klimas, das derzeit überall in Deutschland zu vernehmen ist, keine Überraschung.
Die ansässigen Politiker versteifen sich meiner Meinung nach hier aber zu sehr auf Floskeln. Etwas Hoffnung gibt es bei den Aussagen Muthmanns („Jede Art von Rassismus ist auf Schärste zu bekämpfen“), wenn er ihnen denn Taten folgen lässt.
Der Bürgermeister Gruber schafft es allerdings die Situation zu verkennen. Es genügt nicht für eine Erklärung, Rassismus auf individuelles Unbehagen und Vorurteile zu reduzieren, wörtlich durch „Unkenntnis“ und „fehlende Informationen“. Oder ist es tatsächlich so, dass in einem reichen Industriestaat wie Deutschland das Bildungssystem so wenig funktioniert, dass Menschen nicht mal die plattesten Vorurteile durschauen können?!
Sicherlich auch. Gruber müsste allerdings für eine bessere Erklärung auch aufzeigen, dass die Gesellschaft einer Systematik unterliegt, die eine rassistische Grundstimmung permanent befördert. An deren Spitze stehen nicht wenige oppurtunistische Politiker aller großen Parteien und der Einheitsbrei der Leitmedien, deren Grundkompetenz es zu sein scheint, die Stimmung weiter eskalieren zu lassen und die Hetze „besorgter Bürger“ (àla rassistischer Mobs) als bürgerlichen Normalzustand umzudeuten. Natürlich kann Gruber als funktionierendes CSU-Rädchen diese Erklärung nicht liefern. Im Gegenteil: Lieber nutzt er die Möglichkeit um die menschenunwürdige Politik von Asylrechtsverschärfung und Rückführungen (in so genannten sichere Herkunftsländer) zu propagieren.
Nebenbei schafft er es aber auch, den Geflüchteten selbst die Schuld zuzuschreiben, da sich manche nicht so verhalten „wie ein Rechtsstaat es erwartet“. Toller Mythos, den er da kreiert, ohne auf irgendwelche Fakten und Hintergründe einzugehen. Die besoffene Meute, die die Geflüchteten so abschätzig behandelt und die mit 0,2 Promille mehr wahrscheinlich schon mit den Fäusten schwingen würde, wird da natürlich nicht ins Verhältnis gestellt zu den Erwartungen eines Rechtstaats…