Perlesreut. Eine Sensation? Eine überraschende Wendung der Geschichte? Oder nur ein übler Scherz? Maria Magdalena, treue Begleiterin Jesu und Zeugin von dessen Auferstehung, hat gemeinsam mit Judas Ischariot, dem Jesus-Verräter, ein Kind. Nein, eine Lüge ist das nicht, eher eine Tatsache – wenn auch eine etwas abgewandelte. Judas und Maria Magdalena sind nämlich im wahren Leben die Schauspieler Markus Boxleitner und Sandra Pilsl, die kürzlich eine kleine Familie gegründet haben, und Teil der Passionsspiele Perlesreut. Das Paar gehört zu den insgesamt 120 Darstellern, die beim biblischen Spektakel im Bayerischen Wald dabei sind. Das Onlinemagazin „da Hog’n“ hat die Proben besucht und im Vorfeld mit Regisseurin Christine Kreuzer (66) und „Judas“ Markus Boxleitner (38) über die Passionsspiele gesprochen. Dabei geht es geht um den christlichen Glauben, die aufwendigen Vorbereitungen und die Rolle des Jesus Christus.
„Hier in Perlesreut sind erstaunlich gute Schauspieler dabei“
Frau Kreuzer, Sie sind die diesmalige Regisseurin der Passionsspiele Perlesreut. Wie ist es dazu gekommen?
Die Regie war ausgeschrieben, ich habe mich beworben – und letztlich auch den Zuschlag bekommen.
Was sind die Voraussetzung, um eine solche Theatergruppe leiten zu können?
Ich bin ausgebildete Spielleiterin und habe meine Ausbildung über vier Jahre beim Bayerischen und Deutschen Amateur-Theater-Verband – sogar als erste Frau in Bayern – gemacht. Das befähigt mich, Theatergruppen zu leiten und mit ihnen Aufführungen auf die Bühne zu bringen. Meine Theater-Wurzeln gehen bis in meine Kindheit zurück. Beim Zwieseler Dilettatenverein bin ich Gründungsmitglied und seitdem die Spielleitung.
Am 8. August ist Premiere. Wie ist der Stand der Dinge?
Zurzeit sind wir probentechnisch im zweiten Drittel. Witterungsbedingt konnten wir erst spät ins Freie, vorher haben wir aber bereits in der Turnhalle erste Dinge einstudieren können – Festlegung der Charaktere, der darzustellenden Personen, Sprachübungen, Gestik, Mimik und Körpersprachen. Die Aktion, also die Abläufe, Bewegungen und das Zusammenspiel der Schauspieler folgt jetzt bei den Proben im Freien, ab Ende Juni auch mit allen Mitwirkenden. Inzwischen sind wir also bei der Feinabstimmung angelangt.
Wie schaut es mit der Qualität der Schauspieler aus?
Gut – ich bin sehr zufrieden. Zum Teil haben die Schauspieler schon einmal bei einem vorherigen Passionsspiel mitgewirkt – andere wiederum wurden gecastet. Weil ich vorher bereits in Grafenau beim Brudersbrunn-Spiel Regie geführt habe, sind auch von dort einige Schauspieler dabei. Die Akteure aus Perlesreut, die schon einmal dabei waren, haben ihre Rollen bereits verinnerlicht, sind aber auch für Neues offen.
Was zeichnet denn eigentlich einen guten Laien-Schauspieler aus?
Grundsätzlich ist es so, dass sich ein Laie ein Stück weit immer selber spielt. Deshalb ist es im vorhinein wichtig, den Darstellern diejenige Rolle zuzuweisen, die auch ihrem Wesen, ihrem Temperament und der Art sich zu präsentieren, am Nächsten kommt. Das erleichtert die Arbeit der Spielleitung und die Spieler können sich leichter in ihre Rollen hineinfinden und sie überzeugend spielen.
„Für mich ist die Kreuzigung der Höhepunkt“
Ganz einfach ist ja die Passion Christi nicht zu spielen, oder?
Das Schwierige bei einem Passionsspiel ist, dass man dabei so weit wie möglich texttreu sein muss. Jeder kennt diese Geschichte, jeder weiß, worum es geht. Außerdem schlüpfen die Schauspieler in eine Rolle, die es real vor einer sehr langen Zeit gegeben hat – und die Leute damals waren vollkommen anders als heute. Hinzu kommt der Hass zwischen Römern und Juden, die Glaubenkrise der Jünger, die Hohen Priester, die sich als die Herren schlechthin gesehen haben. Eine vollkommen andere Gesellschaft als heute.
Was ist typisch Christine Kreuzer bei den diesjährigen Passionsspielen?
Das kann ich nicht sagen, das müssen die Zuschauer und Schauspieler beurteilen. Natürlich wird es einige Änderungen geben und ein paar Elemente, die typisch für mich sind, wird man dennoch feststellen können. Auch wenn die Vorgaben ziemlich starr sind, kann man sich als Regisseur doch selber verwirklichen, in kleinen Änderungen bei der Inszenierung. Mehr möchte ich aber nicht verraten (lacht).
Bereits vor Weihnachten haben Sie mit den Vorbereitungen zu den Passionsspielen begonnen. Ist es nicht deprimierend, wenn man ein halbes Jahr nur mit Tod und dem Leiden Jesu zu tun hat?
Nein, überhaupt nicht. Ich sehe da nicht den Tod und das Leiden Jesu, ich sehe das Ganze als Schauspiel und als Herausforderung. Auch wenn es sich makaber anhört, aber: Für mich ist die Kreuzigung der Höhepunkt. Wenn man an die Geschichte als gläubiger Christ glaubt, ist es darüber hinaus überhaupt nicht deprimierend. Schließlich ist es die Grundlage und der Beginn des christlichen Glaubens.
Abschließende Frage: Was wünschen Sie sich für die Passionsspiele 2014?
In erster Linie das passende Wetter (lacht). Außerdem hoffe ich, dass sehr viele begeisterte Zuschauer kommen werden, denen das Passionsspiel gefällt. Der Applaus ist schließlich das Brot des Künstlers, auch das der Amateure. Mein größtes Anliegen jedoch ist, dass all meine Schauspieler gesund bleiben und sie mit Begeisterung und Überzeugung ihre Rollen spielen. Der liebe Gott wird uns wohlwollend begleiten (lacht).
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Markus, wie wird man zum Judas?
… weil ich als Jesus ungeeignet war (lacht). 2005, damals habe ich zum ersten Mal mitgespielt, war die Frage, ob ich den Sohn Gottes oder Judas spielen sollte. Für Jesus war ich jedoch nicht weich genu, den hätte man mir wohl nicht abgekauft (lacht).
Wie stark beschäftigt Dich Deine Rolle? Wie sehr wirst Du während der Proben zum Judas?
Mittlerweile ist es nicht mehr ganz so schlimm, weil ich Judas schon öfter gespielt habe. Die ersten Jahre hat mich meine Rolle schon sehr beschäftigt: Wir stellen Judas nicht als feigen Bösewicht dar. Grundsätzlich wollte er ja nichts Böses, er wollte Jesus ja nur beiseite räumen, ihn ein bisschen ausbremsen. Judas wird bei uns als Revoluzzer dargestellt.
Wie gläubig bist Du selbst?
Eigentlich gar nicht. Ich spiele nicht wegen dem Glauben mit, sondern eher wegen dem interessanten Schauspiel und Drehbuch. Die Erlebnisse von Jesus sind für mich schöne Geschichte, mehr nicht.
Interviews: Helmut Weigerstorfer