Grafenau/PA/DEG. Nach dem Hochwasser erreichte die Flutopfer an Donau, Ilz und Inn eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft. Die Aufräumarbeiten gingen mit Hilfe von vielen Freiwilligen meist schnell und effektiv von statten. Haushaltsgegenstände, Möbel, Kleider – neben den elementarsten Dingen fehlte es insbesondere auch an Geld. Die Hog’nianer spendeten 11.000 Euro, womit fünf betroffenen Familien aus Passau mit jeweils 2.200 Euro geholfen werden konnte. Und noch eine Gemeinschaft aus dem Woid formierte sich, um Gutes zu tun: „Waidler helfen!“ aus Grafenau. Im Hog’n-Interview spricht Mit-Initiatorin Tanja Hackl über das Projekt, grenzüberschreitende Hilfe und Geschichten, die ans Herz gehen.
Wie entstand die Idee die Gruppe „Waidler helfen!“ ins Leben zu rufen? Wer waren die Initiatoren?
‚Waidler helfen!‘ ist eine privat-organisierte Gruppe engagierter Waidler, die sich aus Hausfrauen, Geschäftsleuten, Bundestagsabgeordneten, Arbeitern und auch Kindern zusammensetzt, die für die vom Hochwasser betroffenen Gemeinden in nächster Umgebung sowie unsere Partnergemeinde Schärding Sach- und Geldspenden sammelt, Transporte organisiert – oder auf andere Weise einfach nur helfen will. Überwiegend kommen die Mitglieder aus dem Großraum Grafenau. Die Initiatoren sind Manuela Blob, Lothar Beckert, Adolf Blöchinger, Susanne Müller, Monika Schäffner, Andrea Weber, Tanja Hackl und Nicole Hölzl.
„Die Hilfsbereitschaft der Menschen rund um Grafenau war grandios“
Wie hat sich die Gruppe im Laufe der Zeit entwickelt?
Viele Waidler sind damals fassungslos im trockenen Wohnzimmer gesessen, haben die schrecklichen Hochwasser-Bilder im Fernsehen mitverfolgt. Wir haben schon erlebt, dass Bäche über die Ufer treten und Schäden anrichten – aber dieses Ausmaß an Zerstörung war für uns alle neu. Die Hilflosigkeit gegenüber dieser Kraft des Wassers machte uns betroffen. Die ersten Berichte über die freiwilligen Helfer vor Ort haben uns schließlich ‚angesteckt‘ – auch wir wollten unseren Beitrag leisten. Es wurde spontan – nach dem Vorbild von ‚Mamas helfen‚ – ein Spendenaufruf gestartet und um Mithilfe gebeten. Schnell fand sich eine kleine Gruppe Frauen und Männer zusammen, die den Wunsch hatte die vom Hochwasser betroffenen Menschen zu unterstützen. Die Suche nach einem geeigneten Raum, um die Sammel-Aktion durchzuführen, gestaltete sich äußerst schwierig – konnte aber schließlich doch realisiert werden.
Einen ganzen Tag lang erlebte Grafenau eine Welle der Hilfsbereitschaft in Form von Sachspenden wie Kleidung, Bettwäsche, Handtücher, Kinderwägen, Spielsachen, Elektrogeräte und allem was nötig ist, um einen zerstörten Hausstand wieder einigermaßen neu zu bestücken. Dinge des alltäglichen Lebens gab es von einem Moment auf den anderen nicht mehr. Die Hilfsbereitschaft der Menschen rund um Grafenau war grandios. In jedem Haushalt finden sich Gegenstände, die wir spontan mit unseren Mitmenschen teilen können. Und sogar Kinder brachten ihre Spielsachen vorbei, die sie mit den Buben und Mädchen in den Hochwassergebieten teilen wollten.
Schöne Erfahrung: unbürokratische Hilfe von Firmen und Freiwilligen
Es war noch am selben Tag möglich, einen vollen 7,5-Tonner nach Hengersberg zu schicken. Unbürokratisch schnell, binnen von Minuten, wurde im dortigen Bauhof Platz gemacht, nachdem aus Deggendorf überraschend ein Annahme-Stopp gemeldet worden war. Die restlichen Spenden wurden erst noch im alten Bauhof in Grafenau zwischengelagert und befinden sich inzwischen in Schönberg, in der Halle des ehemaligen Bekleidungshaus Beckert. Der Eigentümer lässt die Helfer die Sachspenden dort kostenlos lagern, bis die Wohnungen und Häuser in den Hochwassergebieten wieder bezugsfertig sind – das wird teilweise noch Monate dauern. Eine betroffene Dame in Passau-Hals erzählte, dass es ihr voraussichtlich erst im November möglich sein wird, wieder in ihre Wohnung zu ziehen. Was also mit einem spontanen Spenden-Tag begann, entwickelte sich zu einer großen Aktion von Mitmenschen für Mitmenschen.
Wer unterstützt „Waidler helfen!“?
Die Firma Schletter GmbH aus Haag etwa leiht uns kostenlos einen ihrer Lkw samt Anhänger. Auch die Firma Solar-Pur AG aus Saldenburg hat uns ihren 7,5-Tonner mehrmals zur Verfügung gestellt. Das Panoramahotel Wimmer aus Schöllnach ließ den JRK Sandhausen kostenlos übernachten. Das Werbestudio Keil & Löw aus Waldkirchen spendete die T-Shirts „Waidler helfen!“ Brotzeitspenden kamen von Imm-Lobenz aus Eberhardsreuth, der Metzgerei Mayer aus Grafenau, dem Café Fox aus Grafenau und der Café-Pension ‚Monika‘ aus Wolfersreut.
Wie ist die Gruppe organisiert? Wer macht was?
Wir machen alles miteinander: von der Planung bis zur Ausführung. Manuela und Susanne organisieren. Lothar ist unser Lkw-Fahrer. Und alle anderen packen an, wo sie gebraucht werden.
Woher nehmen die Helfer die Zeit?
Wir sind alle in unserer Freizeit ehrenamtlich tätig. Das heißt: Wir packen nach der Arbeit an – teilweise wird auch Urlaub genommen.
„Jeder gibt – auch kleine Kinder wollen ihre Spielsachen teilen“
Wie erklären Sie sich die große Bereitschaft der Menschen zu helfen?
Durch die große Medienpräsenz und die unzähligen Bilder aus den Hochwassergebieten wird wohl auch das härteste Herz einmal weich. Anders kann man sich die überwältigende Spendenbereitschaft nicht erklären. Jeder gibt – auch kleine Kinder kommen mit Spielsachen an und wollen mit denen, die nichts mehr haben, teilen.
Wem wurde bereits geholfen? Wie fällt die Entscheidung, wem geholfen wird?
Wir konnten bereits einer Familie aus Schärding helfen, die uns die örtliche Caritas vermittelt hat, sowie Familien aus Fischerdorf, die zu uns ins Spendenlager nach Schönberg gekommen sind.
Gibt es eine Geschichte, die die Helfer besonders berührt hat?
Am ersten Tag sind viele Spender gekommen – aber ein kleiner Junge, etwa drei, vier Jahre alt, fiel allen ins Auge. Er konnte es kaum noch erwarten seine einst geliebten Spielsachen vom Auto der Eltern in den Lkw zu laden, um anderen Kindern eine Freude zu bereiten.
Die Familien aus Fischerdorf und Natternberg, die bei uns im Spendenlager vorbeigeschaut haben, machten auf uns anfangs einen sehr verschreckten Eindruck. Einige haben uns unaufgefordert ihre Bescheinigungen unter die Nase gehalten, um zu zeigen, dass sie vom Hochwasser betroffen sind. Sie waren dann zutiefst gerührt und dankbar dafür, dass sie sich mitnehmen konnten, was sie benötigten – ohne Einschränkungen.
Alles in allem kann man sagen: Die vergangenen Wochen waren sehr berührend. Zu sehen, wie Menschen zusammenhalten und uneigennützig und unbürokratisch helfen wollen – dieses gute Gefühl wird noch lange anhalten …
Benötigt: Werkzeug und Maschinen, um die Häuser instand zu setzen
Wie hoch ist der momentane Bedarf an Hilfsgütern?
Derzeit bedarf es an Werkzeug und Maschinen, um die Häuser wieder instand zu setzen. Möbel werden wohl erst nach der Sanierung wieder verstärkt gebraucht.
Wie sehr wird Waidler-helfen im Netz frequentiert?
Wir haben in unserer Facebook-Gruppe nun mehr als 225 Mitglieder. Mit der Gruppe „Mamas helfen“ sowie weitern Hochwassersammelstellen sind wir bundesweit gut vernetzt. Eine genaue Zahl lässt sich nicht definieren, aber wir sind bereits sehr bekannt und bekommen viele Zuschriften und Anrufe bezüglich Spenden.
Wie geht’s mit der Gruppe künftig weiter?
‚Waidler helfen!‘ besteht aus ehrenamtliche Bürgern, wir werden weiterhin bestehen bleiben. Denn: ‚Vor der Flut ist nach der Flut!‘ Diesen Satz hat ein 75-jähriger Passauer geprägt und hinzugefügt: ‚So Gott will, werde ich bei der nächsten Flut an die Waidler denken – und sie hoffentlich auch wieder an uns.‘
Interview: Eva Mülller
Ich empfinde großen Respekt den Waidlern gegenüber ….